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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 1995, Zl. 300.435/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 13. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung (nach der Aktenlage: auf Verlängerung) einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG abgewiesen.
Die Erstbehörde habe den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Sichtvermerk am 10. Juni 1993 abgelaufen wäre und der Antrag daher gemäß § 6 Abs. 2 AufG vom Ausland aus hätte gestellt werden müssen. Dagegen habe der Beschwerdeführer eingewendet, daß er einen bis 20. April 1994 gültigen Sichtvermerk hätte und der Antrag daher zu Recht vom Inland aus gestellt worden wäre.
Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 1993 wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, 15 und 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten verurteilt worden. Die Delikte, die zu dieser Verurteilung geführt hätten, seien keinesfalls als geringfügig anzusehen, weshalb der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Der Beschwerdeführer habe überdies den Nachweis einer Beschäftigung nicht erbracht und sei weder selbst krankenversichert, noch bei seiner Ehefrau mitversichert. Dadurch sei auch der "Lebensunterhalt gemäß § 5 Abs. 1 AufG" nicht gesichert.
Eine Berücksichtigung der privaten Verhältnisse ergebe, daß der Beschwerdeführer zwar starke familiäre Bindungen anführe, diese Angaben aber "gerade durch Ihre Verurteilung nicht glaubwürdig" seien. Bei der Abwägung der privaten Interessen mit den öffentlichen werde festgestellt, daß die öffentlichen Interessen überwögen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten mit dem Antrag vor, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
1.2. Aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden Ausfertigung des Strafurteiles vom 7. Oktober 1993 ergibt sich, daß der Verurteilung des Beschwerdeführers folgende Straftaten zugrunde liegen:
Der Beschwerdeführer, der bereits am 16. Jänner 1992 wegen des Vergehens der Körperverletzung, begangen an seiner Ehefrau, zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, versetzte seiner Gattin am 24. August 1993 im Zuge eines Streites mehrere heftige Faustschläge in das Gesicht, wobei diese einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke und einen Bruch der rechten Augenhöhle erlitt. An den beiden darauffolgenden Tagen erschien der Beschwerdeführer jeweils in der Früh bei seiner Gattin (in der Ehewohnung) und forderte unter der Drohung, er werde sie wieder mit der Faust schlagen bzw. er werde sie umbringen, die Herausgabe eines Geldbetrages von S 20.000,--.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist der Gerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, daß der Beschwerdeführer durch diese Straftaten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht hat, lassen doch die Angriffe auf die körperliche Integrität einer anderen Person eine deutliche Neigung zur Mißachtung von dem Schutz vor strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben dienenden Rechtsnormen erkennen und damit den Schluß zu, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Da der Beschwerdeführer, der sich bezüglich der Sicherung seines Lebensunterhaltes im Antrag auf das Einkommen seiner Gattin berufen hat, - trotz entsprechender Aufforderung durch die Erstbehörde - im Verwaltungsverfahren keinen Nachweis für ein ausreichendes Einkommen seiner Gattin erbrachte, ist auch der von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Ansicht, daß der Versagungstatbestand des nicht gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG gegeben sei, zuzustimmen.
2.1. Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß die belangte Behörde einen anderen Abweisungsgrund als die Erstbehörde herangezogen hat, ist ihm zu entgegnen, daß "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG die vor der Erstbehörde in Verhandlung gestandene, den Inhalt des Spruches ihres Bescheides bildende Angelegenheit "Versagung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" war. Im Rahmen dieser Sache war die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt, den erstinstanzlichen Bescheid "nach jeder Richtung", also auch - wie geschehen - unter Heranziehung des von der Unterbehörde nicht angewendenten Versagungstatbestandes des § 5 Abs. 1 AufG (iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG), abzuändern. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung der Einräumung von Parteiengehör im nach den Erfordernissen des konkreten Falles gebotenen Umfang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137, mwN).
Insofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Parteiengehörs rügt, tut er allerdings die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht dar, weil er nicht darlegt, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre.
2.2. Soweit der Beschwerdeführer meint, die Aufenthaltsbewilligung hätte deshalb nicht versagt werden dürfen, weil die Fremdenbehörde seine Verurteilung nicht zum Anlaß für "fremdenrechtliche Maßnahmen" genommen habe, ist ihm zu entgegnen, daß es für die Frage, ob der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben sei, nur darauf ankommt, ob aufgrund des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers dessen Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, und nicht darauf, ob dieses Verhalten auch in anderen Bereichen zu rechtlichen Konsequenzen geführt hat.
3.1. Die Beschwerde rügt, es sei "klärungsbedürftig", wie die belangte Behörde zu der Annahme gelangt sei, daß keine familiäre Bindung bestehe. Der Beschwerdeführer habe sich mit seiner Frau ausgesöhnt, was auch durch die Geburt des zweiten Kindes dokumentiert werde. Die Familie sei vollkommen intakt. Es lägen daher wesentliche Bindungen zu Österreich vor. Dies hätte eine entsprechende Interessenabwägung der belangten Behörde erfordert.
3.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde sowohl bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 95/18/1120) als auch bei Anwendung des im § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestandes des für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten Lebensunterhaltes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0331) in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, eine Abwägung der für die Abweisung des Antrages sprechenden öffentlichen Interessen mit den privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers durchzuführen.
Zu dieser Interessenabwägung enthält der angefochtene Bescheid lediglich folgende Ausführungen:
"Eine Berücksichtigung Ihrer privaten Verhältnisse ergibt, daß Sie zwar Ihre starke familiäre Bindung anführen, diese Angaben aber gerade durch Ihre Verurteilung nicht glaubwürdig sind.
...
Bei der Abwägung Ihrer privaten Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 EMRK wird festgestellt, daß die öffentlichen Interessen überwiegen."
Aus diesen Ausführungen ist nicht ersichtlich, welche privaten Interessen des Beschwerdeführers die belangte Behörde den - durch die Straftaten und die mangelnde Sicherung des Unterhaltes des Beschwerdeführers gegebenen - öffentlichen Interessen an der Versagung der Bewilligung gegenübergestellt hat. Es kann daraus auch nicht ersehen werden, ob die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren, insbesondere in der Berufung, behaupteten familiären Interessen (Zusammenleben mit Gattin und Kind) gar nicht oder allenfalls nur mit einem geringeren Gewicht ("nicht glaubwürdig") berücksichtigt hat.
Da dieser Begründungsmangel die Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit (bezüglich der Interessenabwägung) hindert, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß der Beschwerdeführer eine Vollmacht nicht vorgelegt hat.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995180870.X00Im RIS seit
02.05.2001