TE Vwgh Erkenntnis 2022/1/31 Ra 2021/14/0314

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Veröffentlicht am 31.01.2022
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §28 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §4a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2021, 1. W144 2240714-1/7E und 2. W144 2240715-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. M E, und 2. M E, beide in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1        Die Erstmitbeteiligte ist die Mutter des Zweitmitbeteiligten, beide sind somalische Staatsangehörige. Sie erhielten in Italien jeweils den Status des Asylberechtigten und verfügen über italienische Konventionsreisedokumente. Sie stellten am 29. Jänner 2021 im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Diese begründeten sie im Wesentlichen damit, dass der Ehemann der Erstmitbeteiligten bzw. der Vater des Zweitmitbeteiligten im Jahr 2018 in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei und sie gemeinsam in Österreich leben möchten.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge jeweils mit Bescheid vom 5. März 2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück. Unter einem sprach die Behörde aus, dass sich die Mitbeteiligten nach Italien zurückzubegeben haben, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) jeweils eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3        Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 3. August 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht den dagegen erhobenen Beschwerden gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG statt und behob die bekämpften Bescheide.

4        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nach dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 3 erster Satz AsylG 2005 das Familienverfahren des Zweitmitbeteiligten in Österreich mit der Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz zugelassen sei und in der Folge sein Antrag auch nicht gemäß § 4a AsylG 2005 zurückgewiesen werden dürfe. Da zwischen der Erst- und dem Zweitmitbeteiligten ein intensives Familienleben und Abhängigkeitsverhältnis bestehe, würde eine Trennung des Kleinkindes von der Mutter jedenfalls einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte gemäß Art. 8 EMRK bedeuten, sodass auch der Bescheid der Erstmitbeteiligten keinen Bestand habe.

5        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, zu deren Zulässigkeit unter anderem vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Verhältnisses zwischen § 4a und § 34 AsylG 2005 und der Zulassung eines Verfahrens abgewichen.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung eines Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7        Die Revision ist zulässig und berechtigt.

8        Im Verfahren ist unbestritten, dass die Mitbeteiligten in Italien einen Schutzstatus erhalten haben und dort vor Verfolgung geschützt sind.

9        Gemäß § 4a AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

10       Nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen ist, darauf abzustellen, ob dem Fremden in einem EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. VwGH 3.5.2016, Ra 2016/18/0049, mwN).

11       Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, hat die Behörde den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen. Liegen daher die Voraussetzungen des § 4a AsylG vor, begründen sie nach dessen klaren Wortlaut ein Prozesshindernis für eine inhaltliche Behandlung des Antrages bzw. eine Sachentscheidung (auch) nach § 34 AsylG 2005 (vgl. wiederum VwGH 4.3.2019, Ra 2019/14/0023; aus der jüngeren Rechtsprechung 20.10.2021, Ra 2021/14/0275, mwN).

12       Im bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 2019 wurde somit auch ausgesprochen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4a AsylG 2005 kein Anwendungsbereich für ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mangels inhaltlicher Prüfung des Antrages - besteht.

13       Eine Zurückweisung des Antrages nach § 4a AsylG 2005 kommt selbst nach Zulassung des Verfahrens in Betracht (§ 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005), weil die Zulassung keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage, ob der Antrag zurückzuweisen ist, entfaltet (vgl. VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127, mwN).

14       Unter Zugrundelegung der eben dargestellten Grundsätze ist es entgegen der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts daher nicht ausschlaggebend, ob das Verfahren zugelassen ist oder nicht.

15       Die angefochtenen Beschlüsse waren daher bereits aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

Wien, am 31. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140314.L00

Im RIS seit

28.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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