TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/12 95/20/0185

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Veröffentlicht am 12.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §2 Abs4;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der E in H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1994, Zl. 4.344.740/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, reiste am 26. Juni 1994 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. Juni 1994 Asyl. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 29. Juni 1994 beschrieb sie ihre Fluchtgründe im wesentlichen wie folgt:

    "Ich bin irakische Staatsangehörige, assyrischer

Abstammung, orthodoxen Religionsbekenntnisses, ledig und habe

keine Kinder ... Ich bin nicht vorbestraft, werde jedoch von

den irakischen Behörden gesucht, weil ich an der assyrischen

Bewegung beteiligt war ... Da ich Assyrerin bin und orthodoxen

Glaubens, werde ich schlecht behandelt und unterdrückt, benachteiligt. So wurde ich nach Beendigung meiner Ausbildung als Lehrerin nicht in Bagdad wie alle anderen, sondern außerhalb der Stadt angestellt. Mein Vater riet mir daher dazu, gar nicht zur Arbeit zu gehen. Daraufhin trat ich der assyrisch-demokratischen Bewegung bei. Ich traf mich mit einer Arbeitsgruppe von fünf Mädchen in einer "Zelle" in Bagdad. Unser Anführer war ein Mann namens Toma Zybari, dessen Sohn im Jahre 1984 wegen seiner Zugehörigkeit zu der Bewegung von dem Regime Saddams zum Tode verurteilt worden ist. Wir verteilten Flugzettel. Ich habe ein solches Exemplar mitgenommen und lege es der Behörde auch vor. Außerdem versuchten wir unsere Ziele den Menschen auch durch Gespräche näher zu bringen.

Zur Unterdrückung durch die irakischen Behörden und die moslemisch-arabische Bevölkerung möchte ich sagen, daß in unseren Dokumenten "Araber" eingetragen wurde. Unsere Volksgruppe wurde somit einfach ignoriert. Zum Beispiel in meinem Personalausweis wurde eingetragen, daß ich Araberin bin. Nach dem Golfkrieg wurden wir unterdrückt und sehr schlecht behandelt. Besonders seit Beginn dieses Jahres wagten wir uns kaum noch auf die Straße. Es kommt dauernd zu Überfällen. Auf die Frage, von wem wir überfallen wurden, gebe ich an: Von der moslemischen Bevölkerung und auch vom Staat selbst. Wir wagen es seit heuer auch nicht mehr, in die Kirche zu gehen. Es kam schon zu mehreren Sprengstoffanschlägen. Es wurde auch bereits in mein Haus eingebrochen. Die Fensterscheibe wurde einfach zerschlagen und die Air-Condition einfach gestohlen, und zwar im Mai dieses Jahres. Die Air-Condition war außen montiert. Sonst hat nichts gefehlt. Auf die Frage, ob wir einen Verdacht hatten, wer für den Einbruch verantwortlich war, gebe ich an:

Die Regierung hat Wachposten engagiert, Leute aus der Baath-Partei. Ich glaube, daß diese Personen bestochen wurden oder daß diese Personen sogar selbst bei uns gestohlen haben. Wir haben gar keine Anzeige erstattet, weil es ohnehin sinnlos gewesen wäre. Die Einbrüche sind in unserem Gebiet sehr häufig, weil dort die meisten Bewohner Christen sind. Einige haben schon Anzeige erstattet. Die kamen zwar, lachten aber immer nur. Oft läuteten unbekannte Personen auch an unserer Türe und liefen sofort wieder weg. Wir mußten immer wieder Sachbeschädigungen hinnehmen. Nach dem Golfkrieg wurden wir von den Leuten als Verräter bezeichnet. Meine Mutter wurde zum Beispiel auf dem Markt gehänselt und sie erhielt immer die schlechtesten Waren. Mein Vater hat 30 Jahre lang bei ausländischen Firmen gearbeitet. Nun darf er trotz seines Alters, er ist fast 80, noch nicht in Pension gehen. Er muß in einem Staatsbetrieb noch Jahre arbeiten, damit er in Pension gehen kann. Er würde sonst eine zu geringe Pension bekommen.

Auf die Frage, welche Ziele die assyrische demokratische Partei verfolgt, gebe ich an:

1. Die Anerkennung als Volksgruppe, d.h. wir wollen uns öffentlich zu unserer Zugehörigkeit bekennen, ohne Schwierigkeiten durch die Bevölkerung zu befürchten.

2. Wir wollen eine Autonomie wie die Kurden. Der gesamte Norden gehört eigentlich den Assyrern. Wir wollen den gleichen Status wie die Kurden. Wenn wir den Anspruch mit sehr lange zurückliegenden Ereignissen begründen, dann deshalb, weil wir finden, daß man die Geschichte eben nicht einfach wegradieren kann.

Auf die Frage, weshalb ich mit Sicherheit weiß, daß ich von den heimatlichen Behörden gesucht werde, gebe ich an: Ich hatte keine Arbeit. Ich war nur oft - jeweils einmal am Anfang und einmal zur Monatsmitte - bei den Treffen mit den anderen vier Mädchen. Dadurch wird man automatisch verdächtig. Eine meiner Kolleginnen sagte am 9. Juni 1994 zu mir, daß ich vorsichtig sein soll. Sie warnte mich davor, daß vermutlich bald die Sicherheitspolizei bei mir erscheinen würde. Dieses Mädchen hat einen Nachbarn, der bei der Baath-Partei ist. Dieser hat mich des öfteren beobachtet, wenn ich mich mit dem Mädchen traf. Er hat sie schließlich darüber informiert, daß mein Akt bereits mit einem Fragezeichen versehen wurde. Das Mädchen ist Studentin und hatte daher auch nicht so viel Zeit, sich so aktiv für unsere Bewegung einzusetzen. Ihr Nachbar hat vermutlich keinen Verdacht gegen sie gehegt. Nach dieser Warnung bin ich sofort in den Norden geflüchtet. Würde ich jetzt in den Irak zurückkehren, würde ich aufgrund meiner Zugehörigkeit zur assyrischen Bewegung sofort verhaftet. Ich hätte die Todesstrafe oder lebenslängliche Haft zu erwarten. Dies war bisher noch bei allen Mitgliedern dieser Bewegung der Fall. Ich fürchte mich vor der Mißhandlung im Gefängnis. ... Im Irak wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. ... Es kamen

auch mehrere unbekannte Männer nachts in unser Gotteshaus, die wahllos Leute erschossen haben und Wertgegenstände und Geld gestohlen haben. Ich selbst war bei einem solchen Überfall nie dabei. Auch haben die Wachtposten viele Assyrer auf der Straße einfach erschossen. Sie behaupteten dann immer, daß es sich bei diesen Personen um Einbrecher gehandelt hat. Wir waren sicher, daß sie nicht eingebrochen haben."

Zu ihrem Fluchtweg gab die Beschwerdeführerin u.a. an, sie sei zusammen mit ihrem Bruder von Bagdad mit dem Bus nach Mosul und von dort mit einem Kleinbus nach Dohuk gefahren, wo sie sich eine Woche lange bei Verwandten des Anführers ihrer "Zelle" aufgehalten habe. Verwandte der Beschwerdeführerin, die ebenfalls Mitglieder der assyrischen Bewegung seien und in Kurdistan lebten, hätten ihr für die weitere Flucht Geld geliehen. Sie habe nicht in Kurdistan bleiben wollen, weil die Lage dort sehr unsicher sei und befürchtet werde, daß Saddam Hussein eines Tages das Gebiet überfallen werde. Die Verwandten der Beschwerdeführerin, die auch einen Schlepper organisiert hätten, hätten nicht flüchten wollen, weil sie dort lebten und ein Haus hätten. Die Beschwerdeführerin wäre "dort doch nur ein Gast gewesen". Mit dem Schlepper sei sie in einem Taxi nach Zakho gefahren und von dort aus zu Fuß in die Türkei gelangt. Da die Familie der Beschwerdeführerin ursprünglich aus dem Norden des Irak stamme, habe die Beschwerdeführerin weder beim Verlassen des Irak (vermutlich gemeint: des nicht von den Kurden verwalteten Gebietes) noch bei der Einreise in Kurdistan Probleme gehabt.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1994 wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Es verneinte die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin und nahm überdies an, daß ihr im Norden des Irak eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung gestanden habe.

In ihrer Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin Teile ihres erstinstanzlichen Vorbringens und fügte im wesentlichen hinzu, im Nordirak, wo sie sich eine Woche lang "bei Verwandten versteckt" habe, habe sie sich nicht sicher gefühlt, denn einige Kurden arbeiteten für den irakischen Geheimdienst, teils des Geldes wegen, teils weil es Spannungen zwischen den christlichen Assyrern und den moslemischen Kurden gebe. Die Beschwerdeführerin habe daher Angst gehabt, vom irakischen Geheimdienst erwischt zu werden. Zu ihrer politischen Tätigkeit gab sie ergänzend an, sie habe auch "geheime Treffen organisiert". Da sie dem irakischen Geheimdienst bereits bekannt und verdächtig geworden sei, wäre sie im Irak einer langjährigen Haft, wahrscheinlich Folter und der Todesstrafe ausgesetzt. Wie die Behörden von ihrem Engagement erfahren hätten, sei ihr nicht bekannt. Es sei jedoch sicher, daß der Geheimdienst bereits gegen sie ermittle. Als sie erfahren habe, daß sie dem Geheimdienst verdächtig geworden sei, sei sie sofort "in den Norden geflüchtet". Im Falle einer Rückkehr in die Heimat drohe ihr zweifellos die Todesstrafe. Für den Fall der Abweisung ihres Asylantrages beantrage sie, ihr gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1991 eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Der Berufung fügte die Beschwerdeführerin auszugsweise Kopien aus der Publikation "Bedrohte Völker, Menschenrechtsreport Nr. 4/2.91" über die Verfolgung und Vernichtung der assyrischen Christen im Irak sowie Aufsätze über "Assyrer im Irak" und "Assyrer in der Türkei" (Pogrom 136, 9/87) bei. Schließlich legte die Beschwerdeführerin in einer Berufungsergänzung das mit 8. August 1994 datierte Schreiben des "Mesopotamien Kultur- und Sportvereins" in Wien vor. Dieses Schreiben enthielt - abgesehen von allgemeinen Ausführungen zur politischen Lage im Irak - die Bestätigung der "Sportabteilung" des erwähnten Vereins, daß die Beschwerdeführerin seit 1992 der assyrisch-demokratischen Bewegung angehöre und daß es ihre Aufgabe gewesen sei, "für Versammlungen und Diskussionsgespräch zu organisieren" sowie "die Geschichte und Kultur unseres Volkes zu unterrichten und bekanntzumachen".

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Vorbringen allgemeine Benachteiligungen beschrieben, die ihre Lebensgrundlage nicht massiv bedroht hätten und im Zeitpunkt ihrer Ausreise auch schon längere Zeit zurückgelegen seien. Insoweit die Beschwerdeführerin sich auf Überfälle und Attentate bezogen habe, habe es sich um Vorfälle gehandelt, die nicht sie betroffen hätten und bei denen sie auch nicht selbst dabei gewesen sei. Diebstähle, Sachbeschädigungen und Belästigungen durch die von Unbekannten betätigte Türglocke seien ebensowenig asylrelevant wie der Umstand, daß der Vater der Beschwerdeführerin in einem Staatsbetrieb weiter arbeiten müsse, um eine höhere Pension zu erhalten. Daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Verhaftung zu rechnen gehabt hätte, könne "nur als Behauptung oder Vermutung gewertet werden", weil die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, diese Angaben glaubhaft zu machen. Ihre Aussage über die ein Fragezeichen auf ihrem Akt betreffende Warnung einer Freundin sei dafür nicht ausreichend. Die Beschwerdeführerin sei aber auch schon im Nordirak "vor eventueller, also hier bloß angenommener" Verfolgung sicher gewesen. Die im Berufungsverfahren von ihr vorgelegten Berichte seien zu allgemein, die Bestätigung des "Mesopotamien Kultur- und Sportvereins" als Gefälligkeitsbestätigung zu betrachten und auch inhaltlich nicht geeignet, asylrelevante Verfolgung darzutun. Der "Anregung" auf Bewilligung eines befristeten Aufenthalts gemäß § 8 des Asylgesetzes sei "nicht entsprochen" worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wendet sich die Beschwerde gegen die Einstufung der von der Volksgruppe der Beschwerdeführerin und von ihr selbst erlittenen Repressionen als bloße "Belästigungen" und gegen das Argument der belangten Behörde, konkrete gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungshandlungen seien bis zu ihrer Flucht nicht vorgelegen. Mit diesem Argument verkenne die belangte Behörde, daß es nur auf die wohlbegründete Furcht vor Verfolgungshandlungen ankomme und solche nicht schon stattgefunden haben müßten. Mit dem "politisch motivierten Einbruch samt Sachbeschädigungen" im Haus der Beschwerdeführerin liege darüber hinaus auch schon eine konkrete Verfolgungshandlung vor.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Ausführungen der belangten Behörde sich mit der Frage, inwieweit die Beschwerdeführerin gegen sie selbst gerichtete, konkrete Verfolgungshandlungen beschrieben habe, nur im Zusammenhang mit der auch von der belangten Behörde als wesentlich erkannten Frage auseinandersetzen, ob sich aus den von der Beschwerdeführerin dargestellten Umständen eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ergeben und diese bis zur Ausreise andauern konnte. In dieser Hinsicht ist zunächst der Auffassung der belangten Behörde beizutreten, daß die von der Beschwerdeführerin beschriebenen Lebensumstände - bei Berücksichtigung der Ausbildung zur Lehrerin, des Anbots einer Stelle, wenn auch außerhalb Bagdads, und der Tätigkeit des Vaters in einem staatlichen Betrieb - nicht darauf hindeuten, daß sie wegen ihres Glaubensbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer auf ihre Person gerichteten staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, und daß Beeinträchtigungen wie dem von der Beschwerdeführerin beschriebenen Wohnungseinbruch keine Asylrelevanz zukomme. Die Beschwerde tritt diesen Argumenten, deren mangelnde Berechtigung auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar ist, nicht konkret entgegen. Der belangten Behörde ist auch in der Ansicht zu folgen, daß die von der Beschwerdeführerin beschriebene allgemeine Verschlechterung der Lage ihrer Volksgruppe im Irak und ihre Darstellung sich häufender Überfälle und Anschläge und dergleichen noch nicht ausreicht, um daraus - etwa unter dem Gesichtspunkt einer Gruppenverfolgung - die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin abzuleiten. Demgegenüber könnte sich vor dem Hintergrund der von der Beschwerdeführerin beschriebenen Lage im Irak aus der von ihr angenommenen Gefahr, wegen ihrer behaupteten Tätigkeit für die assyrisch-demokratische Bewegung verhaftet zu werden, jedoch ergeben, daß die Beschwerdeführerin einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt war. Ob die belangte Behörde diese Gefahr zu Recht oder zu Unrecht als bloße "Behauptung oder Vermutung" abgetan hat, weil ihr die Angaben dazu nicht "genügten", ist für die vorliegende Entscheidung aber - anders, als dies bei einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Irak unter Umständen der Fall wäre - nicht ausschlaggebend, weil die Beschwerdeführerin den Schlußfolgerungen des angefochtenen Bescheides aus ihrem Aufenthalt im Nordirak in der Beschwerde mit keinem Wort entgegentritt und diese Schlußfolgerungen auch einer Überprüfung standhalten. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, daß ihre Familie ursprünglich aus dem Nordirak stamme und daß sie dort Verwandte habe, die auch wie sie Mitglieder der assyrischen Bewegung seien und ihre weitere Flucht organisiert und bezahlt hätten, selbst aber nicht fliehen wollten. Wenn die Beschwerdeführerin die Notwendigkeit einer Fortsetzung ihrer eigenen Flucht und ihrer Entscheidung, nicht in Kurdistan zu bleiben, damit begründete, daß "die Lage dort sehr unsicher ist und befürchtet wird, daß Saddam Hussein EINES TAGES (im Original nicht hervorgehoben) das Gebiet überfallen wird", so vermochte sie die Unzumutbarkeit dieser inländischen Fluchtalternative damit ebensowenig darzutun wie mit dem weiteren Vorbringen, sie wäre "dort doch nur ein Gast gewesen". Die erst in der Berufung erhobene Behauptung, sie hätte sich nicht sicher gefühlt, weil "einige Kurden" für den irakischen Geheimdienst arbeiteten, und sie hätte daher Angst gehabt, "vom irakischen Geheimdienst erwischt zu werden", hatte die belangte Behörde ihrer Beurteilung nach § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 (mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Bestimmung) nicht zugrunde zu legen.

Die zuletzt bekannt gewordenen Ereignisse im Nordirak (Kampfhandlungen unter Beteiligung irakischer Truppen in den dortigen Kurdengebieten) sind bei der nachprüfenden Kontrolle des im November 1994 erlassenen Bescheides der belangten Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zu berücksichtigen. Ergibt sich aus ihnen die Unzumutbarkeit der von der belangten Behörde angenommenen inländischen Fluchtalternative, so handelt es sich dabei um neue die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin betreffende Tatsachen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne dazwischenliegende Rückkehr in den Heimatstaat geltendgemacht werden können (vgl. dazu das Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052).

Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte, nicht die Verhältnisse im Nordirak betreffende Bestätigung des "Mesopotamien Kultur- und Sportvereins", deren Würdigung durch die belangte Behörde die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, ist für die Entscheidung unter den dargestellten Gesichtspunkten nicht von Bedeutung.

Insofern die Beschwerdeführerin noch eine Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht, weil diese - nach Meinung der Beschwerdeführerin anstelle des dafür zuständigen Bundesasylamtes - über den auf § 8 Asylgesetz 1991 gestützten Antrag der Beschwerdeführerin "entschieden" habe, ist sie darauf zu verweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800) kein Anspruch auf eine Entscheidung über derartige Anträge besteht und die belangte Behörde demfolgend auch nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides eine Entscheidung über den diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin getroffen, sondern nur in der Begründung zum Ausdruck gebracht hat, daß sie der "Anregung" der Beschwerdeführerin nicht gefolgt sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200185.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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