TE OGH 2022/2/16 13Os6/22i

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Veröffentlicht am 16.02.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Jäger, BA, in der Auslieferungssache des * G* zur Strafverfolgung an die Russische Föderation, AZ 11 HR 201/20s des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde sowie den Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens AZ 23 Bs 286/21h des Oberlandesgerichts Wien und seinen damit verbundenen Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde und die Anträge werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1]            Mit Beschluss vom 15. Jänner 2021 erklärte die Einzelrichterin des Landesgerichts St. Pölten die Auslieferung des russischen Staatsangehörigen * G* an die Russische Föderation zur Strafverfolgung wegen der im Auslieferungsersuchen vom 16. November 2020 beschriebenen Tatvorwürfe für zulässig (ON 19).

[2]            Der dagegen erhobenen Beschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 20. April 2020, AZ 22 Bs 64/21d, nicht Folge (ON 29).

[3]            Dem – eine Verletzung der Art 3 und 6 MRK geltend machenden – Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 14. Juli 2021, AZ 13 Os 57/21p, 13 Os 58/21k, als unzulässig zurück (ON 34).

[4]            Am 15. August 2021 beantragte der Betroffene die Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens (ON 36).

[5]            Diesen Antrag wies der Einzelrichter des Landesgerichts St. Pölten mit Beschluss vom 28. August 2021 ab (ON 40). Der dagegen gerichteten Beschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 13. Dezember 2021, AZ 23 Bs 286/21h, nicht Folge (ON 43).

Rechtliche Beurteilung

[6]            Dagegen richten sich die Grundrechtsbeschwerde „wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit (§ 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 GRBG iVm § 33 Abs 2 und 3 ARHG)“ und der Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des „Auslieferungsverfahrens (bzw. Strafverfahren)“, mit welchem eine Verletzung der Art 3, 6 und 8 MRK geltend gemacht wird.

Zur Grundrechtsbeschwerde:

[7]            Die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Wien befasst sich ausschließlich mit der Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens, womit deren Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz nicht zulässig ist (§ 1 Abs 1 GRBG, RIS-Justiz RS0116089, Kier in WK² GRBG § 1 Rz 7).

Zum Antrag auf Erneuerung des Auslieferungsverfahrens (bzw. Strafverfahrens):

[8]       Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737 und RS0128394).

[9]            Nach Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK befasst sich der Gerichtshof nicht mit einer Beschwerde, die im Wesentlichen mit einer von ihm bereits geprüften Beschwerde übereinstimmt und keine neuen Tatsachen enthält (vgl RIS-Justiz RS0122737 [insb T11, T37 und T42] und RS0127430; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 47).

[10]           Soweit der Erneuerungswerber zu den von ihm behaupteten Verletzungen des Art 3 und 6 MRK lediglich sein vom Obersten Gerichtshof bereits zu 13 Os 57/21p, 13 Os 58/21k, geprüftes Vorbringen wiederholt, steht einer nochmaligen Anrufung des Höchstgerichts (ohne vorangegangenes Urteil des EGMR) schon die zuvor genannte Zulässigkeitsbeschränkung entgegen.

[11]           Zur angeblichen Verletzung des Art 6 MRK verkennt der Erneuerungsantrag im Übrigen den nicht in der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung, sondern in der Frage des Vorliegens von Gründen für eine Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens nach § 39 ARHG bestehenden Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Verfahren über außerordentliche Rechtsbehelfe, die lediglich auf die Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren gerichtet und ihrer Natur sowie Reichweite nach nicht als gewöhnliche Rechtsmittel anzusehen sind, fallen nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 MRK (14 Os 90/18v, RIS-Justiz RS0105689, RS0120762 und RS0131773).

[12]           Die im Erneuerungsantrag behauptete Verletzung von Art 8 MRK wurde in der Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 28. August 2021 nicht geltend gemacht, der innerstaatliche Instanzenzug somit nicht ausgeschöpft, womit insoweit die Zulässigkeit Voraussetzung des Art 35 Abs 1 MRK nicht erfüllt ist (erneut RIS-Justiz RS0122737).

[13]           Der Antrag auf Erneuerung des Verfahrens war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 1 und 2 StPO).

[14]     Ein Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung ist gesetzlich nicht vorgesehen, aus welchem Grund das darauf bezogene Begehren des Antragstellers ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen war (RIS-Justiz RS0125705 [T3]).

Textnummer

E133934

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00006.22I.0216.000

Im RIS seit

25.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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