TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/6 96/18/0365

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Veröffentlicht am 06.09.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Juni 1996, Zl. St 658/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Juni 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

Nach den Eintragungen in seinem ersten an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteten Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerks, eingelangt beim Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien am 4. September 1991, sei der Beschwerdeführer am 28. Juli 1991 nach Österreich gelangt. Auf Grund einer Verpflichtungserklärung habe er einen Sichtvermerk bis zum 30. April 1992 erhalten. Seinen am 7. Mai 1992 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingebrachten Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerks habe der Beschwerdeführer wieder zurückgezogen.

Am 21. Oktober 1992 habe der Beschwerdeführer vor dem Standesamt Wien-Donaustadt eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Auf Grund der Heirat sei er in den Besitz eines Befreiungsscheines, der vom 30. Oktober 1992 bis 29. Oktober 1997 gültig sei, gelangt. Unter Vorlage dieses Befreiungsscheines und der Heiratsurkunde sei ihm auf seinen Antrag vom 7. Dezember 1992 hin ein bis 20. Mai 1993 gültiger Sichtvermerk von der Bundespolizeidirektion Wien erteilt worden. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Heirat, der Erlangung des Befreiungsscheines und Erlangung des Sichtvermerkes erweise, daß die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin, wie auch das Gericht dann im Ehenichtigkeitsurteil ausführe, nur dazu gedient habe, um dem Beschwerdeführer arbeits- und aufenthaltsrechtliche Bewilligungen zu verschaffen.

Die am 21. Oktober 1992 zwischen dem Beschwerdeführer und der österreichischen Staatbürgerin vor dem Standesamt Wien-Donaustadt beurkundete Ehe sei vom Bezirksgericht Hernals mit Urteil vom 3. Jänner 1995 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des Ehenichtigkeitsurteiles gehe hervor, daß der Beschwerdeführer und die österreichische Staatsbürgerin nie eine eheliche Gemeinschaft begründet hätten, daß die Ehe nicht vollzogen worden sei und daß keine gemeinsame Meldung am gleichen Ort bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerin lediglich einmal vor der Hochzeit vor der türkischen Botschaft getroffen. Für die Vermittlung der Ehe habe der Beschwerdeführer einen Geldbetrag von S 90.000,-- bezahlt. Einziger Zweck der Eheschließung sei gewesen, dem Beschwerdeführer die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Österreich zu verschaffen.

Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 1995 angebotenen Beweise habe die Behörde erster Instanz nicht aufzunehmen gehabt, da sie den Beweis von Tatbestandselementen bezweckt hätten, die bereits im Ehenichtigkeitsverfahren eindeutig geklärt worden seien. Soweit der Beschwerdeführer neuerlich in der Berufung derartige Beweisanträge vorbringe, sei ihm die Rechtskraft des Ehenichtigkeitsurteiles entgegenzuhalten. Das Verfahren vor der Behörde erster Instanz sei daher nicht mangelhaft geblieben.

Bei der Eingehung einer Ehe nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen handle es sich um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten sei. Dieses Fehlverhalten sei seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes nach § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stelle eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (VwGH-Erk. vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0505).

Soweit durch das Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde, sei dies zulässig, weil dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.

Die gemäß § 20 FrG vorgenommene Interessenabwägung habe ergeben, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dabei sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers zwar bis 31. Juli 1995 rechtmäßig gewesen sei, die Erlaubtheit dieses Aufenthaltes jedoch nur auf das geschilderte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen sei. Dies bewirke, daß die aus der Dauer des Aufenthaltes resultierende Integration nicht wesentlich zugunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen sei (VwGH-Erk. vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0441). Hiezu komme, daß der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 17. Juli 1995 und mit dem auf Grund einer Berufung im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1996 abgewiesen worden sei. Bei der Abwägung sei nicht völlig unbeachtlich gewesen, daß der Beschwerdeführer am 19. Oktober 1994 wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes (§ 64 Abs. 5 KFG) von der Bundespolizeidirektion rechtskräftig bestraft worden sei.

Der Beschwerdeführer bringe in seiner Berufung vor, daß er wegen seines Leidens in seiner türkischen Heimat nicht behandelt werden könnte, weil entsprechende Versorgung in der Türkei nur in einem Ballungszentrum möglich sein würde, er jedoch in einem kleinen Dorf im ländlichen Raum ca. 200 km von Ankara entfernt wohnte. Hiezu sei zu bemerken, daß das Aufenthaltsverbot den Beschwerdeführer nur verpflichte, Österreich zu verlassen und innerhalb der gebotenen Zeit nicht nach Österreich zurückzukehren. Es sei dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht unmöglich, eine medizinische Versorgung im Ausland "aufzusuchen".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441).

Der Einwand des Beschwerdeführers, "daß der Sachverhalt, welcher zur Nichtigerklärung einer Ehe führt, bzw. zur Abweisung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein anderer ist, als derjenige, welcher die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen vermag" und daß lediglich der Spruch des Ehenichtigkeitsurteiles in Rechtskraft erwachse, nicht jedoch seine Begründung, "der Spruch für sich allein jedoch nicht ausreichend ist, die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen", ist nicht zielführend. Vielmehr war die belangte Behörde im Hinblick auf die in der Beschwerde unbestritten gebliebene Begründung des rechtskräftigen Ehenichtigkeitsurteiles in der Lage, zu dem Ergebnis zu gelangen, es handle sich um eine ausschließlich zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossene Ehe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 96/18/0185).

2. Das Beschwerdevorbringen, daß dem Beschwerdeführer "mit seinen bescheidenen finanziellen Möglichkeiten... letztendlich keine andere Möglichkeit, als in seine Heimat zurückzukehren", bleibe und er "auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes" unbedingt in Österreich verbleiben müsse, ist nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 20 FrG und deren Ergebnis als rechtswidrig darzutun. Der Beschwerdeführer hat selbst schon in seiner Berufung gegenüber der belangten Behörde - die dieses Vorbringen im angefochtenen Bescheid unbestritten wiedergibt - ausgeführt, daß ihm eine medizinische Versorgung in seinem Heimatland (nämlich in einem "Ballungszentrum") zuteil werden könne; die Beschwerde zeigt somit nicht auf, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180365.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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