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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art8 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch eine Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen des Iraks; unzureichende Interessenabwägung zur Auswirkung der Aufenthaltsbeendigung auf das Kindeswohl seiner Tochter, insbesondere mangelnde Auseinandersetzung mit den Konsequenzen einer Trennung von Frau und Kind (über deren Asylverfahren noch nicht rechtskräftig entschieden ist)Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Feststellung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und stellte nach seiner Einreise ins Bundesgebiet am 3. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Auf das Wesentliche zusammengefasst gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder und er im Juli 2015 vom IS bedroht worden wären, weshalb er zu seinem zweiten Bruder in ein anderes Stadtviertel seiner Heimatstadt Bagdad gezogen sei. Im Oktober 2015 habe der Vater eines Studenten ihn in seinem Büro bedroht, geschlagen und habe ihn töten wollen. Der Mann seiner Cousine habe ihm danach mitgeteilt, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorläge, welcher damit begründet gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer mit dem IS zusammenarbeitete. Daher habe er den Irak verlassen.
Der Beschwerdeführer ist seit Juni 2016 nach islamischem Recht mit einer irakischen Staatsangehörigen verheiratet und hat gemeinsam mit ihr eine am 26. März 2021 geborene Tochter. Er lebt mit beiden im gemeinsamen Haushalt. Der Asylantrag der Frau des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11. Juli 2018 negativ entschieden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes war ein Beschwerdeverfahren noch anhängig; im Verfahren der Tochter, deren Asylantrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ebenfalls negativ entschieden worden war, war die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. Juli 2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 4. Juni 2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16. April 2021 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt III. zu lauten habe: "Eine 'Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß §57 AsylG wird *************** nicht erteilt."
Das Bundesverwaltungsgericht schließt zunächst eine asylrelevante Verfolgung mangels glaubhaften Fluchtvorbringens aus. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erachtet es für nicht gegeben. Den Länderfeststellungen zufolge habe sich die Situation in der Heimatstadt Bagdad, in der der Beschwerdeführer hauptsozialisiert worden sei, weitestgehend stabilisiert, die Grundversorgung sei gewährleistet. Der Beschwerdeführer sei jung, grundsätzlich arbeitsfähig, habe einen Universitätsabschluss und verfüge über Berufserfahrung sowie über Angehörige in Bagdad, mit welchen er in Kontakt stehe. Laut Sachverständigengutachten liege am ehesten eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp vor, allenfalls leicht bis mittelmäßig ausgeprägt. Im Irak, insbesondere in Bagdad, sei die medizinische Versorgung gewährleistet. Ein "real risk" einer Verletzung des Art3 EMRK sei nicht zu erkennen.
In Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die damit zusammenhängenden Aussprüche führt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer seit November 2015 im Bundesgebiet aufhalte, sein Deutschniveau sehr niedrig sei und er Leistungen aus der Grundversorgung beziehe. Er sei seit Juni 2016 nach islamischem Recht mit einer irakischen Staatsangehörigen verheiratet und lebe mit dieser sowie mit der am 26. März 2021 geborenen, gemeinsamen Tochter im gemeinsamen Haushalt. Das Asylverfahren seiner Frau sei 2018 negativ entschieden worden, das Beschwerdeverfahren sei noch anhängig. Auch das Asylverfahren der Tochter sei negativ entschieden worden, die Rechtsmittelfrist laufe noch. Der Beschwerdeführer und seine Frau hätten trotz der jeweils negativen Entscheidungen 2018 ihr Familienleben intensiviert; die Tochter sei zu einem Zeitpunkt geboren worden, zu dem sie nicht mehr hätten darauf vertrauen dürfen, in Österreich zu bleiben. Sie hätten in Kauf genommen, dass das Kind zumindest fallweise ohne den Beschwerdeführer aufwachse.
Zum Kindeswohl führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass auch das 'Kindeswohl' bei der Interessenabwägung nach §9 BFA-VG zu berücksichtigen ist […]. Fallgegenständlich ist die Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat Irak jedoch jedenfalls möglich, zudem auch zumutbar. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass es sich sowohl beim Beschwerdeführer als auch bei [seiner Frau] um irakische Staatsangehörige handelt und dementsprechend auch die gemeinsame Tochter über eine irakische Staatsangehörigkeit verfügt. [Seine Ehefrau] führte zudem vor dem erkennenden Richter auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, in den Irak zurückzukehren und dort ein Familienleben fortzuführen[,] aus, sie würde mit ihrem Mann und dem Kind überall leben, wenngleich es ihr schwerfallen würde, ihre Eltern zu verlassen und sie nicht in den Irak möchte. Dieser Wunsch ihrerseits mag zwar durchaus nachvollziehbar sein, ist jedoch in Hinblick darauf, dass ihr eine Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat Irak nicht möglich wäre, nicht von Relevanz. Daneben leben auch die Geschwister des Beschwerdeführers sowie Tanten und Onkel mütterlicher- und väterlicherseits [seiner Frau] im Irak, zu welchen der Beschwerdeführer und [seine Frau] jeweils den Kontakt pflegen, auf welche beide im Falle ihrer Rückkehr zurückgreifen können. In Anbetracht des Alters der Tochter und des damit einhergehenden Umstandes, dass die Sozialisierung noch nicht begonnen hat (vgl VwGH 24.09.2019, Ra 2019/20/0274), lassen sich keine maßgeblichen Schwierigkeiten erkennen, denen das gesunde Kind bei einer Rückkehr in den Irak begegnen würde. Damit ist gegenständlich ob des Umstandes der Möglichkeit und Zumutbarkeit, das Familienleben im Irak fortzusetzen, keine Beeinträchtigung des Kindeswohls erkennbar. […]"
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973), auf Leben (Art2 EMRK) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) sowie im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung (Folter) unterworfen zu werden (Art3 EMRK), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das Bundesverwaltungsgericht habe entscheidungsrelevante Ermittlungen unterlassen. So liege auf Grund eines gegen den Beschwerdeführer erlassenen Haftbefehls eine asylrelevante Verfolgung vor. Zudem komme im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Rückkehr nach Bagdad ohne externe Unterstützung nur für arabische, sunnitische oder schiitische, alleinstehende, gesunde Männer oder ebensolche kinderlose Paare im erwerbsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten in Betracht. Der Beschwerdeführer falle weder alleine noch mit seiner Frau und Tochter in diese Kategorien. Er sei auf Grund seiner psychischen Erkrankung nur eingeschränkt erwerbsfähig; die dadurch begründete Vulnerabilität schließe die Zulässigkeit einer Rückkehr nach Bagdad aus. Das Bundesverwaltungsgericht habe keine Ermittlungen vorgenommen, ob die Geschwister des Beschwerdeführers im Irak willens und in der Lage sind, ihn und gegebenenfalls auch seine Ehefrau und Tochter tatsächlich zu unterstützen. Auch gehe das Bundesverwaltungsgericht fälschlicherweise davon aus, dass eine gemeinsame Ausreise mit Frau und Tochter möglich sei. Hiebei verkenne es jedoch, dass die Verfahren betreffend Ehefrau und Tochter noch nicht rechtskräftig beendet seien. Die Interessenabwägung nach Art8 Abs2 EMRK sei unzureichend und es fehlten Ermittlungen zur Intensität des Familienlebens und zu den Auswirkungen einer Abschiebung des Beschwerdeführers auf das Kindeswohl der Tochter.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Soweit sich die Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Feststellung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, ist sie begründet.
3. Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.567/2002).
4. Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der gemäß Art8 Abs2 EMRK gebotenen Abwägung ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen:
4.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt im Rahmen seiner Interessenabwägung aus, dass eine Fortsetzung des Familienlebens im Irak möglich und zumutbar sei, da es sich beim Beschwerdeführer und seiner Familie um irakische Staatsangehörige handle, die Frau angegeben habe, sie würde mit Mann und Kind überall leben, wenn auch ungern im Irak, und da zahlreiche Verwandte des Beschwerdeführers und seiner Frau im Irak lebten, zu welchen Kontakt bestehe. Eine Sozialisierung der Tochter habe in Anbetracht ihres Alters noch nicht begonnen und seien keine maßgeblichen Schwierigkeiten zu erkennen, denen das gesunde Kind bei einer Rückkehr begegne. Da das Familienleben im Irak fortgesetzt werden könne, sei keine Beeinträchtigung des Kindeswohles erkennbar.
4.2. Die vom Beschwerdeführer gerügte unzutreffende Berücksichtigung seiner privaten Interessen im Rahmen der Interessenabwägung – insbesondere die mangelnde Berücksichtigung des Kindeswohles seiner Tochter – ist aus nachfolgenden Überlegungen zumindest teilweise zutreffend:
4.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die konkreten Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung eines Elternteils auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu ermitteln und zu berücksichtigen (vgl hiezu zB VfSlg 19.362/2011; VfGH 12.10.2016, E1349/2016; 26.2.2019, E3079/2018; 28.11.2019, E707/2019; 24.11.2020, E3806/2019; 8.6.2021, E575/2021, jeweils mwN). Eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles kann zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art8 EMRK führen (vgl VfGH 28.2.2012, B1644/10 mit Hinweis auf EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl 50.435/99, sowie insbesondere EGMR 28.6.2011, Fall Nunez, Appl 55.597/09; 12.10.2016, E1349/2016; 8.6.2021, E575/2021).
4.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zwar nicht, dass bei der Interessenabwägung das Kindeswohl zu berücksichtigen ist. Es geht jedoch davon aus, dass das Kindeswohl nicht beeinträchtigt werde, da das Familienleben im Irak fortgesetzt werden könne. Dabei berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass über die Asylverfahren von Frau und Kind noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Infolge dieser vorweggenommenen Beweiswürdigung unterlässt es die nach der Rechtsprechung erforderliche Auseinandersetzung mit den Konsequenzen einer Trennung der Familie auf das Familienleben.
Insofern hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beziehung zwischen Vater und Kind gerade nicht im erforderlichen Ausmaß Bedacht genommen und insbesondere die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl nicht berücksichtigt; dies obgleich sich daraus ergeben könnte, dass – auch angesichts der besonderen Bedürfnisse von Kindern in der ersten Lebensphase – eine Trennung nicht im Sinne des Kindeswohles ist (vgl zur zu berücksichtigenden Beziehung zwischen Vater und Kind etwa VfGH 10.3.2020, E4269/2019; 8.6.2021, E4076/2020 mwN).
4.3. Indem das Bundesverwaltungsgericht diese Umstände bei seiner gemäß Art8 EMRK gebotenen Interessenabwägung nicht berücksichtigt hat, hat es – ungeachtet des Umstandes, dass das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts hätte bewusst sein müssen (vgl zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser Umstand zwar zu berücksichtigen ist, einen Eingriff in das Recht aus Art8 EMRK aber nicht ausschließt, etwa VfSlg 18.223/2007) – diese mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel belastet.
5. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak und die Nichterteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß §57 AsylG 2005 richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Erkenntnis in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, insoweit nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, abzusehen.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Feststellung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
Schlagworte
Asylrecht, Privat- und Familienleben, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E2557.2021Zuletzt aktualisiert am
28.02.2022