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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Zurückweisung des Antrags eines Landesverwaltungsgerichts auf Aufhebung der – als Verordnung des Bürgermeisters einer Salzburger Gemeinde bezeichneten – Halte- und Parkverbotsanordnung betreffend die Aufstellung von Straßenverkehrszeichen mangels eigenständigen normativen InhaltsSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg, der Verfassungsgerichtshof möge
"die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 4.5.2000, Zahl 36/640/2000, als gesetzwidrig auf[…]heben;
in eventu Punkt 1. samt Einleitungssatz der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 4.5.2000, Zahl 36/640/2000, als gesetzwidrig auf[…]heben;
in eventu Punkt 1. der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 4.5.2000, Zahl 36/640/2000, als gesetzwidrig auf[…]heben.
Für den Fall, dass der Bürgermeister der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg bzw die Gemeinde St. Georgen bei Salzburg die aufgezeigten Kundmachungsmängel in der Zwischenzeit behoben haben sollte, wird in eventu beantragt festzustellen, dass die Verordnung vom 4.5.2000, in eventu Punkt 1. samt Einleitungssatz der Verordnung vom 4.5.2000, in eventu Punkt 1. der Verordnung vom 4.5.2000, je Zahl 36/640/2000, gesetzwidrig war."
II. Rechtslage
1. Die angefochtene "Verordnung" des Bürgermeisters der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 4. Mai 2000, Z36/640/2000, lautet (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Verordnung
Gemäß §§20 Abs2a, 43 Abs1 litb und 94 Ziffer 1 StVO 1960 wird die Aufstellung folgender Straßenverkehrszeichen Gemeindestraßen angeordnet:
1. Halten und Parken verboten (§52/13 b StVO 1960) für die Gemeindestraße in Vollern beginnend 8,5 m nach der Einfahrt von der L-205 bis 10,0 m vor dem Geräteschuppen 'Kaiser' sowie Ende von Verboten oder Beschränkungen;
entsprechend der Gemeindevertretungssitzung am 30.04.1996, TOP 10
2. Die Verordnung tritt mit der Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen in Kraft.
Der Bürgermeister: […]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, idF BGBl I 42/2018 lauten:
"§20. Fahrgeschwindigkeit.
(1) […]
(2) Sofern die Behörde nicht gemäß §43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker […] im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
(2a) Die Behörde kann, abgesehen von den in §43 geregelten Fällen, durch Verordnung für ein gesamtes Ortsgebiet eine geringere als die nach Abs2 zulässige Höchstgeschwindigkeit festlegen, sofern dies auf Grund der örtlichen oder verkehrsmäßigen Gegebenheiten nach dem Stand der Wissenschaft zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe und zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen geeignet erscheint. Sofern dadurch der beabsichtigte Zweck der Verordnung nicht gefährdet wird, sind einzelne Straßen, Straßenabschnitte oder Straßenarten vom Geltungsbereich der Verordnung auszunehmen.
(3) – (4) […]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) – d) […]
(1a) – (11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […] Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) – (5) […]
§48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen.
(1) – (1a) […]
(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. […]
(3) – (6) […]
§51. Allgemeines über Vorschriftszeichen.
(1) Die Vorschriftszeichen sind vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen. Gilt die Vorschrift für eine längere Straßenstrecke, so ist das Ende der Strecke durch ein gleiches Zeichen, unter dem eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'ENDE' anzubringen ist, kenntlich zu machen, sofern sich aus den Bestimmungen des §52 nichts anderes ergibt. […]
(2) – (5) […]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1. – 12. […]
13a. 'PARKEN VERBOTEN'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.
Folgende unter dem Zeichen angebrachte Zusatztafeln zeigen an:
a) Eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Stunden, dass das Verbot während der angegebenen Stunden gilt;
b) eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Tage, dass das Verbot an den angegebenen Tagen gilt; […]
c) eine Zusatztafel mit Pfeilen den Verlauf des Straßenabschnittes, in dem das Verbot gilt; solche Pfeile können statt auf einer Zusatztafel auch im Zeichen selbst angebracht werden, sind dort aber in weißer Farbe auszuführen. Wenn der Geltungsbereich des Verbotes auf diese Weise unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden kann, so genügt ein Vorschriftszeichen.
Die Anbringung weiterer Angaben auf den unter lita bis c angeführten Zusatztafeln sowie die Anbringung von Zusatztafeln mit anderen Angaben ist unbeschadet des §51 Abs3 zulässig.
13b. 'HALTEN UND PARKEN VERBOTEN'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.
[…]
13c. – 25b. […]
§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
1. die Erlassung von Verordnungen nach §20 Abs2a,
1a. – 3a. […]
4. die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen
a) Beschränkungen für das Halten und Parken,
b) – d) […]
erlassen werden,
4a. – 20. […]"
3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Salzburger Gemeindeordnung 1994 –GdO 1994 (im Folgenden: Sbg GdO 1994), LGBl 107/1994 (WV), idF LGBl 8/2000 lauten:
"Allgemeines
§18
(1) Organe der Gemeinde sind unbeschadet der in anderen Gesetzen vorgesehenen jedenfalls:
a) der Gemeinderat, welcher die Bezeichnung 'Gemeindevertretung' führt;
b) […]
c) der Bürgermeister
d) […]
(2) […]
(3) Die Befugnisse und Aufgaben der Gemeindeorgane ergeben sich aus diesem Gesetz und den anderen Verwaltungsvorschriften.
Gemeinderat
§19
(1) Der Gemeinderat (Gemeindevertretung) fasst in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die nicht ausdrücklich durch Gesetz dem Bürgermeister (der Gemeindevorstehung) zugewiesen sind, die erforderlichen Beschlüsse und überwacht die Geschäftsführung in allen Zweigen der Gemeindeverwaltung.
(2) – (4) […]
Zuständigkeit des Bürgermeisters
§40
(1) Dem Bürgermeister obliegt insbesondere
a) im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde die Besorgung der behördlichen Aufgaben in erster Instanz, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist, sowie die ihm durch Gesetz ausdrücklich zugewiesenen sonstigen Aufgaben;
b) die Besorgung aller Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde;
c) – e) […]
(2) […]
(3) Die Gemeindevertretung kann einzelne in ihre Zuständigkeit fallende Angelegenheiten der örtlichen Straßenpolizei durch Verordnung dem Bürgermeister übertragen, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit notwendig erscheint.
Durchführung der Beschlüsse der Gemeindevertretung
§41
(1) Der Bürgermeister hat die gesetzmäßig gefaßten Beschlüsse der Gemeindevertretung […] durchzuführen […]. […]
(2) – (3) […]
Allgemein verbindliche Verwaltungsakte
§79
(1) Anordnungen der Organe der Gemeinde, die die Allgemeinheit oder einen nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personenkreis betreffen, insbesondere auch […] die Übertragung von Angelegenheiten auf den Bürgermeister gemäß §40 Abs3, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der ortsüblichen Kundmachung. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. […]
(2) Anordnungen (Verordnungen), deren Umfang oder Art als ortsübliche Kundmachung den Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde nicht zuläßt, können im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufgelegt werden. Die Auflegung ist nach Abs1 kundzumachen.
(3) – (5) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Beim Landesverwaltungsgericht Salzburg ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 20. April 2020 anhängig, mit dem gegen den Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Verwaltungsgericht gemäß §99 Abs3 StVO 1960 eine Geldstrafe von € 50,– (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt wurde, weil er am 4. Dezember 2019 um 11.29 Uhr in St. Georgen bei Salzburg, Vollerer Straße neben Objekt Nr 7 auf der Waldseite, entgegen §24 Abs1 lita StVO 1960 als Lenker mit einem seinem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" gehalten habe.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg nach Art139 Abs1 Z1 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof "möge die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 4.5.2000, Zahl 36/640/2000, als gesetzwidrig auf[…]heben", sowie die unter Punkt I. angeführten Eventualanträge.
2.1. Das Verwaltungsgericht führt zunächst aus, die "Verordnung" sei präjudiziell,
"weil sie Grundlage für die Bestrafung entsprechend dem angefochtenen Straferkenntnis vom 20.4.2020 ist, das nunmehr mittels Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Salzburg angefochten worden ist und Gegenstand des beim Verwaltungsgericht [anhängigen] Beschwerdeverfahrens ist."
2.2. Der Antrag führt in der Folge aus, dass die Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg in ihrer Sitzung am 30. April 1996 laut Sitzungsprotokoll (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
"'die Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes einstimmig' beschlossen [habe]".
2.3. Seine Bedenken zur mangelnden Bestimmtheit und zur nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der "Verordnung" sowie zur fehlenden Zuständigkeit des Bürgermeisters legt das Verwaltungsgericht wie folgt dar (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"1. […]
Der von der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vorgelegte Verordnungsakt enthält keine Unterlagen über Ortsaugenscheine betreffend die Parksituation im Bereich der Vollerer Straße. Auch finden sich im Verordnungsakt weder Hinweise auf die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens noch Anhaltspunkte dafür, dass eine Abwägung des Interesses an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an einer ungehinderten Benützung der Straße vor Verordnungserlassung vorgenommen wurde. Weder wurde die Erforderlichkeit der durch die Verordnung bewirkten Verkehrsbeschränkung in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren im Sinne des §43 StVO 1960 festgestellt noch wurden die beabsichtigten Auswirkungen der Verordnung festgehalten. Es wurde lediglich nach Vorliegen von Bedenken von Anrainern und nach Vorliegen eines Amtsberichtes des Amtsleiters, wonach offenkundig bereits Schneeräumfahrzeuge und der Milchtankwagen Probleme bei der Durchfahrt der neuen Siedlung in Vollern gehabt hätten, in der Gemeindevertretungssitzung vom 30.4.1996 über das Halte- und Parkverbot diskutiert. Anhaltspunkte über die Feststellung der Erforderlichkeit der durch das Halte- und Parkverbot bewirkten Verkehrsbeschränkung in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und Anhaltspunkte für die Durchführung einer ausreichenden Interessensabwägung liegen jedoch nicht vor, sodass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Verordnung vom 4.5.2000, jedenfalls aber ihr Punkt 1., allenfalls samt Einleitungssatz, gesetzwidrig ist.
2.1. In der Verordnung vom 4.5.2000 wird nicht angeordnet, auf welcher Straßenseite das Halte- und Parkverbot gelten soll. Angeordnet wird das Halte- und Parkverbot für die Gemeindestraße in Vollern 'beginnend 8,5 m nach der Einfahrt von der L-205 bis 10,0 m vor dem Geräteschuppen 'Kaiser' sowie Ende von Verboten oder Beschränkungen'.
[…]
2.2. […]
Angesichts des Umstandes, dass die Verordnung vom 4.5.2000 offenlässt, auf welche Straßenseite sich das Halte- und Parkverbot bezieht, ist sie nicht ausreichend bestimmt, da nicht nachvollzogen werden kann, für welche Straßenseite das Halte- und Parkverbot angeordnet sein soll und wo — auf welcher Straßenseite — die Verkehrszeichen nach §52 lita Z13b StVO 1960 aufzustellen sind. Für den Normunterworfenen ist es anhand der Verordnung gerade nicht erkennbar, für welche Straßenseite der Vollerer Straße das Halte- und Parkverbot gelten soll.
2.3. Wenn man aber die Ansicht vertritt, im Hinblick auf §48 Abs2 iVm §52 lita Z13b StVO 1960 wären die Verkehrszeichen bei Fehlen einer Angabe der Straßenseite in einer Verordnung nach §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 auf der rechten Straßenseite anzubringen, sodass sich das Halte- und Parkverbot (beginnend von der L 205 bis zum Geräteschuppen 'Kaiser') auf die Nordseite der Vollerer Straße zu beziehen hat, so ist davon auszugehen, dass die Verordnung durch die Anbringung der Verkehrszeichen auf der Südseite ('Waldseite') der Vollerer Straße nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden ist.
Wird der räumliche Geltungsbereich der Verordnung dadurch definiert, dass er auf der Gemeindestraße in Vollern 8,5 m nach der Einfahrt von der L 205 beginnt und bis 10 m vor den Geräteschuppen 'Kaiser' reicht und mangelt es wie vorliegend an einer Anordnung, für welche Straßenseite das Halte- und Parkverbot gilt, so ist — wenn man nicht von einer mangelnden Determinierung des örtlichen Geltungsbereiches der Verordnung ausginge (siehe oben Punkt 2.2.) — jedenfalls festzuhalten, dass das Halte- und Parkverbot, von der L 205 zum Geräteschuppen 'Kaiser' betrachtet, für die rechte Straßenseite (Nordseite) angeordnet ist (dies eben im Sinne der §§48 Abs2, §52 lita Z13b StVO 1960). Tatsächlich wurden die Verkehrszeichen aber auf der Südseite der Vollerer Straße aufgestellt, sodass — wie dargestellt — die Kundmachung unter Berücksichtigung der §§48 Abs2, §52 lita Z13b StVO 1960 nicht der Verordnung bzw dem Gesetz entspricht.
3. In Punkt 1. der Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich das Halte- und Parkverbot auf die Gemeindevertretungssitzung vom 30.4.1996, [TOP] 10, gründet. In der Sitzung vom 30.4.1996 hat die Gemeindevertretung 'die Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes einstimmig' beschlossen.
[…]
Der Text der erlassenen Verordnung in der auch an der Amtstafel angeschlagenen Fassung entspricht dem Verordnungsbeschluss vom 30.4.1996 nicht: einerseits ist in der Verordnung vom 4.5.2000 nicht — so wie im Beschluss vom 30.4.1996 festgelegt — angeordnet, dass sich die Verordnung auf die Waldseite bezieht, andererseits wird, ohne dass dies im Beschluss vom 30.4.1996 so vorgesehen wäre, der räumliche Geltungsbereich der Verordnung mit 'beginnend 8,5 m nach der Einfahrt von der L-205 bis 10,0 m vor dem Geräteschuppen 'Kaiser'' definiert. Der Text der Verordnung vom 4.5.2000 weicht damit insgesamt vom Verordnungsbeschluss vom 30.4.1996 ab. Auch aus diesem Grund geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Verordnung bzw deren Punkt 1. gesetzwidrig ist.
4. Der Verordnungsbeschluss wurde gegenständlich von der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg gefasst, die Verordnung selbst jedoch vom Bürgermeister der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg erlassen.
Den Unterlagen der Verordnungserlassung ist eine Übertragung oder Ermächtigung von Agenden einschließlich der vorliegenden von der Gemeindevertretung auf bzw zum Bürgermeister nicht zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht geht daher davon aus, dass im Hinblick auf den (damaligen) §19 Abs1 Salzburger Gemeindeordnung 1994 der Bürgermeister nicht zur Erlassung der Verordnung vom 4.5.2000 berechtigt war (auch nach §41 Abs1 Salzburger Gemeindeordnung 1994 wäre — nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes — vom Bürgermeister die Verordnung 'für die Gemeindevertretung' zu erlassen gewesen).
5. Auf Sachverhaltsebene ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung das Verkehrszeichen 'Halten und Parken verboten' mit dem Vermerk 'Anfang' im Osten der Vollerer Straße nicht 8,5 m nach der Einfahrt von der L 205, sondern vielmehr unmittelbar nach der Einfahrt von der L 205 angebracht war.
[…]
Dadurch, dass das Verkehrszeichen 'Halten und Parken verboten' mit dem Vermerk 'Anfang' nicht 8,5 m nach der Einfahrt von der L 205, sondern vielmehr unmittelbar nach der Einfahrt von der L 205 angebracht war, entspricht die Kundmachung durch die Aufstellung des Verkehrszeichens nicht der Anordnung in der Verordnung, weshalb sich die Kundmachung der Verordnung im Sinne der genannten Rechtsprechung — jedenfalls im Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung — als gesetzwidrig erweist.
6. Nach Punkt 1. der Verordnung vom 4.5.2000 gilt das Halte- und Parkverbot bis 10,0 m vor dem Geräteschuppen 'Kaiser'. Dieser Geräteschuppen hat eine Länge von rund 14 m. Eine planliche Darstellung liegt der Verordnung nicht zugrunde.
[…]
In VfSlg 20.251/2018 hat der Verfassungsgerichtshof bei einem 21 m breiten Haus, das nicht unmittelbar neben der Fahrbahn gelegen ist, bereits ausgesprochen, dass bei einer Bezugnahme einer Verordnung nach §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 auf ein derartiges Haus als Endpunkt den Erfordernissen für die möglichst genaue Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches der Verordnung nicht entsprochen wird.
Das Verwaltungsgericht geht vorliegend davon aus, dass für die Festlegung des Endpunktes des örtlichen Geltungsbereiches der Verordnung vom 4.5.2000 die Bezugnahme auf eine Distanz von 10,0 m vor einem rund 14 m langen Geräteschuppen nicht den Erfordernissen einer möglichst genauen Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches einer Verordnung entspricht, zumal nicht ersichtlich ist, von welchem Punkt entlang des rund 14 m langen Geräteschuppens aus die 10,0 m zu messen wären, sodass sich die Verordnung auch insoweit als gesetzwidrig erweist."
3. Der Bürgermeister der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg hat keine Äußerung erstattet. Die Gemeinde St. Georgen bei Salzburg hat die Verordnungsakten vorgelegt.
4. Die Salzburger Landesregierung hat keine Äußerung erstattet.
IV. Zulässigkeit
1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist für die Qualität eines Verwaltungsaktes als Verordnung nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung, sondern nur dessen Inhalt maßgebend (zB VfSlg 15.061/1997 mwN). Unter einer Verordnung ist jeder generelle, also an die Allgemeinheit überhaupt oder an einen nach Gattungsmerkmalen umschriebenen Personenkreis gerichtete, normative Akt der Verwaltung zu verstehen (vgl VfSlg 17.137/2004).
2. Diese Voraussetzungen treffen auf die angefochtene Enuntiation nicht zu, weil sie ungeachtet ihrer Bezeichnung als "Verordnung" selbst keinen eigenständigen normativen Inhalt hat, der sich an Rechtsunterworfene richtet: "[A]ngeordnet" wird kein Halte- und Parkverbot, sondern allein die "Aufstellung" der gemäß "§52/13 b StVO 1960" zur Kundmachung (von Anfang und Ende) eines Halte- und Parkverbotes vorgesehenen "Straßenverkehrszeichen". Die Anordnung zur Aufstellung der Straßenverkehrszeichen ergeht, was durch die Verwendung von Fettdruck hervorgehoben wird, "entsprechend der Gemeindevertretungssitzung am 30.04.1996", in der die – dafür gemäß §19 Abs1 Sbg GdO 1994 zuständige – Gemeindevertretung ausweislich des im Akt einliegenden Protokolles (vgl auch zu den Feststellungen des antragstellenden Verwaltungsgerichtes oben Pkt. III.2.2.) bereits "die Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes einstimmig" beschlossen hat. Die angefochtene Enuntiation erschöpft sich daher im Verweis auf die Verordnung der Gemeindevertretung sowie darin, die gemäß §44 Abs1 StVO 1960 ohnedies bestehende Pflicht zur Kundmachung des darin angeordneten Halte- und Parkverbotes durch Straßenverkehrszeichen zu wiederholen.
3. Die angefochtene Enuntiation stellt somit, weil sie selbst keinen eigenständigen normativen Inhalt hat, der sich an Rechtsunterworfene richtet, keine Verordnung im Sinne des Art139 B-VG dar (vgl auch VfGH 23.2.2017, V42/2016).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher schon mangels eines geeigneten Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Verordnungsbegriff, Halte(Park-)verbot, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, Straßenverkehrszeichen, VerordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V515.2020Zuletzt aktualisiert am
25.02.2022