TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/9 LVwG-2022/35/0271-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.2022
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Entscheidungsdatum

09.02.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
80/02 Forstrecht

Norm

VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VStG §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Christ aufgrund des Vorlageantrages von Herrn Bürgermeister AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 2, **** Y, über dessen Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.3.2021, Zl ***, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20.5.2021, Zl ***, betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Forstgesetz 1975 und dem TNSchG 2005

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird stattgegeben und der Spruch der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung dahingehend geändert, dass die Spruchpunkte 1. bis 3. durch folgenden Spruchpunkt ersetzt werden:

„Der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 15.03.2021, Zl ***, wird stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das diesbezügliche Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 eingestellt.“

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensablauf:

1. Zum angefochtenen Straferkenntnis vom 15.3.2021, Zl ***:

Der Marktgemeinde Z wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***, die forstrechtliche Bewilligung zur Rodung von insgesamt 21.676 m2 Wald im Bereich der Gst. ** 1 bis ** 2, KG Z, zur Erweiterung des Industriegebietes erteilt. Dies unter Vorschreibung näher bezeichneter Nebenbestimmungen unter Spruchpunkt C/I.

Im Zuge eines Lokalaugenscheines am 23.8.2017 wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass sich die gesamte Rodungsfläche als Schotterfläche darstelle, dass also auf der gesamten Fläche des neuen Industriegebietes und somit auf einer Fläche von ca. 15.600 m2 der Oberboden samt Wurzelstöcken abgeschoben und Materialmanipulationen vorgenommen worden wären. Der überwiegende Anteil des dabei abgeschobenen Materials sei südlich der gewidmeten Fläche im Bereich der Gst. **1 - **3 in Form eines Dammes abgelagert worden, wobei sich dieser Damm zur Gänze im Landschaftsschutzgebiet CC befände.

Nach Durchführung des im angefochtenen Straferkenntnis näher dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer mit diesem in weiterer Folge erlassenen und nunmehr angefochtenen Straferkenntnis Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben es somit als Bürgermeister und sohin als zur Vertretung nach außen berufenes Organ und damit als gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl 52/1991 (WV) idF BGBl I 58/2018 (VStG), für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher der Marktgemeinde Z, Adresse 1, **** Z, zu verantworten, dass

1. zumindest vom 1.7.2017 (Ende der Frist der befristeten Rodung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 4 laut Spruchpunkt C/l (Die befristeten Rodungsflächen sind bis zum 30.6.2017 wieder aufzuforsten. Die Ausgestaltung dieser Aufforstungsflächen hat in Absprache mit dem Gemeindewaldaufseher und der Bezirksforstinspektion X. mit Vogelbeeren, Kirsche, Bergahorn, Birke, Berberitze, Wacholder, Holler, u. ä. zu erfolgen.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da die befristete Rodungsfläche bis zum festgesetzten Termin 30.6.2017 nicht aufgeforstet wurde.

2. zumindest vom Jänner 2015 (Rechtskraft der Rodungsbewilligung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 8 laut Spruchpunkt C/l (Der humose Oberboden ist samt Wurzelstöcken abzuziehen, fachgerecht zwischenzulagern und im Zuge der Rekultivierung der befristeten Rodungsflächen lagerichtig wieder aufzubringen.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. ZL ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da die befristete Rodungsfläche bis zum festgesetzten Termin 30.6.2017 nicht aufgeforstet wurde bzw. keine fachgerechte Zwischenlagerung des humosen Oberbodens erfolgte.

3. zumindest vom Jänner 2015 (Rechtskraft der Rodungsbewilligung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 9 laut Spruchpunkt C/l (Das Ausgraben der Wurzelstöcke hat entsprechend dem Baufortschritt zu erfolgen, d. h. erst im Zuge der Bebauung der jeweiligen Flächen dürfen diese entfernt werden.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. Zl ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da auf der gesamten Fläche des bewilligten Industriegebietes der Oberboden abgeschoben wurde und sich nunmehr als reine Schotterfläche darstellt, obwohl noch nicht auf der gesamten Fläche mit den Bauarbeiten für die Errichtung der Betriebe begonnen wurde.

4. zumindest vom Jänner 2015 (Rechtskraft der Rodungsbewilligung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 14 laut Spruchpunkt C/l (Entlang der talauswärtigen Rodungsgrenze im Bereich des Gst. ** 1 ist ein Zaun zu errichten und dauerhaft zu erhalten.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da kein diesbezüglicher Zaun errichtet wurde.

5. zumindest vom Jänner 2015 (Rechtskraft der Rodungsbewilligung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 15 laut Spruchpunkt C/l (Der Wander- und Radweg vom W aus kommend ist im Bereich des Gst. ** 1 entlang des DD-Baches zu führen und in den neu zu errichtenden Forstweg einzubinden.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da dieser Weg nicht errichtet wurde.

6. zumindest vom Jänner 2015 (Rechtskraft der Rodungsbewilligung) bis zum 23.8.2017 (Tag der Feststellung) die Nebenbestimmung 16 laut Spruchpunkt C/l (Im Bereich des DD-Baches ist ein Schutzstreifen (wie im Plan dargestellt - Laubhölzer) zu belassen. Ebenso sind auf der talseitigen Böschung des neu zu errichtenden Forstweges Laubgehölze zu pflanzen (siehe auch Punkt 4).) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl. ***, hinsichtlich der erteilten Rodungsbewilligung für die Gst. ** 1 bis ** 2 KG. Z nicht eingehalten bzw. erfüllt wurde, da in diesem Bereich keine Laubhölzer gepflanzt wurden.

7. zumindest zwischen 25.8.2016 (Stand Luftbild TIRIS) und 23.8.2017 (Tag der Feststellung) auf den Gst. ** 1 bis **3 (nunmehr **4, **5 und **6) sowie **7 KG. Z auf einer Fläche von ca. 15.600 m2 (laut Rodungsbescheid), welche sich außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 befindet, Geländeabtragungen in einem Ausmaß von mehr als 5.000 m2 berührter Fläche vorgenommen wurde, ohne dass eine dafür erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung gemäß § 6 lit. h Tiroler Naturschutzgesetz 2005 vorlag.

8. zumindest zwischen 25.8.2016 (Stand Luftbild TIRIS) und 23.8.2017 (Tag der Feststellung) auf den Gst. ** 1 bis **3 KG. Z unmittelbar südlich angrenzend an die nunmehrigen Gst. **4, **5 und **6 KG. Z auf einer Fläche von ca. 2.000 m2, welche sich außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 sowie im Landschaftsschutzgebiet CC befindet, eine Geländeaufschüttung in Form eines Dammes (Dammhöhe bis zu ca. 4 m, Dammkrone ca. 3 - 4 m) vorgenommen wurde, ohne dass eine dafür erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung gemäß § 2 (1) lit. d der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet CC, LGBl. Nr. 28/2015, vorlag.

Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 (1) Verwaltungsstrafgesetz 1991 i.V.m.

1. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 4 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

2. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 8 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

3. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 9 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

4. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 14 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

5. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 15 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

6. § 174 (1) lit. a Zi. 7 Forstgesetz 1975 iVm Spruchpunkt C/l, Nebenbestimmung 16 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.12.2014, Zl ***

7. § 6 lit. h i.V.m. § 45 (1) lit. a Tiroler Naturschutzgesetz 2005

8. § 2 (1) lit. d der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet CC, LGBl. Nr. 28/2015, i.V.m. § 45 (1) lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 2005

begangen.

Gemäß § 9 (1) Verwaltungsstrafgesetz 1991 i.V.m.

1. § 174 (1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

2. § 174 (1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

3. § 174 (1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

4. § 174(1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

5. § 174 (1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

6. § 174 (1) letzter Satz Zi. 1 Forstgesetz 1975

7. § 45 (1) letzter Satz Tiroler Naturschutzgesetz 2005

8. § 45 (1) letzter Satz Tiroler Naturschutzgesetz 2005

wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von

1. € 300,--

2.€ 300,--

3. € 200,--

4. 100,--

5. € 100,--

6. 100,--

7. € 900,--

8. € 1.200,--

verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von

1. 27 Stunden

2. 27 Stunden

3. 18 Stunden

4. 9 Stunden

5. 9 Stunden

6. 9 Stunden

7. 10 Stunden

8. 13 Stunden.

Gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens insgesamt € 320,- zu bezahlen.“

Laut dem im Akt beiliegenden Rückschein wurde der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 22.3.2021 zugestellt.

2. Beschwerde:

Gegen das unter Z 1 genannte Straferkenntnis erhob Herr Bürgermeister AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Beschwerde, welche am 16.4.2021 per Email an die belangte Behörde übermittelt wurde.

3. Beschwerdevorentscheidung:

Aufgrund der oben genannten Beschwerde erließ die belangte Behörde eine mit 20.5.2021 datierte Beschwerdevorentscheidung zu Zl***, welche Herrn AA am 31.5.2021 zugestellt wurde.

Die Bezirkshauptmannschaft Y entschied mit dieser Beschwerdevorentscheidung „über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 2, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.03.2021, Zl. ***, gemäß § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 119/2020, wie folgt:

1. Der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 15.03.2021, Zl. ***, in den Punkten 1. bis einschließlich 6. (Übertretungen nach dem Forstgesetz 1975) wird stattgegeben, das Straferkenntnis gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 diesbezüglich behoben und das Strafverfahren diesbezüglich eingestellt.

2. Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 15.03.2021, Zl. ***, in den Punkten 7. und 8. (Übertretungen nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005) wird als unbegründet abgewiesen.

3. Der zu zahlende Beitrag zu den Kosten des Verfahrens wird gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetzes 1991 mit € 210,- neu bestimmt.“

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus:

„Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt (§ 31 Abs. 1 VStG).

Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;

3. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (§ 31 Abs. 2 VStG).

Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union;

2. Zeiten, in denen die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war;

3. Zeiten, in denen sich der Bestrafte im Ausland aufgehalten hat (§ 31 Abs. 3 VStG).

Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen (§ 45 Abs 1 Z 2 VStG 1991).

In Bezug auf die Übertretungen 1. bis einschließlich 6. ist nach behördlicher Auffassung Strafbarkeitsverjährung eingetreten, da mit der Aufforderung zur Rechtfertigung der vorgeworfenen Tatzeitraum eingeschränkt wurde. Das angefochtene Straferkenntnis erging außerhalb der 3-jährige Frist der Strafbarkeitsverjährung.

In Bezug auf die Übertretungen 7. und 8. ist hingegen nach behördlicher Auffassung die Strafbarkeitsverjährung nicht eingetreten, da mit der Aufforderung zur Rechtfertigung kein Tatzeitraum genannt wurde, sondern lediglich ein Tatzeitpunkt durch die Festlegung eines Zeitraumes näher konkretisiert wurde. Diese beiden Übertretungen stellen Dauerdelikte dar, deren Verjährungsfrist erst von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Im vorliegenden Fall endete das strafbare Verhalten erst mit Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung mit Bescheid vom 09.01.2019, Zl. ***, bzw. mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10.05.2019, Zl. LVwG-2019/41/0256-6. Ab diesem Zeitpunkt begann die 3-jährige Frist der Strafbarkeitsverjährung zu laufen. Das angefochtene Straferkenntnis erging innerhalb dieser Frist. Im Übrigen erwies sich die Beschwerde als unbegründet.

Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens war aufgrund der Behebung des Straferkenntnisses (betreffend die Übertretungen 1. bis einschließlich 6.) neu zu bestimmen.“

4. Vorlageantrag:

Mit Schreiben vom 14.6.2021 beantragte Herr Bürgermeister AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, seine in der gegenständlichen Angelegenheit erstattete Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht vorzulegen.

Begründend führte Herr AA wie folgt aus:

„Es wird auf die Ausführungen in der Bescheidbeschwerde vom 16.04.2021 verwiesen und ergänzend ausgeführt wie folgt:

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde wurde der Tatzeitraum sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19/03/2018 als auch im Straferkenntnis vom 15.03.2021, GZI. Zl *** für sämtliche inkriminierten Verstöße mit 23/08/2017 beschränkt. Die Strafbarkeitsverjährung ist - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom 20.05.2021 - sohin auch für die Verwaltungsübertretung in Pkt 7 und 8 eingetreten.“

II. Rechtliche Erwägungen:

1. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol:

Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol, in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, gründet in der Bestimmung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, wonach über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Verwaltungsgerichte erkennen.

Das Landesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Angelegenheit gem Art 131 Abs 1 B-VG zuständig, zumal sich aus den Abs 2 und 3 dieser Bestimmung keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes ergibt.

2. Zur Zulässigkeit des vorliegenden Vorlageantrags und der vorliegenden Beschwerde:

Die Beschwerde wurde innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist nach § 7 Abs 4 VwGVG eingebracht und ist insofern rechtzeitig.

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die vorliegende Beschwerde auch zulässig.

Da der Beschwerdeführer AA zudem gemäß § 15 Abs 1 VwGVG binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde einen Vorlageantrag gestellt hat, wurde die Beschwerde zu Recht dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

3. Zur Sache:

Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 15 VwGVG lautet wie folgt:

„Vorlageantrag

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.“

Nach § 15 Abs 1 VwGVG stellt eine Beschwerdevorentscheidung grundsätzlich eine neue Sachentscheidung dar, die gegenüber allen Parteien zu ergehen hat und die den mit Beschwerde angefochtenen Bescheid zur Gänze ersetzt. Nach § 15 Abs 1 VwGVG besteht nur dann im Vorlageantrag die Verpflichtung, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und ein Begehren zu nennen, wenn der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird. Im Fall eines vom Beschwerdeführer gestellten Vorlageantrages kann dieser zwar begründet werden, in der Beschwerde noch nicht bezeichnete Gründe können allerdings nicht mehr wirksam geltend gemacht werden (vgl etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 770).

In Rz 762 führen Kolonovits/Muzak/Stöger weiter etwa Folgendes zur Beschwerdevorentscheidung aus: „Bei Erlassung der Beschwerdevorentscheidung ist die belangte Behörde betreffend den Prüfungsumfang – sinngemäß wie das VwG (siehe Rz 727) – an die Beschwerde gebunden (§ 14 Abs 1 iVm § 27 VwGVG). Wenn die Verwaltungsbehörde diese Grenze überschreitet, liegt eine Unzuständigkeit der belangten Behörde vor, die das VwG von Amts wegen aufzugreifen hat (§ 27 VwGVG).“

Die belangte Behörde war im vorliegenden Fall für die Erlassung der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung zuständig und hat dabei auch innerhalb des ihr zustehenden und durch die Beschwerde abgesteckten Prüfungsumfangs entschieden.

Zu prüfen vom Landesverwaltungsgericht war nun allerdings, ob die belangte Behörde auch in rechtmäßiger Weise entschieden hat, wobei hinsichtlich dieser Prüfung Folgendes vorauszuschicken ist:

Nach Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 770 und 774 mwH, ist Gegenstand des Verfahrens nach einem Vorlageantrag die Beschwerdevorentscheidung und nicht der ursprüngliche Bescheid. Auch nach Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren² [2018] Anm 7 und 9 zu § 15 VwGVG, tritt die Beschwerdevorentscheidung grundsätzlich (außer in den Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde) an die Stelle des Ausgangsbescheids. Den Materialien sei zu entnehmen, dass die Beschwerdevorentscheidung den Beschwerdegegenstand im Verfahren vor dem VwG bildet (s auch VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026 und 4.3.2016, Ra 2015/08/0185, wonach die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert; aber auch VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, wonach eine Beschwerdevorentscheidung an die Stelle des Ausgangsbescheids tritt und mit diesem zu einer Einheit verschmilzt). Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden könne nur die an die Stelle des Ausgangsbescheids getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026; 14.9.2016, Ra 2015/08/0145). In diesem Sinne spreche der VwGH davon, dass „Gegenstand der Prüfung“ auf eine Verletzung des Vorlageantragstellers nicht der ursprüngliche Bescheid, sondern die Beschwerdevorentscheidung sei (vgl VwGH 25.10.2017, Ro 2017/12/0014).

Auch in seinem Erkenntnis vom 17.12.2015 zu Ro 2015/08/0026 hat der VwGH ausdrücklich hinsichtlich des Verhältnisses der Beschwerdevorentscheidung zum Ausgangsbescheid bestätigt, dass die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert. Weiters wird darin etwa wie folgt ausgeführt:

„Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid (teilweise) berechtigt, so ist ihr vom Verwaltungsgericht (teilweise) stattzugeben; eine Beschwerdevorentscheidung, die der Beschwerde ebenfalls im gebotenen Umfang stattgegeben hat und den Ausgangsbescheid - im Rahmen des durch die Beschwerde abgesteckten Verfahrensgegenstandes - rechtskonform abgeändert oder behoben hat, ist (im oben genannten Sinn) zu bestätigen, eine rechtswidrige - den Ausgangsbescheid entweder bestätigende oder in rechtswidriger (etwa nicht weit genug gehender) Weise abändernde - Beschwerdevorentscheidung ist ihrerseits abzuändern (das heißt: durch ein rechtmäßiges Erkenntnis zu ersetzen) oder gegebenenfalls - wenn eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen - ersatzlos zu beheben.“

Vor diesem Hintergrund war vom Landesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Spruchpunkte 1. bis 6. des ursprünglichen Straferkenntnisses vom 15.3.2021 nicht mehr zu prüfen, da diese Spruchpunkte zwischenzeitlich durch die nunmehr den Gegenstand der Prüfung bildende Beschwerdevorentscheidung vom 20.5.2021 aufgehoben wurden.

Was die Spruchpunkte 7. und 8. des angefochtenen Straferkenntnisses betrifft, war entsprechend dem Vorbringen im gegenständlichen Vorlageantrag zu prüfen, ob hinsichtlich der dort geahndeten Verwaltungsübertretungen Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist.

Nach § 31 Abs 2 iVm Abs 1 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung, wobei die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt und in dem Zeitpunkt beginnt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Tatzeitraum hinsichtlich der Spruchpunkte 7. und 8. übereinstimmend mit „zumindest zwischen 25.8.2016 (Stand Luftbild TIRIS) und 23.8.2017 (Tag der Feststellung)“ umschrieben.

Das mit 15.3.2021 datierte Straferkenntnis wurde insofern zweifellos mehr als drei Jahre nach dem genannten Tatzeitraum erlassen, da nach § 31 Abs 2 VStG nur folgende Zeiten nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werde:

„1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;

3. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“

Solche Zeiten haben die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall zweifellos nicht verlängert.

Von der belangten Behörde wurde nun der Eintritt der Strafbarkeitsverjährung mit dem Argument verneint, dass mit der Aufforderung zur Rechtfertigung kein Tatzeitraum genannt, sondern lediglich ein Tatzeitpunkt durch die Festlegung eines Zeitraumes näher konkretisiert worden sei. Die Übertretungen laut Spruchpunkt 7. und 8. würden Dauerdelikte darstellen, deren Verjährungsfrist erst von dem Zeitpunkt zu berechnen sei, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Im vorliegenden Fall habe das strafbare Verhalten aber erst mit Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung mit Bescheid vom 9.1.2019, ***, bzw. mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10.5.2019, LVwG-2019/41/0256-6, geendet und sei daher keine Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

Nun regelt zwar § 45 Abs 7 TNSchG 2005 tatsächlich, dass dann, wenn ein Vorhaben ohne naturschutzrechtliche Bewilligung oder entgegen einem Verbot nach diesem Gesetz, einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs 1 genannten Gesetze oder ohne die nach § 16 Abs 1 erster Satz erforderliche Anzeige ausgeführt wurde, das strafbare Verhalten erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes endet, und trifft insofern das Vorbringen der belangten Behörde zu, dass auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen nach Spruchpunkt 7. und 8. Dauerdelikte darstellen und die Strafbarkeitsverjährungsfrist, für deren Beginn nach § 31 Abs 1 und 2 VStG das Aufhören des strafbaren Verhaltens maßgeblich ist, grundsätzlich erst mit Erteilung der nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung zu laufen beginnen würde; allerdings ist im vorliegenden Fall maßgeblich, dass im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ein anderer Tatzeitraum festgelegt wurde. Dem Beschwerdeführer wurden also nicht zwei nach wie vor aufrechte Dauerdelikte vorgeworfen, sondern zwei Verwaltungsübertretungen während eines bestimmten Zeitraumes.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist aber „Sache“ des Berufungsverfahrens im Sinn des § 66 Abs 4 AVG der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, worunter jene Angelegenheit zu verstehen ist, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat (VwGH 15.6.1992, 91/10/0133; 18.1.1999, 98/10/0097, VwSlg 11.237 A/1983, 19.2.2003, 99/08/0146; VfSlg 15.707/1998). Dabei bestimmen sich die Grenzen der Sache, über die die Berufungsbehörde abzusprechen hat, nicht nach der Angelegenheit, die vor der Unterinstanz in Verhandlung war, sondern nach dem Gegenstand, der durch den Spruch des Bescheides entschieden wurde (VwGH 4.9.2003, 2003/21/0082; VfSlg 7240/1973). Die Berufungsbehörde darf somit sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (VwGH 19.5.2004, 2003/18/0081). Im Sinn der genannten Rechtsprechung kann auch für das nunmehr an die Stelle des Berufungsverfahrens tretende Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht nichts anderes gelten und wurde diese Annahme auch bereits durch die VwGH-Erkenntnisse vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049, und vom 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003, bestätigt.

Das Landesverwaltungsgericht musste daher bei der Prüfung des gegenständlichen Straferkenntnisses von der im Spruch näher bezeichneten Tatumschreibung ausgehen und konnte von dieser nicht ohne weiteres abgehen. Laut der zum vormaligen Berufungsverfahren ergangenen Entscheidung des VwGH vom 27.2.1995, 90/10/0092, ist die Berufungsbehörde (auch wenn die zur Individualisierung und Konkretisierung des vorgeworfenen Verhaltens erforderlichen Tatmerkmale im Spruch des Bescheides der ersten Instanz nicht enthalten sind) zwar zu einer - im Gegensatz zur unzulässigen Auswechslung der Tat rechtmäßigen - "Modifizierung der Tatumschreibung" berechtigt; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass jenes konkrete, dem Beschuldigten durch den Strafbescheid der Berufungsbehörde zur Last gelegte Verhalten in konkretisierter Form bereits Gegenstand des Strafverfahrens erster Instanz war.

Im vorliegenden Fall wurde gegenüber dem Beschwerdeführer bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.3.2018 der Verdacht geäußert, dass dieser die in weiterer Folge im Straferkenntnis vom 15.3.2021 unter Spruchpunkt 7. und 8. zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gemäß § 6 lit h iVm § 45 Abs 1 lit a TNSchG 2005 und § 2 Abs 1 lit d der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet CC iVm § 45 Abs 1 lit b TNSchG 2005 begangen hat. Allerdings wurde auch in diesem Zusammenhang bereits als Tatzeitraum „zumindest zwischen 25.8.2016 (Stand Luftbild TIRIS) und 23.8.2017 (Tag der Feststellung)“ genannt. Bei diesem Sachverhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass vom Gegenstand des behördlichen Strafverfahrens auch der Umstand umfasst war, dass die Taten laut Spruchpunkten 7. und 8. des angefochtenen Straferkenntnisses Dauerdelikte sind und auch nach dem Zeitpunkt der Feststellung am 23.8.2017 als weiter geltendes strafbares Verhalten geahndet werden sollten.

In diesem Zusammenhang ist auch § 44a Z 1 VStG zu berücksichtigen, der vorsieht, dass der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach „die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der angeführten Rechtsvorschrift ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und weiters der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein“ (vgl VwGH 12.09.2006, 2004/03/0126; ua).

Die Tatzeitfeststellung ist etwa dann nicht ausreichend, wenn diese nicht ausschließt, dass der Beschwerdeführer wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte (siehe VwGH 15.4.1985, 83/10/0162). Dass eine exakt umschriebene Tatzeit auch für die Beurteilung der Verjährung essentiell ist, hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 22.6.1981, 81/07/0044, ausgesprochen. Insofern wurde etwa vom VwGH eine Zeitangabe „in den letzten Jahren“ im Hinblick auf die Bestimmungen des § 31 VStG über die Verfolgungsverjährung als zu unbestimmt erachtet (VwGH 9.3.1978, 1761/76).

Speziell für den vorliegenden Fall bedeutsam ist folgender, aus VwGH 14.2.2017, Ra 2016/02/0015, abgeleitete Rechtssatz:

„Bei Dauerdelikten sind Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch des Bescheides anzuführen (vgl. E 10. Juli 1998, 97/02/0528); die Verjährungsfrist beginnt von dem Zeitpunkt an zu laufen, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat (vgl. E 29. Juni 1995, 94/07/0181).“

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung ist die Tatzeitumschreibung in den angefochtenen Spruchpunkten 7. und 8. nicht so hinreichend konkret, dass damit auch das strafbare Verhalten vom 23.8.2017 bis zum Zeitpunkt der Erteilung der nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung abgedeckt wäre; die Tatzeitumschreibung lässt diesen Zeitraum vielmehr ausgeklammert und setzt den Beschwerdeführer damit der Gefahr einer Doppelbestrafung aus, weshalb die genannte Tatzeitumschreibung den Vorgaben des § 44a Z 1 VStG nicht entspricht. Durch eine nunmehr vom Landesverwaltungsgericht ausgedehnte Tatzeitumschreibung würden auch die Verteidigungsrechte des Beschuldigten geschmälert und konnte insofern eine solche Spruchänderung nicht vorgenommen werden. Ohne solche Änderung ist aber von einem Beginn der Frist für die Strafbarkeitsverjährung mit dem im Spruch genannten Zeitpunkt 23.8.2017 auszugehen und kann diese Frist nicht erst mit Erteilung der nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung zu laufen begonnen haben.

Insgesamt erweist sich somit das Vorbringen im Vorlageantrag, dass auch hinsichtlich der Spruchpunkte 7. und 8. des angefochtenen Straferkenntnisses Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist, als zutreffend.

Insofern waren aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nach § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 2 VStG gegeben, wonach von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als begründet und war dieser daher stattzugeben und die Spruchpunkte 7. und 8. des angefochtenen Straferkenntnisses spruchgemäß ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren waren nicht in Anschlag zu bringen, da solche nach § 52 Abs 1 VwGVG vom Beschwerdeführer nur zu tragen sind, wenn durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes das angefochtene Straferkenntnis bestätigt wird.

Bei diesem Ergebnis musste auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht näher eingegangen werden.

Die gegenständliche Entscheidung hindert die belangte Behörde nicht an der Strafverfolgung bezüglich angenommener Verwaltungsübertretungen, bei denen aufgrund ihrer Eigenschaft als Dauerdelikt hinsichtlich näher zu konkretisierender Tatzeiträume noch keine Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist.

4. Zum Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Nach § 44 Abs 2 VwGVG entfällt eine Verhandlung dann, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Letzteres ist im vorliegenden Zusammenhang der Fall.

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Frage nach den Voraussetzungen für eine hinreichend konkrete Tatumschreibung im Sinn des § 44a VStG wurde vom Landesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der hierzu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelöst. Im Übrigen kommt der vorliegenden Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sie liegt insbesondere nicht auch im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzlichen Argumenten gestützten Rechtsprechung. Die Entscheidung betrifft keine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder des formellen Rechts (vgl. etwa VwGH 26.9.1991, 91/09/0144 zum vormaligen § 33a VwGG).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Christ

(Richter)

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung,
Vorlageantrag,
Tatzeitumschreibung,
Dauerdelikt,
Strafbarkeitsverjährung,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.35.0271.2

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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