TE Vwgh Erkenntnis 1974/5/6 1370/73

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Veröffentlicht am 06.05.1974
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
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L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
BauO Wr §129 Abs10
VStG §19
VStG §19 Abs3
VStG §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. OS in W, vertreten durch Dr. Werner Masser, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 27, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. Mai 1973, Zl. MA 64-25/73/Str., betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien verhängte mit dem Straferkenntnis vom 19. Dezember 1972 über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, begangen in der Zeit vom 22. Oktober 1970 bis zum 13. November 1972, eine Geldstrafe von S 8.000,-- (und eine Ersatzarreststrafe von 18 Tagen). Zur Frage der Strafbemessung - mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen ist nur diese Gegenstand der Sachverhaltsdarstellung - führte die Behörde aus, es werde als mildernd das Geständnis des Beschwerdeführers, als erschwerend der lange Tatzeitraum gewertet. Die Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse hätten bei der Strafbemessung Berücksichtigung gefunden.

In seiner Berufung bemerkte der Beschwerdeführer zur Strafhöhe nur, daß der Unrechtsgehalt der Tat äußerst gering sei.

Die Wiener Landesregierung bestätigte mit dem angefochtenen Bescheid das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz. Begründend führte die belangte Behörde zur Strafbemessung aus, es entspreche die Höhe der verhängten Strafe in Ansehung der gesetzlichen Strafobergrenze von S 30.000,-- dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung, wobei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd, der relativ lange Tatzeitraum und die Tatsache, daß es sich um mehrere Objekte gehandelt habe, die abzutragen gewesen wären, hingegen als erschwerend zu bewerten gewesen wären. Auch die als gut zu bezeichnenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien der Bemessung der Strafhöhe zugrunde zu legen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem „Recht auf Angemessenheit der Strafbemessung gemäß § 19 VStG 1950“ verletzt.

Er bringt vor, er sei im Verwaltungsstrafverfahren zu seinen Familien- und Einkommensverhältnissen, wiewohl die Behörde die Festsetzung der Strafe von diesen abhängig gemacht habe, nicht vernommen worden. Es seien ihm auch keinerlei im Akt etwa bereits enthalten gewesenen Angaben zur Kenntnisnahme gebracht worden.

Das Vorbringen widerspricht der Aktenlage. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme als Beschuldigter am 14. Dezember 1972 - entsprechend dem § 33 Abs. 1 VStG 1950 - auch über seine persönlichen Umstände, insbesondere über seine „Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse“ befragt worden sei. Der Strafverhandlungsschrift zufolge, die die Unterschrift des Beschwerdeführers trägt, machte dieser hiezu folgende Angaben: „Haus- und Grundbesitz, S 200.000,-- bruttojährlich, keine Sorgepflicht“. Es war auch kein Grund vorhanden, daß die belangte Behörde von Amts wegen neuerdings vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers hätte prüfen müssen, zumal es der Beschwerdeführer unterlassen hat, auf eine derartige Änderung selbst hinzuweisen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1971, Zl. 677, 678/71). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die erst in der Beschwerde enthaltene Behauptung, es sei „in den letzten Monaten“ eine wesentliche Minderung des Einkommens des Beschwerdeführers eingetreten, zufolge § 41 Abs. 1 VwGG 1965 unbeachtlich.

Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es habe die belangte Behörde - anders als die Behörde erster Instanz - den Umstand, daß der Beschwerdeführer bei seiner Rechtfertigung die Verwaltungsübertretung zugegeben habe, bei der Strafbemessung nicht entsprechend berücksichtigt. Dem Geständnis des Beschuldigten müsse jedoch die Bedeutung eines mildernden Umstandes beigemessen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als mildernder Umstand nur ein qualifiziertes Geständnis und nicht schon jedes bloße Zugeben des Tatsächlichen zu werten (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1953, Slg. N. F. Nr. 2821/A, in dem auch ausgeführt wurde, daß diese Auffassung schon in dem Erkenntnis vom 8. November 1930, Slg. 16.372/A, auf das sich der Beschwerdeführer beruft - zum Ausdruck kommt, und das Erkenntnis vom 15. April 1971, Zl. 1313/70). Der Gerichtshof hält an diesem Grundsatz fest. Im vorliegenden Fall waren die Rechtfertigungsangaben des Beschwerdeführers wohl in dem Sinne zu verstehen, daß er zugebe, die ihm zur. Last gelegte Abweichung von den Bauvorschriften (durch die Errichtung einer Lagerhalle und eines Flugdaches) begangen zu haben. Dieselben behördlichen Feststellungen lagen jedoch schon dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Mai 1970 - mit diesem wurde dem Beschwerdeführer hinsichtlich der erwähnten Objekte die nachträgliche Baubewilligung versagt und ein Abtragungsauftrag erlassen - zugrunde, der vom Beschwerdeführer zunächst im Verwaltungsrechtszug und schließlich mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft wurde. Letztere wurde abgewiesen. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vom 10. Dezember 1971) mußte dem Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme (am 14. Dezember 1972) schon bekannt gewesen sein. Bei dieser Situation kann füglich vom Vorliegen eines qualifizierten Geständnisses nicht gesprochen werden.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, es habe die belangte Behörde - wie die Behörde erster Instanz - den langen Tatzeitraum als erschwerenden Umstand gewertet. Hier liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Nichtbeseitigung eines konsenslosen Zustandes nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ein Zustandsdelikt, bei welchem den strafbaren Tatbestand lediglich die Herbeiführung, nicht jedoch die Erhaltung des Zustandes bilde. Von einem relativ langen Tatzeitraum könne jedoch nur im Falle der Aufrechterhaltung eines vom Gesetz verpönten Zustandes gesprochen werden.

Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Daß die Bestimmung des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ein Gebot enthält, das unter Strafsanktion steht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1969, Slg. N. F. Nr. 7657/A, dargelegt. Anders als bei der unbefugten Bauführung handelt es sich aber hier nicht um ein Zustandsdelikt, sondern um ein Dauerdelikt. Das strafbare Verhalten endet daher erst mit der vom Gesetzgeber auferlegten Beseitigung des vorschriftswidrigen Baues. Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde jenen Zeitraum, in dem der Beschwerdeführer den bauordnungswidrigen Zustand aufrecht erhielt, ohne daß ein Verfahren über ein nachträgliches Bauansuchen anhängig gewesen wäre, als Tatzeit und deren verhältnismäßig lange Dauer bei der Strafbemessung als erschwerend wertete.

Die sonach unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 427/1972.

Wien, am 6. Mai 1974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1973001370.X00

Im RIS seit

28.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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