TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/5 95/18/0976

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Veröffentlicht am 05.09.1996
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Index

25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
TilgG 1972 §6 Abs1;
TilgG 1972 §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. März 1995, Zl. SD 60/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.

Ein Aufenthaltsverbot sei unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 FrG zu erlassen, wenn der Aufenthalt eines Fremden aufgrund des Vorliegens schwerwiegender Verwaltungsübertretungen die öffentliche Ordnung und Sicherheit, insbesondere auch auf dem Gebiet des Straßenverkehrs, gefährde.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Februar 1991 wegen Übertretung des § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) angezeigt und am 21. Juni 1991 bestraft worden. Der Führerschein sei ihm für vier Wochen entzogen worden.

Zwei Monate nach Wiedererteilung der Lenkerberechtigung, und zwar am 27. Mai 1991, sei er neuerlich nach Überfahren einer Kreuzung bei Rotlicht wegen Übertretung des § 5 StVO angezeigt und am 8.Juli 1991 bestraft worden. Der Führerschein sei ihm für ein Jahr entzogen worden.

Am 14. Oktober 1991 sei er wiederum wegen Übertretung gemäß § 5 StVO und nun auch wegen § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung) angezeigt und am 26. November 1991 bestraft worden. Damals habe der Beschwerdeführer gegenüber dem Wachebeamten geäußert, der Beamte würde dies bereuen und das würde für diesen nicht billig sein. Der Führerschein sei ihm nun für ein weiteres Jahr entzogen und in weiterer Folge dann auch nicht wieder erteilt worden.

Am 6. Juli 1992 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden.

Schon zwei Wochen später, am 22. Juli 1992, sei er neuerlich wegen Übertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG angezeigt und bestraft worden.

Am 9. November 1992 sei er neuerlich wegen Übertretung gemäß § 5 StVO sowie gemäß § 64 Abs. 1 KFG angezeigt und bestraft worden.

Am 13. Juni 1993 habe der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und anschließend eine Diebstahlsanzeige erstattet. Er sei wegen Übertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO (Fahrerflucht) und gemäß § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden. Außerdem sei er wegen Vortäuschung einer strafbaren Handlung gemäß § 298 StGB verurteilt worden.

Am 18. Juli 1994 sei der Beschwerdeführer neuerlich wegen Übertretung gemäß § 5 StVO, § 64 Abs. 1 KFG sowie wegen Schnellfahrens im Ortsgebiet (105 km/h) angezeigt und mit insgesamt S 29.000,-- bestraft worden. Zwei Bestrafungen wegen Nichtbekanntgabe des Fahrzeuglenkers als Zulassungsbesitzer sowie eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung rundeten das Bild ab.

Bei diesen schwerwiegenden Straftaten könne nicht der geringste Zweifel bestehen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund der im § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG genannten bestimmten Tatsachen die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG eminent gefährde und daß auch der zweifellos gegebene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG dringend geboten sei. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes seien so schwerwiegend, daß demgegenüber die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der seit dem Jahr 1986 im Bundesgebiet lebe, und seiner Familie deutlich geringer wögen und daher zurückzutreten hätten.

Die belangte Behörde glaube auch angesichts der offenkundigen Unverbesserlichkeit des Beschwerdeführers, daß ein Aufenthaltsverbot in dem von der Erstbehörde gewählten Ausmaß den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen entspreche.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die ihm vorgehaltenen Verkehrsstrafen zu Recht bestünden, er aber die jeweiligen Geldstrafen bezahlt hätte und somit seine Schuld getilgt und sohin verbüßt wäre.

Dem ist entgegenzuhalten, daß eine etwaige Tilgung einer Bestrafung zwar zur Folge hat, daß diese Bestrafung nicht mehr für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG herangezogen werden kann, dies aber nicht daran hindert, daß die der getilgten Bestrafung zugrundeliegende Straftat - im Rahmen des Gesamt(Fehl)verhaltens des Beschwerdeführers - zu berücksichtigen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1992, Zl. 92/18/0367, und vom 16. Dezember 1991, Zl. 90/19/0598).

1.2. In der Beschwerde bleiben sämtliche von der belangten Behörde festgestellten Bestrafungen (vgl. Punkt I.1.) sowie deren Rechtskraft unbestritten; ferner wird vom Beschwerdeführer - sieht man von dem unter Punkt II.1.1. gezeigten fehlgehenden Beschwerdevorbringen ab - die aufgrund dieses Sachverhaltes vorgenommene Beurteilung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt seien, nicht bekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung - auf dem Boden seiner Rechtsprechung - keine Bedenken, handelt es sich doch bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verstößen gegen § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand), gegen § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung) sowie gegen § 4 Abs. 5 StVO (Fahrerflucht) um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, die zu den gröbsten Verstößen gegen die StVO bzw. das KFG zählen und damit eine Gefährdung öffentlicher Interessen von großem Gewicht darstellen, die die in § 18 Abs. 1 FrG genannte Annahme rechtfertigen (betreffend die Übertretung des § 5 StVO vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, Zl. 94/18/1117; betreffend die Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1173; betreffend die Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0456).

2.1. In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, daß es sich bei dem von der belangten Behörde verhängten Aufenthaltsverbot um einen "schwerwiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers", dessen Frau und dessen Kinder mit ihm in Österreich lebten und von ihm erhalten würden, handle. Der belangten Behörde seien "bei Abwägung der maßgeblichen Interessen des Beschwerdeführers entscheidende Ermessensfehler unterlaufen, weil die Intention des Art. 8 MRK der Schutz der demokratischen Gesellschaft und nicht die Beeinträchtigung durch konkrete Verkehrsdelikte ist".

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Daß mit dem Aufenthaltsverbot ein im Sinn des § 19 FrG relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, hat die belangte Behörde unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer genannten Umstände seines Privat- und Familienlebens - auch durch Einbeziehung der einschlägigen Begründungsausführungen des erstinstanzlichen Bescheides in die Begründung des angefochtenen Bescheides - bejaht.

Schließlich ist die - erkennbar die Beurteilung der belangten Behörde nach § 19 FrG ansprechende - Auffassung des Beschwerdeführers unzutreffend, daß die rechtskräftige Bestrafung wegen konkreter Verkehrsdelikte in diese Beurteilung nicht einbezogen werden dürfe. § 19 FrG erfaßt ausdrücklich die "im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele" und damit die hier einschlägigen Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen. Weiters kam die Behörde im Grund des § 19 FrG zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer zulässig sei, stößt es doch auf keine Bedenken, die Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet angesichts der sich in der Vielzahl der von ihm begangenen - wie dargetan - schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen manifestierenden Neigung, die österreichische Rechtsordnung zu mißachten, als zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten zu erachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0251).

Bei der Interessenabwägung nach § 20 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1986 in Österreich aufhält und hier mit seiner Ehegattin und seinen Kindern lebt. Damit hat sie auch die vom Beschwerdeführer relevierten "psychischen Bindungen" zu seinen Kindern berücksichtigt. Die Ansicht des Beschwerdeführers, seine familiären und privaten Verhältnisse seien nicht ordnungsgemäß und nicht hinreichend vollständig ermittelt worden, ist somit nicht richtig. Welche weiteren Umstände die belangte Behörde zu erheben und festzustellen gehabt hätte, tut die Beschwerde nicht dar. Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie in Anbetracht der Vielzahl der und zudem innerhalb eines längeren Zeitraumes gesetzten strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes höher einschätzte als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/1020).

2.3. Die Beschwerdeausführung, daß "die politischen Verhältnisse im Herkunftsland des Beschwerdeführers in der zu treffenden Interessenabwägung einfach negiert werden", sind im Hinblick darauf ohne Relevanz, daß mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausschließlich die Verpflichtung des betreffenden Fremden verbunden ist, auszureisen (s. § 22 Abs. 1 FrG), also Österreich zu verlassen; hingegen ist mit diesem Ausspruch keine Aussage darüber verbunden, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 96/18/0104).

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180976.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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