Entscheidungsdatum
13.12.2021Norm
BauO NÖ 2014 §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt C, ***, ***, vom 29. September 2021 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 24. August 2021, Zl. ***, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 27. April 2021, Zl. ***, betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 abgewiesen worden war, nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** erhobenen Berufung dieser ersatzlos behoben wird.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** aus dem Jahre 1895 ist auf dem Grundstück Nr. .*** KG *** die Errichtung eines ca. 7 x 7 m großen Gebäudes bewilligt worden.
1.1.2.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 12. Februar 1985, ZL. ***, wurde den damaligen Eigentümern die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Keller und Erdgeschoß, einer Warmwasserzentralheizungsanlage und einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. *** KG *** erteilt. Zur gleichen Aktenzahl wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom selben Tag der Abbruch des bestehenden Gebäudes auf der Parzelle Nr. .*** bewilligt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 18. Februar 1992 wurde den damaligen Eigentümern die Benützungsbewilligung erteilt.
1.1.3.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 30. März 2021, Zl. ***, wurde Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) die Bewilligung zur Abänderung des Bestandsgebäudes und die Errichtung eines Zubaues zum Bestandsgebäude auf dem Grundstück Nr *** KG *** /topographische Anschrift ***, ***) erteilt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 27. April 2021, Zl. ***, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung eine Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe im Betrag von € 5.318,74 vorgeschrieben. Begründend wird nach Wiedergabe der Bestimmung des § 39 NÖ Bauordnung 2014 dargelegt, dass sich im gegenständlichen Fall für das von der Baubehörde genehmigte Bauverfahren
auf dem gegenständlichen Grundstück Folgendes ergebe:
Ergänzungsabgabe - (Bauklassenkoeffizient aus dem rechtswirksamen Bebauungsplan - 1) x Berechnungslänge (= Quadratwurzel aus der Fläche des Bauplatzes) x Einheitssatz
Der derzeitige Bauklassenkoeffizient sei für das gegenständliche Grundstück mit 1,25 festgelegt. Die Berechnungslänge betrage 45,2659. Der Einheitssatz betrage gemäß der Verordnung des Gemeinderates vom 4. Juli 2011 € 470,-.
Daraus ergibt sich eine Ergänzungsabgabe von:
(1,25 -1) x 45,2659 x 470 = € 5.318,74.
1.2.2.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass für das verfahrensgegenständliche Grundstück aus Anlass der Bauführung im Jahr 1985 ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben worden sei. Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages sei jedoch die zulässige Gebäudehöhe auch damals ein der gleichen Bauklasse entsprechender Bauklassenkoeffizient von 1,25 anzuwenden gewesen. Da somit der Tatbestand einer Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 nicht erfüllt sei, bestehe auch kein Abgabenanspruch der Gemeinde bzw. keine Abgabenschuld der Liegenschaftseigentümer.
1.2.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 24. August 2021, Zl. ***, wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften dargelegt, dass das gegenständliche Grundstück Nr. ***, EZ *** vormals die Grundstücke Nr. *** und .*** betroffen habe. Anlässlich der Baubewilligung im Jahre 1985 und 1986 sei mangels abgabenauslösenden Tatbestandes kein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben worden, da auch das
verfahrensgegenständliche Grundstück (.***) bereits bebaut gewesen sei. Der Beschwerdeführer bringe vor, dass für das verfahrensgegenständliche Grundstück aus Anlass der Bauführung im Jahr 1985 ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben worden sei. Weder lasse sich dem Bauakt eine solche Vorschreibung entnehmen, noch sei den vorgebrachten Beweisen eine solche zu entnehmen. Für den gegenständlichen (ex-lege) Bauplatz (§ 11 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014) habe weder die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages, noch die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe oder einer Ergänzungsabgabe bis dato festgestellt werden können. Auch habe der Eintritt eines Vorschreibungsanlasses für eine solche Abgabe in der Vergangenheit nicht festgestellt werden können.
1.3.
Mit Schreiben vom 29. September 2021 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen wie seine Berufungsschrift vom 18. Mai 2021. Ergänzend wird unter Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 2021, Zl. Ra 2021/13/0007, ausgeführt, dass Abgaben als „vorgeschrieben und entrichtet“ gelten, wenn früher entstandene Abgabenansprüche wegen Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden könnten.
1.4. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht:
Vom erkennenden Gericht wurde für den 6. Dezember 2021 eine mündliche Verhandlung anberaumt, in deren Verlauf von Seiten des Vertreters der belangten Behörde ausgeführt wurde, dass sich in den Unterlagen ein Altbestand aus dem Jahre 1896 befinde, der in der Punktparzelle ausgewiesen wäre und eine Dimension von ca. 7 x 7 m aufweise. Das Grundstück *** sei somit schon im Geltungsbereich der Bauordnung 1976 bebaut und somit als Bauplatz zu werten gewesen. In der Folge wurde vom Verhandlungsleiter dargelegt, dass für die gegenständliche Liegenschaft im Jahre 1985 eine Baubewilligung erteilt wurde (damals laut Bebauungsplan Bauklasse I, II). Für dieses Vorhaben sei am 18. Februar 1992 die Benützungsbewilligung erteilt worden. In der Folge sei dann ein horizontaler Umbau (Erweiterung) mit Bescheid vom 30. März 2021 bewilligt worden (laut Bebauungsplan Bauklasse I, II). Von den anwesenden Verfahrensparteien wurde bestätigt, dass für diese Liegenschaft bis dato keine Aufschließungsbeiträge bzw. eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben oder entrichtet worden ist.
1.5. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. *** KG *** (vormals Grundstücke Nr. *** und .***), mit der topographischen Anschrift ***, ***:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
(Quelle: imap Geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 2. Dezember 2021)
Für das gegenständliche Grundstücke Nr. *** KG *** (vormals Grundstücke Nr. *** und .***) ist in der Vergangenheit kein Aufschließungsbeitrag oder eine Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 1883 oder 1976 vorgeschrieben und/oder entrichtet worden.
Erstmals wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** aus dem Jahre 1895 auf dem Grundstück Nr. .*** KG *** die Errichtung eines ca. 7 x 7 m großen Gebäudes bewilligt.
Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 12. Februar 1985, ZL. ***, wurde den damaligen Eigentümern die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Keller und Erdgeschoß, einer Warmwasserzentralheizungsanlage und einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. *** KG *** sowie der Abbruch des bestehenden Gebäudes auf der Parzelle Nr. .*** bewilligt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 18. Februar 1992 wurde den damaligen Eigentümern die Benützungsbewilligung erteilt.
In der Folge wurde keine Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 1976 vorgeschrieben.
1.6. Beweiswürdigung:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch und Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (s.o. Punkt 1.5.) nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung – BAO idF BGBl. I Nr. 16/2020:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 53/2018:
Bauplatz, Bauverbot
§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder
5. durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß.
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
…
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
o bis zu 0,8 1,5
o bis zu 1,1 1,75
o bis zu 1,5 2,0 und
o bis zu 2,0 2,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. …
Ergänzungsabgabe
§ 39. (1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) ist dem Eigentümer mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 bzw. mit Erlassung des Umlegungsbescheides nach § 44 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird. …
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Anzeige der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;
z. B. 3 Bauplätze neu (1, 2, 3), 2 Bauplätze alt (a, b)
EA = [(BL1 + BL2 + BL3) – (BLa + BLb)] x BKK x ES
EA/m (Ergänzungsabgabe pro Meter) = EA : (BL1 + BL2 + BL3)
EA für Bauplatz 1 = EA/m x BL1
EA für Bauplatz 2 = EA/m x BL2
EA für Bauplatz 3 = EA/m x BL3
Erfolgt die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für einen Bauplatz, der durch eine Teilfläche des Grundstücks vergrößert wurde, für das eine Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 vorgeschrieben wurde, sind die entrichteten Teilbeträge anteilsmäßig zu berücksichtigen. Der Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis des Ausmaßes der Teilfläche zum Gesamtausmaß der Grundstücksfläche, für die die Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 entrichtet wurde. Bei der Berechnung der auf den Anteil entfallenden Vorauszahlung ist der Einheitssatz, der der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zu Grunde zu legen ist, heranzuziehen. …
(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes – ausgenommen Gebäude im Sinn des § 18 Abs. 1a Z 1 – oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und
- bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976 bzw. NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder
- bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe oder
- anlässlich einer Baubewilligung ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung
- kein oder
- ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan ist ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde. Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert:
BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
….
2.3. NÖ Bauordnung 1976:
Aufschließungsbeitrag
§ 14. (1) Aus dem Anlaß der Erklärung eines Grundstückes zum Bauplatz (§ 12) hat die Gemeinde dem Eigentümer eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben. Diese Abgabe ist auch dem Eigentümer eines Bauplatzes nach § 2 Z 7 lit. b aus dem Anlaß der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes (§ 2 Z 5) oder einer großvolumigen Anlage (einzelne oder mehrere Silos oder Tanks mit insgesamt mehr als 200 m3 Rauminhalt sowie Tiefgaragen, Betonmischanlagen oder dergleichen) auf diesem Bauplatz vorzuschreiben, wenn für diesen Bauplatz noch kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag und auch keine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden ist. Als erstmalig gilt die Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn auf diesem am 1. Jänner 1970 kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Eine Gerätehütte mit höchstens 6 m2 bebauter Fläche und einer Gebäudehöhe bis zu 2 m gilt in diesem Zusammenhang nicht als Gebäude.
(2) Die Aufschließungsabgabe ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz errechnet.
(3) In der Bauklasse I beträgt der Bauklassenkoeffizient 1,00; er erhöht sich für jede weitere zulässige Bauklasse um je 0,25. ...
Ergänzungsabgabe
15. Eine Ergänzungsabgabe ist vorzuschreiben
...
2. aus dem Anlaß der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes auf einem Bauplatz, wenn bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages aus dem Anlaß der Grundabteilung nach dem 1. Jänner 1970 oder bei der Vorschreibung der Aufschließungsabgabe aus dem Anlaß der Bauplatzerklärung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde, als der zur Zeit der Baubewilligung anzuwendende. Die Höhe der Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet: Von dem zur Zeit der Baubewilligung anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient - mindestens jedoch 1 - abgezogen und die Differenz wird mit der Berechnungslänge und dem zur Zeit der Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungen außer Streit stehen.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe dem Grunde nach erfolgen durfte.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 beträgt der Bauklassenkoeffizient in der Bauklasse I 1,00 und bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr. Im vorliegenden Fall sind seit den 80er Jahren für das gegenständliche Grundstück die Bauklasse I und II verordnet, sodass ein Bauklassenkoeffizient von 1,25 heranzuziehen war und ist.
Gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 ist eine Ergänzungsabgabe auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht, angewendet wurde.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde.
3.1.4.
Nicht strittig ist zwischen den Verfahrensparteien auch die grundsätzliche Anrechenbarkeit bereits einmal für einen Bauplatz erbrachter Aufschließungsbeiträge. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur betont, dass der Regelungsinhalt des § 14 NÖ Bauordnung 1976 (bzw. § 38 NÖ Bauordnung 1996 bzw. 2014) nur im Zusammenhang mit § 15 erster Satz leg.cit. zu sehen und durch die dort enthaltene Anordnung eingeschränkt ist. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die in den §§ 13 und 14 leg.cit. vorgesehenen Anliegerleistungen jedenfalls nur einmal zu erbringen, und zwar anlässlich der Grundabteilung.
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten war daher der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abzuziehen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz zu multiplizieren.
3.1.5.
Hervorzuheben ist, dass iSd § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 im Zuge der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1985 (bzw. anlässlich der Fertigstellungsmeldung im Jahre 1992) keine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden ist. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass im Rahmen des jeweils geltenden Bebauungsplanes für den Bereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes die Bauklassen I und II verordnet waren.
Aus dem Grundsatz der Einmaligkeit ist aber abzuleiten, dass auch die Ergänzungsabgabe, die zwar bei wiederholter Verwirklichung eines Tatbestandes für diese Ergänzungsabgabe auch mehrfach anfällt, nur in einer Höhe unter Berücksichtigung der bereits früher verwirklichten Abgabentatbestände zu bemessen ist; dies insbesondere auch dann, wenn diese (frühere) Abgabe mangels Vorschreibung nunmehr verjährt ist. Im Rahmen der Bemessung der Ergänzungsabgabe ist daher als „alter“ Bauklassenkoeffizient jener anzusetzen, der bei der früheren Verwirklichung eines Abgabentatbestandes (entweder für eine Aufschließungsabgabe oder für eine Ergänzungsabgabe) bei der unterbliebenen Vorschreibung anzusetzen gewesen wäre (vgl. VwGH Ra 2021/13/0007).
Im vorliegenden Fall wäre somit schon im Jahre 1985 (bzw. 1992 bei Erstattung der Fertigstellungsmeldung) ein Bauklassekoeffizient von 1,25 heranzuziehen gewesen.
Aus den wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen, an die § 14 NÖ Bauordnung 1969 (und § 14 NÖ Bauordnung 1976) bzw. § 38 NÖ Bauordnung 1996 (und § 38 NÖ Bauordnung 2014) anknüpfen, ergibt sich, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff der Bauklasse den Inhalt eines normativen generellen Aktes (arg. Bauklasse als "vorgeschriebener Rahmen der Bebauungshöhe"; Bauklassenfestsetzung als Inhalt des Bebauungsplanes) versteht und nicht auf die in einem bestimmten Gebiet faktisch bestehende Bebauung abstellt (vgl. VwGH vom 2. April 1971, ZI. 1557/70, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, § 14 Abs. 3 NÖ Bauordnung lasse keinen Zweifel darüber aufkommen, dass das Gesetz den anzuwendenden Koeffizienten nicht »von der tatsächlich gewählten Gebäudehöhe, sondern von der dem Bebauungsplan zu entnehmenden Bauklasse abhängig macht, und VwGH vom 20. Oktober 1980, Zl. 2968/79).
3.1.6.
Die nächste Bauführung wurde mit dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 30. März 2021, Zl. ***, bewilligt.
Im maßgeblichen Bebauungsplan ist sind nach wie vor die Bauklasse I und II normiert worden.
Letztlich war daher im vorliegenden Fall die Differenz im Bereich des Bauklassekoeffizienten von 0,0 (i.e. heute geltender BKK von 1,25 vermindert um den BKK von 1,25, der im Jahre 1985 und 1992 anzuwenden gewesen wäre) mit der Berechnungslänge des Bauplatzes und dem zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung geltenden Einheitssatz zu multiplizieren, sodass im Ergebnis keine Abgabenvorschreibung erfolgen durfte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Bemessung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1870.001.2021Zuletzt aktualisiert am
25.02.2022