TE Vwgh Beschluss 2022/1/20 Ra 2021/04/0116

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2022
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §111 Abs2 Z4
GewO 1994 §366 Abs1 Z1
VStG §44a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der die Revisionssache des P S in I, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 13. April 2021, Zlen. 1. LVwG-2020/32/2642-7 und 2. LVwG-2020/32/2643-7, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. Oktober 2020 wurde dem Revisionswerber eine Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 111 Abs. 2 Z 4 Gewerbeordnung 1994 zur Last gelegt, weil dieser im Ferienhaus T-Alm durch die entgeltliche selbständige und regelmäßige touristische Vermietung von zwei Doppelzimmern, drei Einzelzimmern, mit dem Angebot von Bettwäsche und Handtüchern sowie Endreinigung das Gastgewerbe gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 und 2 GewO 1994 ausgeübt habe, obwohl er nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen sei und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 46 Stunden) verhängt.

2        In demselben Straferkenntnis verhängte die belangte Behörde mit näherer Begründung über den Revisionswerber eine Verwaltungsstrafe nach der Tiroler Bauordnung 2018. Diese Verwaltungsübertretung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens.

3        2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern Folge, als die verhängte Geldstrafe von € 500,-- auf € 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) herabgesetzt wurde. Dem Grunde nach wurde das bekämpfte Straferkenntnis mit der (präzisierenden) Maßgabe insoweit bestätigt, als der Spruch zu lauten habe, dass der Revisionswerber vom 3. Juli 2020 bis zum 6. September 2020 an einem bestimmt bezeichneten Standort durch die entgeltliche, selbständige und regelmäßige, sohin die gewerbsmäßige Beherbergung von Gästen im Wohnbereich der sogenannten T-Alm das Gastgewerbe im Berechtigungsumfang nach § 111 Abs. 2 Z 4 GewO 1994 ausgeübt habe, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen sei. Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4        Zur angelasteten Übertretung des § 111 Abs. 2 Z 4 Gewerbeordnung 1994 führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei Landwirt und Alleineigentümer eines geschlossenen Hofes, mit welchem die T-Alm untrennbar verbunden sei. Bei dieser handle es sich um kombiniertes Alpgebäude, bestehend aus Wirtschafts- und Wohnbereich. Der Wohnbereich weise eine Gesamtnutzfläche von 102,76 m² auf. Der Revisionswerber selbst habe seinen Hauptwohnsitz am Standort seines landwirtschaftlichen Hauptbetriebs. Während der Alpzeit übernachte der Revisionswerber gelegentlich auf der T-Alm. Er verfüge weder über eine Gewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 noch habe er ein Beherbergungsgewerbe nach § 111 Abs. 2 GewO 1994 angemeldet. Im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 6. September 2020 seien 254 Gästeübernachtungen auf der T-Alm durch 32 Gäste erfolgt. Sechs Übernachtungen davon seien im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 4. Juli 2020 erfolgt. Im Zeitraum vom 7. September 2020 bis 15. Oktober 2020 seien keine Übernachtungen zu verzeichnen gewesen. Der Aufenthalt der Gäste habe vor allem touristischen Zwecken gedient. Diesen seien vom Revisionswerber keine Dienstleistungen zur Verfügung gestellt worden. Es seien weder Speisen noch Getränke - auch nicht in Selbstbedienung - angeboten worden. Das Gebäude verfüge über eine Abwasserbeseitigungsanlage, die vom Revisionswerber betrieben werde. Die Stromkosten würden als Pauschale in den Übernachtungspreis eingerechnet. Die Bezahlung der Stromrechnung erfolge durch den Revisionswerber. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehenen Meldungen seien vom Revisionswerber ein Gästeblock aufgelegt worden. Die ankommenden Gäste hätten sich den Haustorschlüssel beim Revisionswerber geholt und seien von ihm aufgefordert worden, die Gästeblätter auszufüllen. Für Reparaturen sei der Revisionswerber verantwortlich gewesen. Er habe nach einem Gästewechsel nach dem Rechten gesehen und allfällige Reparaturen durchgeführt. Die Mindestaufenthaltsdauer in den gegenständlichen Wohnräumen habe eine Woche betragen. Teilweise seien die Gäste zwei bis drei Wochen geblieben. Die Wohnung sei den Gästen möbliert zur Verfügung gestellt worden. Geschirr und Gläser seien in der Wohnung vorhanden gewesen. Der Revisionswerber habe die Wohnung am Ende des Aufenthalts der Gäste gereinigt, sofern dies von den Gästen nicht selbst erledigt worden sei. Für die Reinigung sei von den Gästen eine Kaution hinterlegt worden. Bettwäsche sei den Gästen zur Verfügung gestellt worden. Müllsäcke habe der Revisionswerber bei der Gemeinde gekauft (Müllgebühren inkludiert) und diese an die Gäste weitergegeben. Auf einer Internetseite sei hinsichtlich der T-Alm angekündigt gewesen, dass für diese eine Privatzimmervermietung erfolge und Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Revisionswerbers angegeben worden. Die Einkünfte aus der Gästeunterbringung habe der Revisionswerber als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrachtet.

5        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe sich auf das Vorliegen einer bloßen Raumvermietung berufen. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung könne jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass im gegenständlichen Fall keine Raumvermietung, sondern eine gewerbliche Beherbergung vorgelegen sei. Angesichts der Übernachtungsanzahl und Gästezahl ergebe sich eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Personen von knapp acht Tagen. Somit sei die Wohnung an ständig wechselnde Gäste vermietet worden. Die Durchführung der Endreinigung gegen eine eingehobene Kaution stelle im Ergebnis das Anbot einer Endreinigung dar. Bettwäsche sei zur Verfügung gestellt worden und die Wohnung möbliert den Gästen zur Verfügung gestellt worden sei. In der Gesamtschau der festgestellten Umstände ergebe sich für das Verwaltungsgericht, dass eine gewerbliche Beherbergung und keine Raumvermietung stattgefunden habe. Dies manifestiere sich insbesondere in dem Umstand, dass auf Grund der Auskünfte des Tourismusverbandes eindeutig festgestellt habe werden können, dass in den Wohnräumlichkeiten ständig wechselnde Personen zu touristischen Zwecken untergebracht gewesen seien. Kurzfristige Vermietungen wie die festgestellten würden einen Verwaltungsaufwand erfordern, der in aller Regel die Verwaltungsarbeit im Zusammenhang mit bloßer Vermietung deutlich übersteige. Neben dem ständigen Aufwand, neue Feriengäste zu akquirieren, erfordere es neben der laufenden Kontrolle und Reinigungsarbeiten bei Mieterwechsel auch einen erhöhten Bedarf bei Anschaffungen und Reparaturen der Wohnungseinrichtung. Auch die Bewerbung auf der Internetseite betone den touristischen Aspekt, auch wenn der Revisionswerber dort eine Privatzimmervermietung angebe. Überdies habe der Revisionswerber seinen Hauptwohnsitz an einem anderen Ort und übernachte nur fallweise auf der T-Alm. Um vom Privileg der Privatzimmervermietung profitieren zu können, wäre es jedoch erforderlich, dass der Revisionswerber dort selbst ständig wohne, um die Betreuung der Gäste im eigenen Wohnungsverband zu ermöglichen. Das typische Bild einer Privatzimmervermietung, bei der die Gäste im Wohnungsverband bzw. im Rahmen des Hausstandes des Vermieters zusätzliche Zimmer in Anspruch nähmen und der Vermieter Dienstleistungen im untergeordneten Ausmaß (z.B. Frühstück) zur Verfügung stelle, liege ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen nicht vor. Der Beginn der Tatzeit sei mit einem Tag nach der Zustellung des zeitlich vorangegangenen Straferkenntnisses klargestellt worden. Eine Doppelbestrafung liege wegen des sich nicht überschneidenden Zeitraums nicht vor. Der Revisionswerber habe nichts vorgebracht, was Zweifel an seinem Verschulden aufkommen ließe. Die Übertretung stehe daher auch in subjektiver Hinsicht fest. Nach Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe sei jedoch die verhängte Strafe spruchgemäß herabzusetzen.

6        3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

7        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       4.1. Die Revision trennt in ihren Zulässigkeitsgründen nicht zwischen dem Vorbringen zur Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 einerseits und zu jener nach der Tiroler Bauordnung 2018 andererseits und unterlässt es mit diesen undifferenzierten Ausführungen konkret darzulegen, inwieweit das Schicksal der Revision hinsichtlich welcher der erfolgten Bestrafungen von einer Entscheidung der angesprochenen Fragen abhängen solle (vgl. etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2021/05/0117, 6.7.2021, Ro 2021/05/0025 bis 0028 oder auch 30.1.2019, Ra 2018/06/0322, jeweils mwN).

11       Abgesehen davon behauptet die Revision zu ihrer Zulässigkeit bloß allgemein ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung und stellt dazu allgemeine Fragen, wie jene, ob der Tatvorwurf ausreichend konkretisiert sei, in den Raum. Den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen wird jedoch dann nicht entsprochen, wenn der Revisionswerber bloß allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Revisionsfall und darzutun, von welcher Rechtsprechung das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0087, mwN).

12       4.2. Hinsichtlich des Vorbringens der mangelnden Konkretisierung ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die maßgeblichen Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung sind. § 44a Z 1 VStG ist - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Ausgehend von dieser Zielrichtung des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z 1 VStG sind die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse von Delikt zu Delikt und nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen, wobei eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung im Regelfall nicht revisibel ist (vgl. zum Ganzen VwGH 26.2.2020, Ra 2019/05/0305, mwN).

13       Die Revision legt mit ihren allgemeinen Fragestellungen nicht dar, inwiefern die Tatumschreibung derart unkonkret wäre, dass der Revisionswerber nicht in der Lage gewesen wäre, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen zu widerlegen. Ebenfalls ist nicht zu sehen, dass der Revisionswerber der Gefahr ausgesetzt wäre, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis sowohl zum angelasteten Tatzeitraum als auch zur Konkretisierung des Tatortes auf den „Wohnbereich“ des in Rede stehenden Alpgebäudes detaillierte und unmissverständliche Feststellungen getroffen. Die von der Revision diesbezüglich ohne nähere Begründung in den Raum gestellte Unverständlichkeit ist daher nicht ersichtlich.

14       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 2022

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021040116.L00

Im RIS seit

25.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten