Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1996, Zl. 4.344.927/2-III/13/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Laut Beschwerdevorbringen und dem Inhalt der mit der Beschwerde vorgelegten Bescheidausfertigung wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Afghanistan, der am 28. Juni 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist - vom 29. Juni 1994 auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie für den 11. Bezirk in Wien) am 11. Juli 1994 zugestellt und erwuchs, da ein Rechtsmittel nicht eingebracht wurde, mit Ablauf des 25. Juli 1994 in Rechtskraft.
Mit dem am 4. August 1994 bei der Erstbehörde eingelangten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer, (über Aufforderung durch das Bundesasylamt) genehmigt durch den Jugendwohlfahrtsträger, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung gegen den Bescheid, mit welchem der Asylantrag abgewiesen worden war. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der Beschwerdeführer damit, daß er von der Zustellung dieses erstinstanzlichen Bescheides an den Jugendwohlfahrtsträger keine Kenntnis hatte und daher gehindert war, rechtzeitig ein Rechtsmittel zu ergreifen. Der den Asylantrag abweisende Bescheid sei dem Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, nämlich am 26. Juli 1994, mit dem Bemerken übersandt worden, daß der Jugendwohlfahrtsträger mangels einer Erfolgsaussicht von der Einbringung einer Berufung absehe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. August 1994, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen und der damit verbunden gewesene Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides des Bundesasylamtes, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, an das Amt für Jugend und Familie sei deshalb unwirksam gewesen, weil sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Partei gemäß § 12 IPRG nach dem Personalstatut des Antragstellers richte, im vorliegenden Fall somit nach afghanischem Recht.
Abgesehen davon, daß bei Zutreffen dieser Behauptung dem Wiedereinsetzungsantrag schon deshalb kein Erfolg zukäme, weil diesfalls die Berufungsfrist gar nicht versäumt worden wäre, ist für die Beurteilung der Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in einem Verwaltungsverfahren die Bestimmung des § 9 AVG heranzuziehen. Danach hat die Behörde die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Der für die Vertretung von Minderjährigen im Asylverfahren maßgebliche § 13 Asylgesetz 1991 hat folgenden Wortlaut:
"1) Asylwerber, die das 19. Lebensjahr vollendet haben, sind im Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Asylanträge können auch von unbegleiteten Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gestellt werden.
2) IM ÜBRIGEN obliegt die Vertretung von Asylwerbern, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, im Verfahren nach diesem Bundesgesetz dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, soweit ihre Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können."
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können daher Fremde, die zwar das 14., nicht aber das 19. Lebensjahr vollendet haben, nur Asylanträge selbständig stellen. Für alle anderen Verfahrenshandlungen (arg. "im übrigen") bedürfen sie eines (gesetzlichen) Vertreters. Da der Beschwerdeführer im Grunde des § 13 Abs. 1 Asylgesetz 1991 im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, prozeßunfähig war und daher eine Berufung rechtswirksam ausschließlich von seinem gesetzlichen Vertreter - das ist im vorliegenden Fall unbestritten der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger, der gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Interessen des Beschwerdeführers von Amts wegen wahrzunehmen hat - erhoben werden konnte, bedurfte es nicht der (persönlichen) Kenntnisnahme des anzufechtenden Bescheides durch den Beschwerdeführer, um den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbare Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Beschwerdeführer begründete seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, daß er von der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, mit welchem sein Asylantrag abgewiesen worden war, an den Jugendwohlfahrtsträger keine Kenntnis hatte und daher gehindert war, rechtzeitig ein Rechtmittel zu ergreifen.
Dazu wurde bereits ausgeführt, daß eine Zustellung auch an den Beschwerdeführer selbst mangels gesetzlicher Grundlage nicht erforderlich war. Der Lauf der Berufungsfrist wurde somit durch die Zustellung des Bescheides an den Jugendwohlfahrtsträger in Gang gesetzt (vgl. dazu hg. Erkenntis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/20/0212).
Verfahrenshandlungen des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen. Daher ist auch das Verstreichenlassen der Berufungsfrist durch den Jugendwohlfahrtsträger - der nach dem Beschwerdevorbringen die Berufungsfrist im Verwaltungsverfahren bewußt verstreichen ließ, weil er den erstinstanzlichen Bescheid für richtig hielt - dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Da der Beschwerdeführer gar nicht vorbringt, daß der Jugendwohlfahrtsträger an der rechtzeitigen Einbringung einer Berufung gehindert gewesen wäre, fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 647 zitierte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hat somit den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen. Da es bereits an der Tatbestandsvoraussetzung des Vorliegens eines hindernden Ereignisses im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG fehlt, ist auch nicht maßgeblich, ob der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen die Erfolgsaussicht der Berufung richtig beurteilt hatte; auf das Beschwerdevorbringen zur Frage des Verschuldens (des Jugendwohlfahrtsträgers) ist daher nicht einzugehen. Soweit in der Beschwerde schließlich noch geltend gemacht wird, daß das Bundesasylamt nicht "zur Zurückweisung des Antrages" berechtigt gewesen sei, bezieht sich dieses Vorbringen offensichtlich auf die Zurückweisung des mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, weil die Beschwerde in ihrer Sachverhaltsdarstellung in Übereinstimmung mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides davon spricht, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und der damit verbunden gewesene Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen worden sei. Daß das Bundesasylamt mit Bescheid vom 24. August 1994 inhaltlich über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden hat, ergibt sich auch unzweifelhaft aus der im Beschwerdevorbringen selbst wiedergegebenen Begründung für die Abweisung dieses Antrages, der - wie ausgeführt - im Ergebnis zuzustimmen ist. Nicht erkennbar ist, daß der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seines Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in seinen Rechten verletzt wurde.
Da somit nach dem Inhalt der Beschwerde die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit MinderjährigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200400.X00Im RIS seit
20.11.2000