Index
E000 EU- Recht allgemeinNorm
B-VG Art15aRechtssatz
Werden an sich vorgesehene Sachleistungen rechtswidrig vorenthalten, dann lässt dies das Entstehen von Geldleistungsansprüchen zu (vgl. Art. 17 Aufnahme-RL). Denn werden die "materiellen Aufnahmebedingungen" nicht als Sachleistung gewährt, so kann das nur so verstanden werden, dass die Behörde von der Option einer Gewährung von Grundversorgung "in Form von Geldleistungen" Gebrauch machen will (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0154). Nach Art. 17 Abs. 5 der Aufnahme-RL bemisst sich, wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können Antragstellern in dieser Hinsicht eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteil werden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende, Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegen. Das Oö. GrundversorgungsG 2006 enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen, welche Geldleistungen anstelle von Sachleistungen zu gewähren sind. In § 1 Oö. GrundversorgungsG 2006 wird lediglich allgemein auf "die in der Grundversorgungsvereinbarung, LGBl. Nr. 93/2004, vorgesehenen Hilfen und Maßnahmen", die vom Land Oberösterreich hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, die ihren Hauptwohnsitz und Aufenthalt in Oberösterreich haben, "zu erbringen" sind, verwiesen. Das bezieht sich erkennbar in erster Linie auf die in Art. 6 Abs. 1 dieser Vereinbarung genannten, im Allgemeinen von der Grundversorgung umfassten Sachleistungen, wie insbesondere Unterbringung, Versorgung mit angemessener Verpflegung, Sicherung der Krankenversorgung, Gewährung eines monatlichen Taschengeldes, sowie auf die in Art. 7 und 8 legcit. Sonderbestimmungen für unbegleitete minderjährige Fremde und für Massenfluchtbewegungen. Zu dieser Verweisung auf die Grundversorgungsvereinbarung ist allerdings anzumerken, dass Vereinbarungen nach Art. 15a B-VG keine Rechte und Pflichten Dritter begründen können, sondern dazu der Transformation bedürfen. Sie binden vielmehr die Vertragspartner (also Bund bzw. Länder) untereinander, was bedeutet, dass (nur) die Organe der jeweils beteiligten Gebietskörperschaften durch die Vereinbarung gebunden werden (vgl. VfGH 9.10.2018, A1/2017, VfSlg. 20.284). Die Grundversorgungsvereinbarung kann keine Rechte und Pflichten der einzelnen Rechtsunterworfenen begründen (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0154). Das findet auch in Art. 1 Abs. 5 legcit. seinen Niederschlag, indem es dort heißt, diese Vereinbarung begründe keine Rechtsansprüche für die in Art. 2 legcit. als Zielgruppe genannten Fremden. Ohne entsprechenden Transformationsakt, der den Normunterworfenen berechtigt und verpflichtet, entfaltet eine Vereinbarung nach Art. 15a B-VG für den Normunterworfenen somit keine Rechtswirkungen. Geltungsgrund der den Normunterworfenen bindenden Vorschrift ist nach einer solchen Transformation nicht die Vereinbarung nach Art. 15a B-VG, sondern das Gesetz oder die Verordnung, selbst wenn diese nur den Text der Vereinbarung wörtlich übernehmen (vgl. VfGH 17.6.1994, G 231/92, u.a., VfSlg. 13.780).
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019210015.J04Im RIS seit
24.02.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022