Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/20/0527Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Gritsch, über den Antrag des E, derzeit in M, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines ergänzenden Schriftsatzes gemäß § 34 Abs. 2 VwGG (Zl. 96/20/0443) und wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Justiz in einer Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz
(Zl. 95/20/0527), den Beschluß gefaßt:
Spruch
1. Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Mängel der am 29. August 1995 beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 95/20/0527 eingebrachten Säumnisbeschwerde
(Zl. 96/20/0443) nicht stattgegeben.
2. Das Verfahren über die zu 1. genannte Säumnisbeschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte in einer Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz am 29. August 1995 eine von ihm selbst verfaßte Säumnisbeschwerde gegen den Bundesminister für Justiz verbunden mit dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (insbesondere durch Beigebung eines Rechtsanwaltes) ein. Mit hg. Verfügung vom 20. Dezember 1995 wurde dem Beschwerdeführer nach Prüfung des Verfahrenshilfeantrages und Anforderung von dazu benötigten Unterlagen beim Bundesministerium für Justiz die Verfahrenshilfe durch die Beigebung eines Rechtsanwaltes und die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempel- und Kommissionsgebühren bewilligt. Der zuständige Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Steiermark bestellte für den sich seinerzeit in der Justizanstalt G im Maßnahmenvollzug befindlichen Beschwerdeführer mit Beschluß vom 16. Februar 1996 RA Dr. A in G, als Verfahrenshelfer. Die bereits am 20. Dezember 1995 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilte schriftliche Aufforderung, die eingebrachte Säumnisbeschwerde binnen zwei Wochen dahingehend zu ergänzen, daß der Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiedergegeben (§ 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG), ein bestimmtes Begehren (§ 28 Abs. 1 Z. 6 iVm § 42 Abs. 2 VwGG) gestellt und glaubhaft gemacht werde, daß die in § 27 VwGG bezeichnete Frist abgelaufen ist (§ 28 Abs. 3 VwGG), sowie die Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen (§ 24 Abs. 2 VwGG), wurde nach dem vorliegenden Akteninhalt dem bestellten Verfahrenshelfer frühestens am 27. März 1996 zugestellt. Infolge einer zwischenzeitlichen Verlegung des Beschwerdeführers in die Justizanstalt M wurde RA Dr. A über seinen Antrag mit Beschluß der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 2. April 1996 seines Amtes enthoben, was Dr. A nach Erhalt des Enthebungsbeschlusses dem Verwaltungsgerichtshof mit einem am 10. April 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz mitteilte. Zugleich stellte Dr. A den Antrag, "die Frist zur Behebung der Mängel entsprechend zu erstrecken". Mit Beschluß des nunmehr zuständigen Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien vom 11. April 1996 wurde als Verfahrenshelfer für den Beschwerdeführer Dr. V, Rechtsanwalt in W, bestellt. Mit dem am 15. April 1996 verfaßten, hg. am 18. April 1996 eingelangten Schreiben teilte Dr. V dem Verwaltungsgerichtshof seine Bestellung mit und ersuchte, ihm auf Amtskosten Ablichtungen des Aktes zu übermitteln. Eine Verbesserung innerhalb der gesetzten zwei-wöchigen Frist gemäß dem erteilten Verbesserungsauftrag vom 20. Dezember 1995 erfolgte nicht.
Am 5. Juni 1996 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch den nunmehrigen Verfahrenshelfer Dr. V, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung des aufgetragenen ergänzenden Schriftsatzes zu bewilligen. Mit diesem Antrag verband der Beschwerdeführer den ihm gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgetragenen ergänzenden Schriftsatz. Der Beschwerdeführer begründete den Wiedereinsetzungsantrag damit, daß weder dem Enthebungsbeschluß der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer noch dem Bestellungsbeschluß der Wiener Rechtsanwaltskammer die näheren Umstände und Gründe der Umbestellung sowie ein allfälliger Verfahrensstand habe entnommen werden können. Mangels näherer Informationen habe der Rechtsvertreter die sechswöchige Frist für die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (gerechnet ab Datum der Eingangsstampilie des Umbestellungsbeschlusses) kalendiert sowie zugleich mit Schriftsatz vom 15. April 1996 den Verwaltungsgerichtshof um Übersendung einer Aktenabschrift ersucht. Nachdem ihm in der Kanzlei der Akt am 30. April 1996 (kalendermäßig) wieder vorgelegt worden sei, habe er festgestellt, daß die ersuchte Aktenabschrift nicht eingelangt sei. Aufgrund näher dargelegter Schwierigkeiten bei der Erhebung des Aktenstandes beim Verwaltungsgerichtshof habe der Vertreter des Beschwerdeführers erst am 22. Mai 1996 in Erfahrung bringen können, daß bereits eine Säumnisbeschwerde vorliege und die Verfahrenshilfegewährung mit der Einbringung eines zwei-wöchigen Verbesserungsauftrages bezüglich der vom Beschwerdeführer selbst verfaßten Säumnisbeschwerde verbunden gewesen sei.
Infolge der Schwierigkeiten des Beschwerdeführervertreters zur Erlangung dieses Informationsstandes liege nur ein minderer Grad des Versehens vor, der der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstehe.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0056). Im vorliegenden Fall der Umbestellung eines Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des Umbestellungsbescheides des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer durch diese (hier die Wiener Rechtsanwaltskammer) an den neubestellten Rechtsanwalt neu zu laufen (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0010). Dadurch, daß der gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilte Auftrag zur Einbringung eines Ergänzungsschriftsatzes dem vormaligen Verfahrenshelfer Dr. A frühestens am 27. März 1996 zugestellt wurde, dieser dann innerhalb der zwei-wöchigen Frist zur Vornahme der aufgetragenen Ergänzung mit Beschuß der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 2. April 1996 seines Amtes enthoben worden war, wurde zunächst die Frist zur Einbringung des Ergänzungsauftrages ex lege unterbrochen. Damit bedurfte es der beantragten Fristerstreckung nicht. Die zwei-wöchige Frist zur Einbringung des Ergänzungsschriftsatzes begann vielmehr mit Zustellung des Umbestellungsbeschlusses an den nunmehrigen Verfahrenshelfer Dr. V am 15. April 1996 neu zu laufen und endete mit Ablauf des 29. April 1996.
Im Falle der Nichterfüllung des Verbesserungsauftrages innerhalb der gesetzten Frist begründet das Gesetz die Fiktion der Zurückziehung der Beschwerde und es sieht die Einstellung des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG vor (vgl. dazu die bei Dolp3, S. 523, angeführte Judikatur). Soweit der Beschwerdeführer diese Rechtsfolgeanordnung im Wege des Wiedereinsetzungsantrages mit der Auffassung zu beseitigen sucht, der Beschwerdeführervertreter sei an der Einhaltung der Frist für die Einbringung des aufgetragenen Verbesserungsschriftsatzes an den Verwaltungsgerichtshof lediglich (wenn überhaupt) durch einen minderen Grad des Versehens gehindert gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach seiner eigenen Darstellung hat der Beschwerdeführervertreter nach Erhalt des Umbestellungsbeschlusses ohne Kenntnis des Verfahrensstandes nur ein schriftliches Ersuchen um Zusendung einer Aktenabschrift an den Verwaltungsgerichtshof gesandt und kanzleiintern die Rechtssache auf den 30. April 1996 kalendieren lassen. Damit war zum Zeitpunkt der kanzleiinternen Wiedervorlage des Beschwerde- (Hand-)aktes die zwei-wöchige Frist zur Einbringung des Ergänzungsschriftsatzes bereits abgelaufen, sodaß es auf die geschilderten nachfolgenden Schwierigkeiten bei Erlangung der Information über den Aktenstand beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr ankommt. Im Falle eines Auftrages zur Mängelbehebung im Sinn des § 34 Abs. 2 VwGG obliegt es dem Vertreter des Beschwerdeführers selbst, sich davon zu überzeugen, welche Erledigungen aufgetragen worden sind und ob diesen zur Gänze nachgekommen wurde. Irrtümer und Fehler von Rechtsanwälten ermöglichen dabei dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes unterlaufen sind und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte endschuldbare Fehlleistung darstellen. Im gegenständlichen Fall ist aufgrund des Umstandes, daß der Beschwerdeführervertreter nach seinen eigenen Angaben keine Kenntnis und keinerlei Anhaltspunkte dafür hatte, welche Verfahrensschritte er zu setzen habe, die (kanzleiinterne) kalendermäßige Fristsetzung von mehr als 2 Wochen in Erwartung einer Aktenzusendung und in der Auffassung, es werde voraussichtlich eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde innerhalb der anzunehmenden sechs-wöchigen Beschwerdefrist einzubringen sein, nicht als ein lediglich minderer Grad des Versehens zu werten. Es wäre vielmehr Aufgabe des Beschwerdeführervertreters gewesen, sich sofort Kenntnis über die von ihm vorzunehmenden Verfahrenshandlungen (etwa im hier vorliegenden Fall der Umbestellung auch durch fernmündliche Anfrage beim vormaligen Verfahrenshelfer oder der zuständigen Rechtsanwaltskammer, wenn ihm mit dem Bestellungsbeschluß nicht sämtliche Unterlagen zugekommen sein sollten) zu verschaffen und sich nicht mit einer schriftlichen Anfrage beim Verwaltungsgerichtshof zu begnügen. Im übrigen hat der Verfahrenshelfer die seinerzeit RA Dr. A zur Verbesserung zurückgestellte (ursprüngliche) Beschwerde vom 23. Februar 1995 nunmehr selbst vorgelegt und enthielt auch der ebenfalls vorgelegte hg. Beschluß vom 20. Dezember 1995 über die Bewilligung der Verfahrenshilfe den Hinweis auf einen dem Verfahrenshelfer zugestellten Verbesserungsauftrag gemäß § 34 Abs. 2 VwGG. Die Behauptung im WE-Antrag, eine Kontaktaufnahme des Verfahrenshelfer mit RA Dr. A hätte "keine restlose Klärung" gebracht, ist zu unbestimmt und vor diesem Hintergrund auch nicht nachvollziehbar. Demgemäß war dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben und das Verfahren über die zu Zl. 95/20/0527 eingebrachte (ursprüngliche) Säumnisbeschwerde einzustellen.
Das Verfahren über die am 7. Juni 1996 zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom Beschwerdeführer gegen den Bundesminister für Justiz zur Zl. 96/20/0444 (neu) eingebrachte Säumnisbeschwerde wird durch Einleitung des Vorverfahrens gemäß dem beiliegenden Formular 4 fortgesetzt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200443.X00Im RIS seit
03.04.2001