Entscheidungsdatum
09.02.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §17Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 19.11.2021, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018), konkret den Antrag auf Akteneinsicht im Bauverfahren zur Zl *** (CC, Errichtung von 20 Schaukästen),
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bauansuchen vom 23.06.1953, beantragte CC die Erteilung der Baubewilligung für die Erstellung von 20 Schauvitrinen im Hof der DD auf Gst **1 (nunmehr Gst **2) KG Y (Adresse 2).
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y vom 10.08.1953, Zl ***, wurde CC die Baubewilligung zur Errichtung von 20 Schaukästen mit Überdachung, angebaut an die Nachbarobjekte der EE und der FF und GG (Bp. **3 KG Y), erteilt. Dem Befund ist unter anderem zu entnehmen, dass eine Vitrinenflucht mit entsprechender Überdachung längs der Nachbarfeuermauern Gegenstand der erteilten Bewilligung war. Dem Bewilligungsbescheid vorausgegangen ist die Kundmachung vom 13.07.1953 sowie eine mündliche Verhandlung, welche am 16.07.1953 stattgefunden hat.
Mit E-Mail vom 20.09.2021, konkretisiert mit E-Mail vom 22.09.2021, begehrte der nunmehrige Beschwerdeführer insbesondere gestützt auf „§ 3 Tiroler Auskunftsgesetz iVm § 33 Tiroler Bauordnung sowie § 8 AVG und § 17 AVG sowie gemäß aller sonstigen erdenklichen Rechtsgrundlagen“ die Akteneinsicht in den „Bauakt Vitrine CC“ (Akt zur Zl ***). Im Wesentlichen zusammengefasst begründete der nunmehrige Beschwerdeführer seinen Antrag damit, dass die angeforderten Unterlagen aus dem Bauakt eine anstehende Sanierung der Fassade betreffen würden und auch im Zusammenhang mit der baubescheidpflichtigen Vitrine des unmittelbaren Grundstücksnachbarn an seiner Fassade stünden. Er habe als Nachbar „Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und somit insbesondere ein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG“. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass das Recht auf Auskunftserteilung nach dem Tiroler Auskunftsgesetz jedenfalls auch dann bestehe, wenn im bezughabenden Bauverfahren bereits ein rechtskräftiger Baubescheid vorliege.
Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 19.11.2021, Zl ***, wurde das Ansuchen auf Akteneinsicht des nunmehrigen Beschwerdeführers mangels Parteistellung im Baugenehmigungsverfahren zur Zl ***, gemäß § 17 Abs 1 AVG 1991, BGBl Nr 51/1991 idgF iVm § 62 Abs 1 Tiroler Bauordnung, LGBl 28/2018 idgF abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 29.11.2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 27.12.2021 hat der Beschwerdeführer als jetziger Eigentümer der Liegenschaften Adresse 3 und Adresse 2 in **** Y, Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben.
Mit Schreiben vom 11.01.2022, Zl ***, beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingelangt am 19.01.2022, hat die belangte Behörde den Gegenstandsakt mit Ersuchen um Entscheidung dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Bauakt der Stadtgemeinde Y zur Zl *** aus dem Jahre 1953 betreffend das Bauansuchen von CC. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen (vgl dazu Vfslg 17.063/2003; VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066).
II. Sachverhalt:
Die Kundmachung der belangten Behörde vom 13.07.1953 betreffend das Bauvorhaben von CC und die für 16.07.1953 anberaumte Bauverhandlung wurde einerseits durch Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y kundgemacht und andererseits wurden die im Bauansuchen vom 23.06.1953 angeführten „Anrainer“, konkret die Landwirtschaftliche Bezirksgenossenschaft, die DD und die Gebrüder FF und GG über die Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung verständigt. Die Zustellung erfolgte jeweils mittels Zustellschein, seitens sämtlicher Grundeigentümer, auch durch FF und GG wurde der Erhalt der Kundmachung jeweils am 14.07.1953 bestätigt.
Der Verhandlungsschrift vom 16.07.1953, Zl ***, ist zu entnehmen, dass GG nicht an der Verhandlung teilgenommen hat, eine schriftliche Stellungnahme ist im Akt nicht enthalten. Betreffend FF ergibt sich aus der Verhandlungsschrift, dass sich dieser „vor Abfassung der Niederschrift mit dem Bemerken entfernt, dass er gegen dieses Bauvorhaben keine Einwände erhebt“. Festgehalten wurde jedoch, dass FF verlangte, dass die Feuermauer zur Gänze auf Kosten des Bauwerbers verputzt wird. Der Bauwerber erklärte sich damit einverstanden.
Der Bescheid vom 10.08.1953, Zl ***, wurde dem Bauwerber, der EE, den Gebrüdern FF und GG sowie der Bezirkshauptmannschaft Y, gemäß Zustellverfügung übermittelt. FF hat den Erhalt am 14.08.1953 nachweislich bestätigt, von GG liegt kein Nachweis über die Zustellung vor. In weiterer Folge wurde von keinem der ehemaligen Grundeigentümer ein Rechtsmittel erhoben.
Der Beschwerdeführer ist nunmehriger Eigentümer der Grundstücke Nr **4, KG Y (Adresse 3) und Nr **5, (Adresse 2), welches unmittelbar an den Bauplatz Gst **2 (Adresse 4), welches sich nach wie vor im Besitz der Familie CC befindet, anschließt.
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen in unzweifelhafter Weise auf den Bauakt der Stadtgemeinde Y zur Zl *** aus dem Jahre 1953, welcher das damalige Bauansuchen des CC betreffend die Errichtung von 20 Schaukästen zum Gegenstand hat.
Die Feststellung der erfolgten Kundmachung der mündlichen Verhandlung an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y ergibt sich aus dem Aktenstand. Die Kundmachung auf der Amtstafel wurde ausdrücklich verfügt und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese tatsächlich nicht erfolgte.
Die Feststellungen, dass die Kundmachung der mündlichen Verhandlung den betroffenen Grundeigentümern nachweislich zugestellt wurde, stützen sich auf die im Akt vorhandenen Zustellnachweise/Rückscheine.
Die Nichtteilnahme des GG an der mündlichen Verhandlung vom 16.07.1953 sowie die Stellungnahme des FF im Rahmen der mündlichen Verhandlung, ergeben sich aus dem entsprechenden Verhandlungsprotokoll. Dabei handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die über den Inhalt vollen Beweis liefert.
Die Zustellung des Bescheides an FF ergibt sich aus dem entsprechenden Rückschein.
Dass in weiterer Folge kein Rechtsmittel gegen den Bescheid vom eingelangt ist, konnte aufgrund des Akteninhaltes des Bauaktes aus dem Jahre 1953 festgestellt werden.
IV. Rechtslage:
1. Tiroler Bauordnung 2018
Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018), LGBl Nr 28/2018, idF LGBl Nr 167/2021, lauten samt Überschriften (auszugsweise) wie folgt:
„§ 33
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e) der Abstandsbestimmungen des § 6,
f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
(5) Nachbarn nach Abs. 2, die Eigentümer eines bereits bebauten, betrieblich genutzten Grundstückes sind, sind weiters berechtigt, die Zulässigkeit jener Immissionen geltend zu machen, die von diesem Grundstück aus rechtmäßig auf den Bauplatz einwirken. Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden.“
„§ 64
Dingliche Wirkung
Rechte und Pflichten, die sich aus Entscheidungen nach diesem Gesetz mit Ausnahme von Entscheidungen in Verwaltungsstrafsachen ergeben, haften auf dem Grundstück und gehen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum oder Baurecht über.“
2. Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950
Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172/1950, im Zeitraum 13.07.1953 (Datum der Kundmachung der mündlichen Verhandlung und der persönlichen Zustellung an die Grundeigentümer) bis zum 10.08.1953 (Datum der Bescheiderlassung) lauteten samt Überschriften wie folgt:
„Beteiligte; Parteien.
§ 8
Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.“
„§ 41
(1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen und wird nach Bedarf überdies noch durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekanntgemacht.
(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.
§ 42
(1) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden.
(2) Im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.
(3) Versäumt derjenige, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden.“
3. Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991
Die maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lautet samt Überschrift wie folgt:
„Akteneinsicht
§ 17
(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
V. Erwägungen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt:
Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl VwGH 27.06.2006, 2006/06/0015; VwGH 20.03.2003, 2001/06/0098; Erkenntnis des verstärkten Senates vom 03.12.1980, Slg.Nr 10.317/A).
Einer Person, gegenüber der infolge Unterlassung von Einwendungen in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren Präklusion eingetreten ist bzw welche die Parteistellung verloren hat, steht kein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf dieses Verfahren zu (Vgl VwGH 17.09.2014, Ra 2014/04/0025; VwGH 24.04.2019, Ra 2018/05/0032).
Im gegenständlichen Verfahren war sohin die entscheidende Rechtsfrage, ob die Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers rechtzeitig taugliche Einwendungen erhoben haben und dadurch die Parteistellung gewahrt wurde oder ob bereits gegenüber den Rechtsvorgängern die Präklusion eingetreten ist, welche der nunmehrige Beschwerdeführer gegen sich gelten lassen muss, was sich wiederum auf dessen Recht zur Akteneinsicht auswirken würde.
Ein Rechtsnachfolger tritt in die von seinem Rechtsvorgänger geschaffene Stellung ein und muss daher die Unterlassung von Einwendungen und Rechtsmitteln durch seinen Rechtsvorgänger sowie eine diesem gegenüber eintretende Präklusion bzw den Verlust der Parteistellung gegen sich gelten lassen (vgl VwGH 27.05.2004, 2003/07/0119; VwGH 17.09.2014, Ra 2014/04/0025; VwGH 24.04.2018, Ra 2018/05/0032; VwGH 27.05.2004, 2003/07/0119). Durch den Eintritt in die vom Rechtsvorgänger geschaffene Stellung geht dessen Präklusion bzw der ihm gegenüber wirksam gewordene Verlust der Parteistellung sohin auf den Rechtsnachfolger über (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 49 zu § 42 AVG).
Auch aus § 64 TBO 2018 ergibt sich entsprechend dem Wortlaut eindeutig, dass Rechte und Pflichten, die sich aus Entscheidungen nach der TBO 2018 – mit Ausnahme von Entscheidungen in Verwaltungsstrafsachen – ergeben, dingliche Wirkung haben und sohin auf den Rechtsnachfolger eines Grundstückes übergehen. Das bedeutet, dass bei einer dinglichen Rechtsnachfolge ein Rechtsnachfolger die Unterlassung von Einwendungen und Rechtsmitteln durch seinen Rechtsvorgänger gegen sich gelten lassen muss (VwGH 18.01.1994, 91/07/0099). Dies gilt auch für den Rechtsnachfolger eines Nachbarn in einem Baubewilligungsverfahren, weil dieser in die Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren eintritt (vgl dazu VwGH vom 12.10.1955, VwSlg Nr 3847/A; VwGH 23.01.2007, 2003/06/0039).
Im Konkreten zu prüfen war daher zunächst, ob die Rechtsvorgänger des nunmehrigen Beschwerdeführers zur mündlichen Bauverhandlung am 16.07.1953 ordnungsgemäß geladen wurden. Gemäß den getroffenen Feststellungen, wurde die Kundmachung zur Bauverhandlung an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y angeschlagen und die Gebrüder FF und GG jeweils persönlich über die mündliche Verhandlung verständigt, letzteres ergibt sich unzweifelhaft aus den entsprechenden Zustellnachweisen.
In der Kundmachung wird auf die Folgen der Nichterhebung von Einwendungen bzw die Präklusionsfolgen hingewiesen. Der entsprechende Hinweis in der Kundmachung vom 13.07.1953 lautet wie folgt:
„Bei dieser Verhandlung sind die nicht schon früher – spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung – bei der Behörde geltend gemachten Einwendungen vorzubringen, widrigenfalls die Beteiligten als der beabsichtigten Unternehmung zustimmend angesehen werden.
[…]
Etwaige Vorbehalte hinsichtlich nachträglicher Erklärungen können gemäß den oben angeführten Bestimmungen, sowie nach § 42 AVG 1950, BGBl Nr 172/1950 nicht berücksichtigt werden.“
Die Rechtsvorgänger des nunmehrigen Beschwerdeführers wurden sohin von der Bauverhandlung auf zweifache Weise informiert, einerseits durch Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y und andererseits durch persönliche Verständigung mittels Zustellschein. Die Verhandlung wurde folglich ordnungsgemäß kundgemacht.
Neben der ordnungsgemäßen Kundmachung war zu prüfen, ob Einwendungen im Zuge der mündlichen Verhandlung erhoben wurden, da die Zustimmungsfiktion des § 42 Abs 1 AVG 1950 auf das Nicht-Erheben von Einwendungen bei der mündlichen Verhandlung abstellt.
GG hat nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und auch nicht bis zum Tag vor Beginn der Verhandlung Einwendungen bei der Behörde eingebracht, er hat sohin seine Parteistellung verloren.
Bezüglich FF ergibt sich die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus der Verhandlungsschrift vom 16.07.1953. Im Zuge der von FF in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Stellungnahme spricht sich dieser nicht gegen das Bauvorhaben aus, vielmehr erklärte FF keine Einwände zu haben.
Die Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers haben bei der mündlichen Verhandlung am 16.07.1953 keine Einwände erhoben, sei es durch das Nicht-Erscheinen des GG zur Verhandlung oder durch die Zustimmung des FF zum Bauvorhaben, sodass die Rechtsfolgen des § 42 Abs 1 AVG 1950, BGBl Nr 172/1950 (Präklusion) eingetreten sind.
Der Bescheid vom 10.08.1953, Zl ***, wurde FF am 14.08.1953 mittels Zustellschein zugestellt. Die Zustellung an GG ist verfügt, ein Zustellnachweis liegt nicht vor. Dies vermag jedoch aufgrund des Verlustes der Parteistellung bereits aufgrund Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung keinen Zustellfehler (im Sinne einer übergangenen Partei) zu begründen.
In weiterer Folge hat weder FF, noch GG Rechtsmittel gegen den vorzitierten Bescheid erhoben.
Im Ergebnis hat sich sohin in rechtlicher Hinsicht ergeben, dass es sich bei dem angefochtenen Baubescheid vom 10.08.1953, Zl ***, gemäß § 64 TBO 2018 um einen Bescheid mit dinglicher Wirkung handelt und der Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger der ehemaligen Nachbarn FF und GG die diesen gegenüber eingetretene Präklusion und die ihm zurechenbare Einverständniserklärung in der mündlichen Bauverhandlung betreffend das Bauvorhaben von CC gegen sich gelten lassen muss. Da die Rechtsvorgänger des nunmehrigen Beschwerdeführers zudem kein Rechtsmittel gegen den Baubescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y vom 10.08.1953, Zl ***, erhoben haben, ist dieser ihnen gegenüber in Rechtskraft erwachsen.
Das von § 17 AVG eingeräumte subjektive Recht auf Akteneinsicht in die Akten eines Verwaltungsverfahrens steht nur den Parteien des Verwaltungsverfahrens, in dessen Akten Einsicht genommen werden soll, zu (vgl VwGH 24.04.2018, Ra 2018/05/0032). Einer Person gegenüber der infolge Unterlassung von Einwendungen in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren Präklusion eingetreten ist, bzw welche die Parteistellung verloren hat, steht kein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf dieses Verfahren zu (vgl VwGH 24.04.2018, Ra 2018/05/0032; VwGH 17.09.2014, Ra 2014/04/0025).
Dementsprechend kommt dem Rechtsnachfolger, der die Präklusion seiner Rechtsvorgänger gegen sich gelten lassen muss, keine Parteistellung und folglich auch kein Recht zur Akteneinsicht zu und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Piccolroaz
(Richter)
Schlagworte
AkteineinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.40.0165.1Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022