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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des R B in W, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Hauptstrasse 22/D/B10A, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 27. Oktober 2021, Zl. VGW-102/067/9055/2021-17, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers betreffend Wegweisung und Erteilung eines Betretungsverbotes am 15. Juni 2021 durch Organe der Landespolizeidirektion Wien gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (1.), der Revisionswerber zu näher bezeichnetem Aufwandersatz verpflichtet (2.) und eine Revision für unzulässig erklärt (3.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach dem Kenntnisstand der einschreitenden Polizeibeamtin zum Zeitpunkt des Ausspruches des Betretungs- und Annäherungsverbotes (nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz [SPG] in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2019) habe der Revisionswerber Frau G in ihrer Wohnung aufgesucht, deren Wohnung betreten und sie geohrfeigt bzw. mit der Hand am Hals erfasst, wodurch Verletzungen am Körper der G entstanden seien. Auf Grund des „schwelenden Konfliktes“ und des Aufsuchens der Wohnung von G durch den Revisionswerber in Abwesenheit deren Ehemanns hätten die Brüder der G den Revisionswerber aufgesucht und ihm Verletzungen am Körper zugefügt. Für die einschreitende Polizeibeamtin sei auf Grund des sich bietenden Gesamteindrucks und des „schwelenden Konfliktes“ zu befürchten gewesen, dass der Revisionswerber bei Nichtausspruch eines Betretungsverbotes G auch für die ihm von ihren Brüdern zugefügten Körperverletzungen verantwortlich machen würde bzw. konfrontieren könnte, weshalb ein gefährlicher Angriff auf Leben und Gesundheit wahrscheinlich erschienen sei. Das Verwaltungsgericht könne nicht erkennen, dass diese Annahme zum Zeitpunkt des telefonischen Ausspruches des Betretungsverbotes gegenüber dem Revisionswerber nicht vertretbar gewesen sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210, mwN).
8 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0086, mwN).
9 Vorliegend wird in der Revision zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, der Entscheidung komme grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die gegenständliche Entscheidung habe „große Auswirkungen auf die Rechtsprechung, wenn ein unbescholtenes Opfer (keine Vorstrafen), das im Spital liegt, plötzlich als Gefährder angesehen wird, obwohl kein einziger Anhaltspunkt vorliegt, der einen gefährlichen Angriff auf Leben und/oder Gesundheit durch den Revisionswerber wahrscheinlich erscheinen lässt“. Mit dem angefochtenen Erkenntnis werde „aber eine vollkommen unplausible Begründung für das Betretungsverbot angenommen“. Auch gebe es keinen einzigen objektiven Anhaltspunkt dafür, dass der Revisionswerber Frau G geschlagen habe. Zudem widerspreche das Erkenntnis § 38a Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), wonach bei einem Eingriff in das Privatleben des Gefährders die Verhältnismäßigkeit zu wahren sei.
10 Das solcherart zur Zulässigkeit der Revision erstattete Vorbringen stellt der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dar und entspricht nach dem Obgesagten nicht dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG.
11 Soweit sich die Revision im Übrigen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts richtet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 21.7.2021, Ra 2021/01/0223-0224, mwN; vgl. zum Gegenstand der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht in Fällen des § 38a SPG auch VwGH 4.12.2020, Ra 2019/01/0163, mwN).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021010414.L00Im RIS seit
01.03.2022Zuletzt aktualisiert am
01.03.2022