Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Dr. Schober und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Dr. Jagetsberger in der Markenschutzsache der Antragstellerin O*****, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin T*****, vertreten durch Wiltschek Plasser Rechtsanwälte (GbR) in Wien, wegen Löschung der Marke MAX.MOBIL. (AT 167352) über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 17.2.2021, Nm 5/2019-5, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 3.102,42 (darin EUR 517,07 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
1. Die Antragsgegnerin ist seit 22.3.1996 (Anmeldedatum) Inhaberin der Wortmarke
MAX.MOBIL.
(registriert seit 5.12.1996 unter der Nr. 167352), eingetragen für die Klassen
9 Telekommunikationsgeräte, insbesondere Telefonapparate und deren Bestandteile, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Zubehör zu den vorgenannten Waren, nämlich Kabel, Stecker, Verteilerdosen, Pager, Ladegeräte, Akkus, Mikrophone, Freisprecheinrichtungen, Kombinationen aus Mikrophonen und Kopfhörer, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Telefonanrufbeantworter; Funksendegeräte, Funkempfanggeräte und Funksprechgeräte;
38 Telekommunikation.
2. Die Antragstellerin beantragte die Löschung nach § 33a MSchG mit dem Vorbringen, die Antragsgegnerin benutze die Marke zumindest seit April 2002 nicht mehr kennzeichenmäßig. Bei den Werbemitteln handle es sich augenscheinlich um solche, die bereits vor Jahren in Verkehr gebracht worden seien und seit langem nicht mehr zur Bewerbung oder Vermarktung irgendwelcher (Dienst-)Leistungen verwendet würden. Ein Rechtfertigungsgrund für den Nichtgebrauch liege nicht vor. Der Umstand, dass in Internetforen/Facebookgruppen Bilder von Werbematerialien präsentiert würden, sei kein kennzeichenmäßiger Gebrauch der Marke. Bereits die Bezeichnung „max.mobil.Veteranen“ oder „Mäxchen-Veteranen“ verdeutliche, dass die Marke nicht mehr aktiv in Gebrauch sei, sondern eher nostalgische Hintergründe eine Rolle spielen dürften.
3. Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, dass es sich bei MAX.MOBIL. um eine im Telekommunikationsbereich bekannte Marke handle, die auch unabhängig von ihrer Eintragung im Markenrecht lauterkeitsrechtlich geschützt sei. In der Vergangenheit seien zahlreiche Dauerwerbemittel für die unter dieser Marke angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen und -geräte in Verkehr gebracht worden. Es lasse sich zwar das genaue Datum der Verbreitung nicht mehr ermitteln, gesichert sei aber, dass sie nach wie vor verwendet würden. Dass diese Werbegegenstände weiterhin laufend aktiv benutzt und zum Teil auch noch aktiv an die Durchschnittsverbraucher verteilt werden, ergebe sich aus der Facebookgruppe „max.mobil.Veteranen“ oder „Mäxchen–Veteranen“, in denen sich umfassendes Bildmaterial zur fortlaufenden Benutzung der Marke für Telekommunikation und Telekommunikationsgeräte in den Jahren 2015 bis 2019 finde. Die in Verkehr gebrachten Dauerwerbemittel, die zum Teil noch immer im geschäftlichen Verkehr abgegeben würden (etwa in Trafiken), führe zu einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke.
4. Mit Beschluss vom 17.2.2021 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Löschung der Marke mit Wirksamkeit vom 18.2.2019 statt und löschte sie. Dazu stellte sie – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) und soweit für die vorliegende Entscheidung noch von Relevanz – folgenden Sachverhalt fest:
«Die Nennung, Erwähnung und Wiedergabe von Fotos der Markenwerbeartikel in der Facebookgruppe ist unabhängig von einem Waren- oder Dienstleistungsangebot bezüglich der Klassen 9 und 38 erfolgt.
Die Antragsgegnerin hat nicht einmal behauptet, selbst die Marke noch für die registrierten Waren und Dienstleistungen zu verwenden oder im Beobachtungszeitraum verwendet zu haben. Insofern konnte auch keine Markenbenutzung für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen festgestellt werden. Auch ist die Ausgabe von Briefmarken in Säckchen (als Werbeträger mit einer Marke) – allein – nicht darauf ausgerichtet, Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38 anzubieten, sondern diente das bedruckte Säckchen als Verpackung für Briefmarken.
Der Plakatständer (Beilage ./1) enthält zwar ein Plakat mit Terminankündigungen für das Jahr 2019 (konkret 1.7. – 23.8.2019) und enthält das Zeichen der Stadt Wien und den Hinweis „WienXtra“, woraus sich ein örtlicher Bezug ergibt, bezieht sich aber in seinen Ankündigungen auf eine Ferienspiel-Veranstaltung, wobei es sich offenbar um an Kinder gerichtete Sportveranstaltungen handelte (Badminton, Tischtennis und Floorball für Kinder von 6-13 Jahren sowie „Klettern“ für 6–10 Jährige und 10-13 Jährige) wiederum nicht auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38. Die anderen zum Nachweis der Markenbenutzung vorgelegten Unterlagen weisen weder einen zeitlichen noch einen örtlichen Bezug zum Beobachtungszeitraum auf.
Insgesamt konnte somit anhand der vorgelegten Unterlagen für den Zeitraum von 18.2.2014 bis 17.2.2019 keine relevanten Markenbenutzungshandlungen für die konkreten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38 durch die Antragsgegnerin oder mit ihrer Zustimmung durch Dritte festgestellt werden.
Soweit das Zeichen in den Beilagen leserlich ist, wird es – mit Ausnahme von 4 Abbildungen – bei welchen jedoch auch keine Zuordnung zum relevanten Zeitraum möglich ist, zudem nicht in seiner registrierten Form als MAX.MOBIL. verwendet: Das angefochtene Zeichen ist vielmehr in abgewandelten Form(en) enthalten, und zwar als „max“ und „max SONDERVERTRIEB“, „max0676“, „klax.max“ oder „max.business.class“ oder „max plus“.»
Rechtlich erwog die Nichtigkeitsabteilung, dass sich anhand der vorgelegten Unterlagen keine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens MAX.MOBIL. für die eingetragenen Waren und die Dienstleistung im relevanten Zeitraum in Österreich habe feststellen lassen. Die Unterlagen vermochten weder Ort, Zeit und Umfang noch die Art der Benutzung in geeigneter Weise zu belegen. Es gehe auch die Argumentation ins Leere, dass es sich um eine bekannte Marke handle, weil die Benutzungsobliegenheit auch für sogenannte Defensivmarken gelte.
5. Allein gegen die Löschung von MAX.MOBIL. für die Dienstleistung der Klasse 38 richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, den darauf gerichteten Löschungsantrag abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
6. Unrichtig sei die Rechtsansicht, dass der Einsatz der vor dem 18.2.2014 in Verkehr gebrachten, aber auch der nach diesem Datum bis zum 17.2.2019 und darüber hinaus vom allgemeinen Publikum noch verwendeten Dauerwerbemittel (wie Plakatständer, Notizblöcke, Karten, Regenschirme, Schlüsselanhänger, Mobiltelefone, Sektgläser, Landkarten, Golfbällen, Wasserbällen, Ausweiskarten, Weihnachtsmannmützen, Luftmatratzen, Tragetaschen, Post-its, Schwimmhilfen, Briefmarkensäckchen, Türmatten, Ringbuchordnern) bei der Beurteilung der Benutzung der Marke nicht zu berücksichtigen sei. Es folge aus der Natur dieser Dauerwerbemittel, dass sie jahrelang zum Einsatz kommen. Bei der Marke handle es sich um eine im Telekommunikationsbereich bekannte Marke. Noch immer würden weite Teile des inländischen Publikums allein bei der Konfrontation mit ihr erkennen, worauf sie sich beziehe, nämlich auf Telekommunikationsdienstleistungen. Es bestehe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die – insbesondere durch die eingesetzten Dauerwerbemittel erzielte – fortwirkende Unterscheidungskraft auch in Form eines Registerschutzrechts erhalten bleibe, zumal ohnehin jede Verwendung von MAX.MOBIL. oder ähnlicher Zeichen nach dem UWG verboten werden könnte.
In Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 38 sei „MAX“ der unterscheidungskräftige Bestandteil und aus den ./1 bis ./10 gehe daher eine geeignete markenmäßige Benutzung hervor.
7.1 Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts die Frage der „ernsthaften markenmäßigen Benutzung“ keine reine Rechtsfrage, sondern eine sogenannte questio mixta ist, sodass ein taugliches Tatsachensubstrat ermittelt werden muss, anhand dessen diese Frage rechtlich beurteilt werden kann (Terlitza in marken.schutz³ § 37 MSchG Rz 15; OLG Wien, 34 R 100/14x, ICEGRIP/ICE; 133 R 70/17t, LOOK; 133 R 112/18w, IST; RW0000888; der OGH sieht in der verwandten Frage der Verkehrsgeltung eine Tatfrage; RS0043668; für das Eintragungsverfahren vgl OBm 3/13 Steirerfleisch).
7.2 Eine Marke wird „ernsthaft benutzt”, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der (Waren oder) Dienstleistungen zu garantieren, für die sie eingetragen wurde – benutzt wird, um für diese (Waren und) Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (C-40/01, Ansul, Rn 43; C-416/04 P, Sunrider, Rn 70; C-259/02, La Mer Technology, Rn 27; Om 8/11, WEG; 17 Ob 11/08d, BUZZ!; 4 Ob 26/18d, Compriband; RS0123519; RW0000854; OLG Wien 133 R 70/17t, LOOK).
Nur eine kennzeichenmäßige Benutzung kann daher rechtserhaltend sein. Sie liegt vor, wenn im geschäftlichen Verkehr eine wörtliche oder bildliche Bezeichnung zur Kennzeichnung einer Dienstleistung oder in Bezug auf sie so gebraucht wird, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher der betreffenden Dienstleistungsart (zum Beurteilungsmaßstab C-342/97, Lloyd, Rn 25 und 26) annimmt oder annehmen kann, das Zeichen diene der Unterscheidung der Dienstleistung von einer Dienstleistung anderer Herkunft (4 Ob 391/84, Ford-Spezialwerkstätte; 4 Ob 79/06f, Smiley; 4 Ob 134/06v, BUZZ!; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel I; 4 Ob 26/18d, Compriband; RS0066671; Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 33a Rz 31 ff). Dieses Zeichen muss daher als Herkunftshinweis für das damit beworbene Produkt verstanden werden (BGH I ZR 293/02 = GRUR 2005, 1047, OTTO; I ZR 167/05 = GRUR 2009, 60, Rz 19, LOTTOCARD; Om 2/10, Flügerl; siehe auch RW0000854).
7.3 Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig ausreicht, um Marktanteile für die durch die Marke geschützte Dienstleistung zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt von mehreren Faktoren und von einer Einzelfallbeurteilung ab (RW0000806). Dabei sind die Merkmale der Dienstleistung, die Häufigkeit und die Regelmäßigkeit der Benutzung der Marke oder auch die Beweise über die Benutzung der Marke, die der Inhaber vorlegen kann, zu berücksichtigen. Es gibt kein Mindestmaß einer Benutzung; selbst eine geringfügige, aber wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigte Benutzung kann ausreichen, um die Ernsthaftigkeit zu belegen (C-416/04 P, Vitafruit; Om 14/06, Dreher; Om 4/09, Sallaki; Om 10/10, Nuke mwN).
So könnte auch eine mengenmäßig geringfügige Benutzung ernsthaft sein, wenn sie im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile zu behalten oder zu gewinnen (C-259/02, La Mer Technology; C-416/04 P, Sunrider, Rn 72). Die Größe des Vertriebsgebietes ist dabei nur einer der zu berücksichtigenden Faktoren (C-416/04 P, Sunrider, Rn 76). Auch die Eigenschaften des Markts, die einen unmittelbaren Einfluss auf die kaufmännische Strategie des Markeninhabers haben können, können dabei herangezogen werden (C-259/02, La Mer Technology, Rn 3; Om 10/10, Nuke; Om 11/09, BT). Letztlich ist auch zu unterscheiden, ob die Marke zur Kennzeichnung von Massenartikeln oder von Nischenprodukten verwendet wird (Om 11/09, BT).
Im Zweifel sind aber keine hohen Anforderungen an den Gebrauch der Marke zu stellen, (Om 3/11, Jones; Om 5/10, Coolwater; RS0066797 [das Löschungsverfahren betreffend]).
7.4 Dass der Vertrieb möglicherweise nicht nur unter der registrierten Marke, sondern unter abgewandelten Zeichen (§ 33a Abs 4 MSchG) erfolgt, schadet der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nicht von vornherein: Die Marke muss jedoch auch in der tatsächlich benutzten (erweiterten) Form eindeutig das die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen kennzeichnende Element bilden (4 Ob 119/06p = RS0121289, SIERRA Tequila; Om 1/91, ALPO/ALPOFLEX; Om 10/07, Rothmans; Om 13/10, Goudina [Gestaltungsspielraum]).
7.5 Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für die Benutzung trifft die Antragsgegnerin (Inhaberin der Löschungsmarke); daher sind allfällige Zweifel zu ihren Lasten zu werten (eindeutig § 33a Abs 5 MSchG; s dazu Om 3/11, Jones; Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 33a Rz 150; allgemein zB RS0039939).
7.6 Unzweifelhaft ist, dass die markenmäßige Benutzung von MAX.MOBIL. ausschließlich anhand der von der Antragsgegnerin vorgelegten Beilagen ./1 bis ./10 beurteilt wurde und es sich hier zum überwiegenden Teil um (Dauer-)Werbemittel (Plakatständer, Notizblöcke, Kappe, Regenschirm, Schlüsselanhänger etc) handelt. Nur die ./6 zeigt ein Handy noch erkennbar mit der Aufschrift „max.0676“. Gemeinsam ist den vorgelegten Nachweisen jedoch – und dies übersieht die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang –, dass die Nichtigkeitsabteilung vor allem keine zeitliche Zuordnung einer kennzeichenmäßigen Verwendung für den relevanten Beobachtungszeitraum (18.2.2014 bis 17.2.2019) treffen konnte. Daher geht das Fehlen eines Nachweises für die noch in Rede stehende Dienstleistung zu ihren Lasten.
Für die ernsthafte Benutzung genügen nur Handlungen, die sich für den angesprochenen Durchschnittsverbraucher als Hinweise auf die betriebliche Herkunft der gekennzeichneten Dienstleistung darstellen und geeignet sind, Verwechslungen hinsichtlich dieser betrieblichen Herkunft zu verhindern. Das setzt voraus, dass die Marke im Wettbewerb tatsächlich zur Kennzeichnung der bezeichneten Dienstleistung und zur Unterscheidung von Dienstleistungen anderer verwendet wird. So muss nach der Rechtsprechung des EuGH die Markenverwendung dazu dienen, für die gekennzeichnete Dienstleistung einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (vgl Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG13 § 26 Rz 13).
Dass Werbemittel und Werbegeschenke, die vor dem zu beurteilenden Zeitraum zur Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes in den Verkehr gebracht wurden und schlicht weiterexistieren, ist nicht als Benutzung der Marke zu sehen; diese Gegenstände können auch nach Ansicht des Berufungsgerichts eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung der Marke nicht beweisen, wenn nicht bewiesen ist, dass die Markeninhaberin sie weiterhin für die Bewerbung ihrer Dienstleistung verbreitet hat.
Grundsätzlich kann die Verteilung derartiger Werbeprodukte für den Willen des Markeninhabers zur Erschließung eines entsprechenden Absatzmarktes sprechen, doch nur solange, als unter dieser Marke die Dienstleistung auch angeboten wird. Die Weiterexistenz der einmal verteilten Werbeprodukte perpetuiert die Markenbenutzung jedoch auch dann nicht, wenn die Verkehrskreise durch diese Gegenstände an eine frühere markenmäßige Benutzung erinnert werden oder wenn es Konsumenten gibt, die sich mit der körperlichen (oder digitalen, zB via Facebook) Aufbewahrung der Gegenstände bewusst an die Marke erinnern.
Allein die bloße, heute noch bestehende Existenz der Werbeprodukte und/oder der Umstand, dass sie einen Sammlermarkt haben und/oder von Facebook-Gemeinschaften thematisiert werden, reicht nicht aus, um das Kriterium der tatsächlichen ernsthaften Benutzung durch die Markeninhaberin auf dem Markt zu erfüllen. Die Kriterien des mengenmäßigen Umfangs, der Dauer der Benutzung und der räumliche Umfang der Benutzung (vgl Beetz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 33a Rz 38 ff) müssen kumulativ vorliegen und auch nachgewiesen werden.
7.7 Der Umstand der Bekanntheit der Marke spielt dafür keine Rolle. Auch eine bekannte Marke muss entsprechend ernsthaft (tatsächlich) benutzt werden. Dass eine bekannte Marke allenfalls erst nach längerer Zeit vergessen wird als eine weniger bekannte Marke, ändert nichts daran, dass ihre Nichtbenutzung nach fünf Jahren zum Löschungsantrag berechtigt. Dieser Benutzungsnachweis ist der Antragsgegnerin nicht gelungen.
Ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Markenschutzes nur wegen der Bekanntheit des Zeichens trotz Nichtbenutzung ergibt sich aus dem Gesetz nicht, und es wurde – soweit überblickbar – bisher von der Judikatur auch nicht angenommen.
8.1 Für den Fall, dass die Bekanntheit der Marke nicht als unstrittig, gerichtsnotorisch oder sonst der Entscheidung zugrunde liegend erachtet werde, beantragt die Antragsgegnerin die ergänzende Feststellung: „Die Marke 167352 MAX.MOBIL. war in Österreich für aus dem Unternehmen der Antragsgegnerin stammende Telekommunikationsdienstleistungen zwischen dem 18.2.2014 bis 17.2.2019 bekannt und ist dies auch noch immer.“
Relevant sei diese Feststellung, weil die Bezeichnung MAX.MOBIL. auf Grund ihrer weiter bestehenden Bekanntheit vom Publikum noch immer automatisch den Telekommunikationsdienstleistungen aus ihrem Haus zugeordnet werde.
8.2 Das Berufungsgericht kann diese Argumentation insoweit nicht teilen, als die Bekanntheit der Bezeichnung MAX.MOBIL. keine Aussage darüber trifft, dass die Antragsgegnerin das Zeichen im relevanten Zeitraum auch kennzeichenmäßig benutzt hätte. Die begehrte Feststellung ist mangels Bedeutung der Bekanntheit für den Benutzungsnachweis für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht relevant.
8.3 Für den Fall, dass die Feststellung „Die anderen zum Nachweis der Markennutzung vorgelegten Unterlagen [gemeint ./2 bis ./10] weisen weder einen zeitlichen, noch einen örtlichen Bezug zum Beobachtungszeitraum auf“, so verstanden werden soll, dass durch die ./2 bis ./10 auch keine Nutzung der Dauerwerbemittel durch Dritte im Beobachtungszeitraum in Österreich nachgewiesen sei, werde diese Feststellung vorsichtshalber angefochten. Aus der
./10 ergäbe sich eindeutig, dass die Dauerwerbemittel ./2 bis ./10 von privaten Personen im Beobachtungszeitraum in Österreich verwendet worden seien.
Begehrt werde die Ersatzfeststellung: „Es steht fest, dass von der Antragsgegnerin unabhängige Personen die in den ./2 bis ./10 gezeigten Dauerwerbemittel während des 18.2.2014 bis 17.2.2019 in Österreich verwendet haben.“
Relevant sei diese Ersatzfeststellung, weil auch die andauernde Benutzung von Dauerwerbemitteln durch Dritte während des maßgeblichen Beobachtungszeitraums ein rechtserhaltender Gebrauch der angegriffenen Marke sein könne.
8.4 Aus Sicht des Berufungsgerichts ist die Ersatzfeststellung rechtlich nicht relevant. Die Marke wäre dann ernsthaft benutzt worden, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion benutzt worden wäre, um für die Dienstleistung der Klasse 38 einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, und zwar unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen würden (Beetz in marken.schutz³ § 33a MSchG Rz 30).
(Dauer-)Werbemittel, die entweder vor dem 18.2.2014 in Verkehr gebracht wurden oder bei denen der Nachweis nicht erbracht wurde, dass sie im relevanten Zeitraum in Verkehr gebracht oder von der Antragsgegnerin tatsächlich benutzt wurden, hätten – wie das Patentamt richtig beurteilt hat – nur einen (nostalgischen) Sammlerwert. Der Austausch von oder der Handel mit derartigen (Dauer-)Werbemitteln über Facebook etc durch Dritte ist keine kennzeichenmäßige Benutzung im Sinne der oben aufgezeigten Judikatur.
9. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41 und 50 ZPO.
10. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.
Der Entscheidungsgegenstand ist vermögensrechtlicher Natur, besteht aber nicht in einem Geldbetrag. Wegen der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben übersteigt er EUR 30.000 (vgl 4 Ob 66/18m ua).
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung eine erhebliche Bedeutung zukommt:
Die Beurteilung, ob ein angemessener Gebrauch im Sinne des § 33a MSchG vorliegt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalles ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0123519; RS0066797). Dass die bloße Weiterexistenz von Werbemitteln, die das Kennzeichen (in originaler oder abgewandelter Form) tragen, nicht als markenmäßige Benutzung des Zeichens zu werten ist, ergibt sich – mangels gegenteiliger Anordnungen – unmittelbar aus dem Gesetz; eine relevante Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich nicht. Dasselbe gilt für die Überlegung, dass eine (allfällige) Bekanntheit der Marke den Inhaber nicht von der Benutzungsobliegenheit entbindet.
Schlagworte
Gewerblicher Rechtsschutz, Merkenrecht, Kennzeichenmäßige Benutzung, MAX.MOBIL.Textnummer
EW1134European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2021:03300R00079.21M.1201.000Im RIS seit
01.03.2022Zuletzt aktualisiert am
01.03.2022