TE Vwgh Beschluss 2022/1/25 Ra 2021/04/0229

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der G GmbH in G, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Dr. Ralph Trischler, Dr. Peter Kraus und Dr. Bernhard Hofmann, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen 1) das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 2021, Zl. W279 2246503-2/20E und 2) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2021, Zl. W279 2246503-3/2E, betreffend 1) vergaberechtliche Nachprüfung einer Ausschreibung bzw. 2) Vorschreibung der Pauschalgebühren für das Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: F AG, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, 1010 Wien, Schubertring 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Die Mitbeteiligte (im Folgenden: Auftraggeberin) führt ein am 9. September 2021 bekannt gemachtes Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Oberschwellenbereich. Der zu vergebende Auftrag hat die „Lieferung von Hygieneartikeln wie Papierhandtücher, Seife, Beduftungsmittel und Toilettensitzreiniger sowie jeweils dazu passender Spender für diese Materialien und die Wartung bzw. die Reparatur der Spender“ zum Gegenstand.

2        Die Revisionswerberin hat ihr Interesse am gegenständlichen Verfahren durch Herunterladen der Ausschreibungsunterlagen bekundet und möchte sich als Bieterin am Vergabeverfahren beteiligen.

3        Mit Antrag vom 17. September 2021 begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Ausschreibung samt all ihrer Unterlagen; in eventu beantragte sie die Streichung der für die Revisionswerberin diskriminierenden Anforderungen bzw. technisch unmöglichen Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen.

4        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die oben erwähnten Anträge der Revisionswerberin jeweils als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I. und A.II).

5        Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für unzulässig.

6        In der Begründung des Erkenntnisses stellte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem folgenden Inhalt der Ausschreibungsunterlagen fest:

„Die Erstmontage der ausschreibungsgegenständlichen Spender muss - im Falle des kompletten Austausches eines Spendersystems - innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ab Abschluss der Rahmenvereinbarung/Abruf erfolgen. Der Auftraggeber weist darauf hin, dass bei technischer Kompatibilität des angebotenen Verbrauchsmaterials eine Weiterverwendung der bestehenden (montierten) Spendersysteme grundsätzlich möglich ist, wobei der Auftraggeber (in den Unterlagen für die zweite Verfahrensstufe) sicherstellen wird, dass kein Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießt bzw. ein allfälliger Wettbewerbsvorteil durch Ansatz fiktiver Austauschkosten für die Montage neuer Spender in der Ermittlung des bewertungsrelevanten Gesamtpreises ausgeglichen wird. Hingewiesen wird darauf, dass sich die Eigentümer der bestehenden Spender (...) der Auftraggeberin gegenüber nicht bereit erklärt haben, einer Weiterverwendung der Spender durch Dritte zuzustimmen; ob oder unter welchen Umständen eine Weiterverwendung durch Dritte (wieder) erfolgen kann, haben die an der Weiterverwendung interessierten Bieter gegebenenfalls direkt mit den Eigentümern der Spender abzuklären (sämtliche daraus resultierenden Aufwände und Risiken trägt allein der Bieter, die Auftraggeberin hat keine Präferenzen hinsichtlich Weiterverwendung von Spendern oder Montage neuer Spender). Der Auftraggeber verwendet gegenständlich folgende Spendersysteme: ...“

7        Weiters hätten die Ausschreibungsbedingungen folgende Bestimmung enthalten:

„6.4.2 Referenzauftrag

Das Mindestniveau der technischen Leistungsfähigkeit hinsichtlich Eignungsreferenzen ist gegeben, wenn der Bewerber mindestens einen Referenzauftrag nachweisen kann, welcher die folgenden Merkmale aufweist (untenstehende Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein):

-    Betrieb eines Spendersystems mit mindestens 1500 montierten Handtuchrollenhaltern und mindestens 1500 montierten Seifenspendern;

-    ...

-    Das Spendersystem muss dabei von mindestens 25 000 000 Personen jährlich genutzt werden (Passagier-/Nutzer-/Kundenfrequenz des betreffenden Standorts);

-    ...“

8        In rechtlicher Hinsicht führt das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Bedeutung - zusammengefasst aus, die am Gelände der Auftraggeberin vorhandenen, im Eigentum einer dritten Partei stehenden Spender seien als sonderrechtsfähig zu betrachten und seien durch Montage in den Hygieneräumlichkeiten der Auftraggeberin nicht Bestandteil der Immobilie geworden und somit auch nicht in das Eigentum der Auftraggeberin übergegangen. Ob die Spender durch Kauf oder Miete neu beschafft würden, bleibe der Auftraggeberin freigestellt. Bieter, die die vorhandenen Spender technisch und rechtlich befüllen könnten und dürften, hätten bei einer Ausschreibung, die lediglich das Füllmaterial zum Gegenstand hätte, einen maßgeblichen Vorteil, der durch die Ausschreibungsbestimmungen ausgeglichen werden sollte. Die Revisionswerberin moniere, dass für diese Bieter der Vorteil auch bei der gegenständlichen Ausschreibung weiterbestehe, da die für den Spendertausch anzusetzenden Kosten rein fiktiv wären und es nie zu einem tatsächlichen Anfall dieser Kosten kommen könne. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts würden jedoch durch die lange Vertragslaufzeit die einmaligen Kosten für Spender und Spendertausch im Verhältnis zum Gesamtauftragsvolumen sehr gering gehalten. Zum anderen müssten die Angebote der den Vorteil der vorhandenen Spender nützenden Bieter die fiktiven Tauschkosten ausweisen und dieser Preisbestandteil einer gegebenenfalls auch vertieften Angebotsprüfung der Auftraggeberin standhalten. Angebote, die für Spender und Spendertausch unplausibel niedrige oder gar Nullkosten anführen würden, wären zwingend auszuscheiden. Sohin sei nach Ansicht des BVwG die Ausschreibung diesbezüglich mit dem Vergaberecht vereinbar. Überdies habe auch die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung keinen Weg skizzieren können, der im Vergleich mehr Wettbewerb schaffen könne, ohne dass die Spender jedenfalls auszutauschen wären. Eine getrennte Ausschreibung, die zuerst die Beschaffung von (systemneutralen) Spendern und in einem zweiten Schritt eine Beschaffung von Füllmaterial zum Gegenstand hätte, sei rechtlich nicht gefordert und könne im Ergebnis sogar den Bieterkreis einschränken.

9        Hinsichtlich der von der Revisionswerberin kritisierten Anforderungen an den in den Ausschreibungsbestimmungen verlangten Referenzauftrag betreffend ein Spendersystem, das von 25 000 000 Personen genutzt werde und je 1500 montierte Seifenspender umfasse, sei festzuhalten, dass diese Kriterien laut Auftraggeberin auf das Passagieraufkommen von 2019 zurückgingen und um 25 % reduziert worden seien. Diese Vorgaben würden den potentiellen Bieterkreis zwar einschränken, allerdings sei hier den Ausführungen der Auftraggeberin zu folgen, die sicherstellen wolle, dass der obsiegende Bieter tatsächlich in der Lage sei, den Auftrag zu erfüllen. Da es sich um eine europaweite Ausschreibung handle und alleine im deutschsprachigen Raum mehrere Flughäfen bzw. Bahnhöfe bestünden und somit auch deren Hygieneartikellieferanten vorhanden seien, sei nicht von einer unzulässigen Einschränkung auszugehen. Der Kritik der Revisionswerberin, dass es gar keine Aufzeichnungen gebe, wie viele Personen ein Spendersystem benützen würden und dass daher das Kriterium der geforderten Personenanzahl unklar bleibe, sei entgegenzuhalten, dass auf Grund der Bedingungen auf einem Flughafen davon auszugehen sei, dass beinahe jeder Passagier einen Hygienevorgang vor dem Boarding vornehme und somit die in den Geschäftsberichten der Flughäfen publizierten Passagierzahlen dieses geforderte Kriterium als sehr klar nachvollziehbar erscheinen ließen. Auch wenn in Krankenhäusern bestimmte Spender öfter benützt werden würden, sei es dennoch nicht auszuschließen, dass bestimmte an Flughäfen montierte Spender auch häufiger benützt würden, da im Gegensatz zu einem gerade gelandeten Flugzeug, aus dem eine Vielzahl an Passagieren aussteigen und beinahe gleichzeitig einen Hygienevorgang anstreben würden, eine annähernd simultane Auslastung von Krankenhausspendern durch Patienten und Krankenhauspersonal eher auf einen Zufall zurückzuführen sein würden.

10       Mit dem hier ferner angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Anträge auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Revisionswerberin ab. Die Revision erklärte es auch hierfür nicht zulässig. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen auf die mit dem vorangeführten Erkenntnis erfolgte Abweisung des Nachprüfungsantrags.

11       3. Gegen beide vorangeführten Entscheidungen - das Erkenntnis und den Beschluss - richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

12       Diese bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es müsse einerseits die Rechtsfrage geklärt werden, ob der Auftraggeber seinem Gebot zur wettbewerbsneutralen Leistungsbeschreibung durch Forderung sogenannter „fiktiver Angebotskosten“, also der - rein rechnerischen - Berücksichtigung von Kosten in Angeboten von Gütern oder Dienstleistungen, die ein Bieter faktisch gar nicht liefern müsse, vergaberechtskonform erfüllen könne.

13       Andererseits widerspreche das angefochtene Erkenntnis der höchstgerichtlichen Rechtsprechung insofern, als die geforderten Eignungskriterien in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Art und Weise vom Bundesverwaltungsgericht als sachlich gerechtfertigt interpretiert würden. Das Bundesverwaltungsgericht sehe nämlich das Kriterium der Nutzung des Spendersystems durch 25 000 000 Personen als sachlich gerechtfertigt an, wobei jedoch überhaupt kein Bezug zum verfahrensgegenständlichen Auftrag bestehe.

14       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

15       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17       4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen auszulegen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen (vgl. VwGH 25.10.2016, Ra 2016/04/0109, mwN).

18       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kommt ferner einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen bzw. von Angebotsunterlagen bereits mehrfach festgehalten, dass eine diesbezügliche in vertretbarer Weise vorgenommene, einzelfallbezogene Auslegung nicht erfolgreich mit Revision angefochten werden kann (vgl. etwa VwGH 1.2.2017, Ro 2016/04/0054, mwN).

19       Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht - wie oben dargestellt - zur Auslegung der angefochtenen Ausschreibungsbestimmungen die Auffassung vertreten, dass die von der Revisionswerberin zu der Festlegung der Veranschlagung der Kosten für das Spendersystem unabhängig davon, ob der betreffende Bieter dieses austauschen müsse oder nicht, keine Vergaberechtswidrigkeit darstelle. Diese Auslegung und Beurteilung der Ausschreibungsbestimmungen ist vor dem Hintergrund des oben angeführten Prüfmaßstabes des Verwaltungsgerichtshofs nicht als unvertretbar anzusehen (vgl. unter anderem VwGH 26.2.2014, 2011/04/0168, wonach der öffentliche Auftraggeber selbst entscheiden könne, ob er ein Vergabevorhaben in einem oder getrennt vergeben wolle). Das Verwaltungsgericht legte die maßgeblichen Ausschreibungsbestimmungen fallbezogen dahingehend aus, dass die in der Ausschreibung enthaltene Vorgabe, für die betroffenen Produkte seien jedenfalls auch die passenden Spender anzubieten und auszupreisen, eine gleiche Ausgangsposition für die Kalkulation der Preise gewährleistet. Die Bewertung des Gesamtpreises gründe sich demnach - unabhängig von der den einzelnen Bieter betreffenden Rechtsposition hinsichtlich der vorhandenen Spender - nach einer für alle gleiche Ausgangsposition hinsichtlich der Lieferung der Spender und deren Montage. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2017, Ro 2016/04/0054, eine vergleichbare Vorgehensweise des dortigen Auftraggebers als vor dem Hintergrund der vergaberechtlichen Anforderungen an eine Gleichbehandlung der Bieter vertretbar angesehen hat.

20       Insoferne die Revision weiter vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung ab, weil das Bundesverwaltungsgericht einen Referenzauftrag mit der Vorgabe der Nutzung des Spendersystems durch 25 000 000 Personen als gerechtfertigt angesehen habe, ist dem ebenso entgegenzuhalten, dass es sich hier um eine einzelfallbezogene Beurteilung dahingehend handelt, ob der verfahrensgegenständliche Auftragsgegenstand den betreffenden Eignungsnachweis rechtfertige oder nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen detailliert und nachvollziehbar begründet, warum es die in den Ausschreibungsbestimmungen enthaltenen Vorgaben zum Referenzauftrag als bezogen auf den Auftragsgegenstand für gerechtfertigt erachtet. Die Revision bringt in den Zulässigkeitsgründen nichts vor, was darauf hindeuten ließe, dass diese Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstelle.

21       Die Revision ist somit mangels Vorbringens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021040229.L00

Im RIS seit

01.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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