TE Vwgh Beschluss 2022/1/31 Ra 2022/14/0011

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Veröffentlicht am 31.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des I H, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2021, L506 2202109-1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 17. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Partei „PAT“ und einer Teilnahme an einer Demonstration von der Polizei festgenommen und misshandelt worden zu sein. Gegen den Revisionswerber seien auch falsche Anzeigen erstattet worden. Für ihn und die Anhänger seiner Partei bestehe zudem eine Bedrohung durch die Taliban.

2        Mit Bescheid vom 18. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend kam es mit näheren Erwägungen unter anderem zum Ergebnis, dass die Darstellung des Revisionswerbers zur persönlichen Bedrohungssituation unglaubwürdig sei. Es bestehe daher keine aktuelle Gefahr einer Verfolgung des Revisionswerbers aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Unter Zugrundelegung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Revisionswerbers - so auch in Bezug auf die Wirtschafts- und Sicherheitslage - lägen weiters die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vor. Der Eingriff in sein Privatleben sei nicht unverhältnismäßig, weil auch unter Berücksichtigung des Privatlebens des Revisionswerbers das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung und bringt zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei „willkürlich“ und „spontan“ von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen. Es habe seine Erwägungen nicht auf eigene Ermittlungsergebnisse gestützt, sondern lediglich auf das Verfahren und die Feststellungen der Behörde verwiesen. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffenen Widersprüche seien tatsächlich nur untergeordnet. Der Revisionswerber stamme aus einer ländlichen Region, in der die Bildung schlecht ausgeprägt sei. In solchen Gebieten sei die Mitgliedschaft zu Parteien regelmäßig nicht mit einem umfassenden Wissen über diese verbunden, sondern basiere auf persönlichen Überzeugungen und Emotionen. Das Bundesverwaltungsgericht gehe bei der Beweiswürdigung von „österreichischen Standards“ aus und beurteile die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zu einer Partei nicht im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zu Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.11.2021, Ra 2021/14/0315, mwN).

10       Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, in einer umfangreichen Beweiswürdigung mit den Verfahrensergebnissen, insbesondere den Angaben des Revisionswerbers und deren Plausibilität sowie den von ihm vorgelegten Unterlagen, auseinandergesetzt. Entgegen dem Revisionsvorbringen verwies es nicht lediglich auf Ermittlungsergebnisse der Behörde, sondern sprach dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. Es gelingt der Revision, die diesbezüglich nur einzelne Argumente des Bundesverwaltungsgerichtes herausgreift, nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit dieser Beurteilung darzulegen.

11       Soweit die Revision erkennbar die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung anspricht, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 2.11.2021, Ra 2021/14/0332, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen Umstände, darunter auch die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet von knapp sieben Jahren, die Sprachkenntnisse, seine Selbsterhaltungsfähigkeit und seine Integrationsbemühungen. Dass dem Bundesverwaltungsgericht dabei eine revisible Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140011.L00

Im RIS seit

28.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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