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E000 EU- Recht allgemeinNorm
ABGB §1151Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der N GmbH in K, vertreten durch die Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktplatz 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 26. Juli 2018, Zl. LVwG-314-7/2018-S2, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Vorarlberg, Römerstraße 15, 6901 Bregenz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Das Land Vorarlberg (Auftraggeber) führte im Jahr 2018 im Weg eines offenen Verfahrens eine Vergabe im Oberschwellenbereich betreffend die Erbringung von „Winterdienstleistungen (Räumen und Streuen)“ auf den Vorarlberger Landesstraßen durch. Der Auftrag war in 32 Lose unterteilt. Die Revisionswerberin legte hinsichtlich zweier Lose (darunter das Los 29) ein Angebot.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2018 teilte der Auftraggeber der Revisionswerberin mit, dass ihr Angebot betreffend das Los 29, Betreuungsbereich FS03, ausgeschieden werde, weil sie im Ergebnis den gesamten Auftrag an ihre Subunternehmerin weitergebe und daher gegen § 83 BVergG 2006 verstoßen habe.
2 Die Revisionswerberin beantragte die Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung und brachte in ihrem Antrag vor, lediglich 98 % der Leistung sollen von ihrer Subunternehmerin ausgeführt werden.
3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juli 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) diesen Nichtigerklärungsantrag sowie den Antrag auf Pauschalgebührenersatz als unbegründet ab. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt I.). Unter einem wies das Verwaltungsgericht mittels Beschluss den Eventualantrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Ausschreibung betreffend das Los 29 wegen Verspätung als unzulässig zurück. Die Revision gegen diesen Beschluss wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
4 2.2. In seiner Begründung gab das Verwaltungsgericht zunächst die maßgeblichen (bestandfest gewordenen) Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen sowie des Leistungsverzeichnisses betreffend das Los 29 wieder:
„1.10 Subunternehmer
Der Bieter ist grundsätzlich berechtigt, Teile der Leistungen an Subunternehmer weiterzugeben. Die Weitergabe des gesamten Auftrages ist aber jedenfalls unzulässig, sofern es sich nicht um einen Kaufvertrag oder um die Weitergabe an ein verbundenes Unternehmen handelt. [...]
[...]
1.11 Teilangebote und Teilvergabe / Losvergabe
Teilangebote sind zulässig. Teilvergaben sind vorgesehen.
Der Bieter kann ein Angebot für ein oder auch für mehrere Lose abgeben. Eine Beauftragung erfolgt mit max. 2 Losen. Diese Beschränkung auf max. 2 Lose gilt bei Teilnahme von miteinander verbundenen Unternehmen für die gesamte Unternehmensgruppe!
[...]“
„Vom Auftragnehmer anzubietende Preise:
Sämtliche Kosten der Fahrzeug- und Gerätebeistellung einschließlich Fahrzeuglenker (zB Löhne, Überstunden, sonstige Zuschläge) sind in die entsprechenden Leistungspositionen einzurechnen.
Position
Positionstext
Einheitspreis
6a
Beistellung Seitenschneepflug
...
...
7a
Beistellung Aufsatzkombistreuer
...
...
8a
Kontrollfahrt und Streuen
...
...
Räumen bzw. Räumen und Streuen
...
...“
5 Darüber hinaus wurde - soweit für die vorliegende Revisionssache von Bedeutung - Folgendes festgestellt:
Die Beschränkung der Auftragserteilung auf maximal zwei Lose sei vom Auftraggeber damit erklärt worden, dass der Winterdienst auf möglichst viele Unternehmen aufgeteilt werden solle, um das Risiko bei etwaigen Ausfällen breit zu streuen. Für die Erfüllung des Auftrages (betreffend das Los 29) seien drei Fahrzeuge erforderlich, wobei zwei dieser Fahrzeuge vom Auftraggeber mit den erforderlichen Gerätschaften (Schneepflug und Aufsatzkombistreuer) ausgestattet würden, während für das dritte Fahrzeug (LKW 3) diese Gerätschaften vom Auftragnehmer zur Verfügung zu stellen seien. Die Revisionswerberin habe in ihrem Angebot angegeben, sich für die Erbringung der Positionen 8a und 9a einer Subunternehmerin zu bedienen. Der Wert dieser Leistungen sei im Angebot mit 98 % der Gesamtleistung angegeben worden. Die in den Positionen 6a und 7a genannten Leistungen würde die Revisionswerberin selbst erbringen; zudem übernehme der Geschäftsführer der Revisionswerberin (P N) die Organisation und Disposition des Auftrags. Eine Abrechnung der Positionen 6a und 7a würde - so das Verwaltungsgericht weiter - nur dann erfolgen, wenn der LKW 3 (und damit die beizustellenden Gerätschaften) im Einsatz seien. Zwischen der Revisionswerberin und der Subunternehmerin bestünden (näher dargestellte) personelle Verbindungen (so sei P N auch Geschäftsführer der Subunternehmerin und alleiniger Gesellschafter von deren Muttergesellschaft). Die Revisionswerberin habe keine eigenen Fahrzeuge und lediglich zwei Geschäftsführer als Mitarbeiter. Der Subunternehmerin sei im vorliegenden Vergabeverfahren ihrerseits für zwei Lose der Zuschlag erteilt worden.
6 Durch die Regelung des § 83 BVergG 2006 solle - so das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung - ein „Auftragshandel“ unterbunden werden. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn nicht bereits jede Leistung des Auftragnehmers, möge sie noch so klein und unbedeutend sein, dazu führe, dass keine Weitergabe des gesamten Auftrages vorliege. Es sei daher im Einzelfall zu prüfen, ob die Leistungen des Auftragnehmers ausreichend seien, um eine Weitergabe des gesamten Auftrages auszuschließen. Dabei komme es nicht auf eine formale Betrachtung an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse.
7 Im vorliegenden Fall ging das Verwaltungsgericht von einer unzulässigen Weitergabe des gesamten Auftrages aus, weil die weitergegebenen Leistungen des Räumens und Streuens den Kern des ausgeschriebenen Auftrages ausmachen und diese Leistungen zur Gänze von der Subunternehmerin erbracht würden. Lediglich die Beistellung und Wartung der Geräte (Schneepflug und Streugerät) für den dritten LKW würden von der Revisionswerberin selbst erbracht. Das Überlassen der Geräte sei als bloße Hilfstätigkeit anzusehen, mit der die Subunternehmerin in die Lage versetzt werde, die Räumungs- und Streuleistungen zu erbringen. Zudem bestünde auch bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zwischen den Positionen 6a und 7a (die nur 2 % des Gesamtauftragsvolumens ausmachen würden) einerseits sowie den Positionen 8a und 9a andererseits ein erhebliches Ungleichgewicht. Die von der Revisionswerberin erbrachten Leistungen würden kaum ins Gewicht fallen und seien von untergeordneter Bedeutung. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Erbringung von Organisations- und Dispositionsaufgaben stelle keine eigene Position des Leistungsverzeichnisses dar und auf Grund der personellen Verflechtung zwischen der Revisionswerberin und der Subunternehmerin bestünde insoweit auch kein Kommunikationsbedarf.
8 Da der vom Auftraggeber angeführte Ausscheidensgrund der unzulässigen Weitergabe des gesamten Auftrages somit vorliege, sei das Angebot der Revisionswerberin zu Recht ausgeschieden worden.
Die Zulässigkeit der Revision wurde mit fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage begründet, ob bereits die Erbringung eines geringfügigen Leistungsteiles ausreiche, um die Anwendung des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 auszuschließen.
9 3. Gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung - somit das Erkenntnis - richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der unter einem (in Spruchpunkt II.) gefasste Beschluss ist unangefochten geblieben.
10 Der Auftraggeber erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1. Die Revisionswerberin schließt sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung den dazu ergangenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes an.
12 Die Revision erweist sich in Hinblick auf diese Ausführungen als zulässig.
13 2. Die vorliegend noch maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17, lauteten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
[...]
33a. Subunternehmer ist ein Unternehmer, der Teile des an den Auftragnehmer erteilten Auftrages ausführt. Die bloße Lieferung von handelsüblichen Waren oder Bestandteilen, die zur Erbringung einer Leistung erforderlich sind, ist keine Subunternehmerleistung.
[...]
Subunternehmerleistungen
§ 83. (1) Die Weitergabe des gesamten Auftrages ist unzulässig, ausgenommen hiervon sind Kaufverträge sowie die Weitergabe an verbundene Unternehmen.
[...]
(4) Der Auftraggeber kann bei Bau- oder Dienstleistungsaufträgen sowie bei Verlege- oder Installationsarbeiten im Zusammenhang mit einem Lieferauftrag vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben vom Bieter selbst, von einem mit diesem verbundenen Unternehmen (§ 2 Z 40), oder - im Falle der Teilnahme einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft am Vergabeverfahren - von einem Mitglied dieser Arbeits- oder Bietergemeinschaft ausgeführt werden müssen.
[...]“
14 Den Gesetzesmaterialien lässt sich dazu Folgendes entnehmen:
„Die Einführung einer Definition für Subunternehmer ist durch die Neuregelungen betreffend die Subunternehmerleistungen erforderlich. Die Definition findet ihre Grundlage im Werkvertragsrecht. Kennzeichnend für diese Vertragsverhältnisse ist, dass die Herstellung eines bestimmten Werkes bzw. Erfolges geschuldet ist (vgl. dazu die §§ 1151 und 1165 ABGB). Eine Beteiligung an der „Ausführung“ eines Auftrages im Sinne der Definition des BVergG 2006 liegt daher dann vor, wenn ein Unternehmer einen Leistungsteil des Auftrages vertraglich übernimmt und diesen Leistungsteil in Eigenverantwortung selbst (oder mit Gehilfen) ausführt. Zulieferer sind, wie schon nach bisheriger Rechtslage, keine Subunternehmer im Sinne der Definition [...], unabhängig von der Tatsache, ob die vom Zulieferer gelieferten Produkte nach Maß angefertigt wurden oder nicht. Daher ist der bloße Lieferant von Beton, Bauteilen und sonstigen Komponenten von der Definition nicht erfasst. Hingegen wäre ein Zulieferer, der auch Bauteile selbst einbaut, ein Subunternehmer. Ebenfalls kein Subunternehmer im Sinne der Definition ist ein Unternehmer, dessen Leistung darin besteht, einen Subunternehmer in die Lage zu versetzen, einen Leistungsteil des Auftrages erst erbringen zu können (wie etwa die Wartung von Maschinen eines Subunternehmers, die Vermietung von Maschinen und Geräten an einen Subunternehmer, die Überlassung von Arbeitskräften an einen Subunternehmer).“ [RV 776 BlgNR 25. GP, 2, zu § 2 Z 33a]
„Die Möglichkeit, die Weitergabe des gesamten Auftrages als unzulässig vorzusehen, ergibt sich aus dem Erkenntnis des EuGH in der Rs C-314/01; Siemens und ARGE Telekom, in der der Gerichtshof sich ausschließlich auf die Situation bezog, dass ‚Teile‘ der Leistung nicht weitergegeben werden durften. In diesem Sinne bezieht sich auch Art. 25 der RL 2004/18/EG nur auf den ‚Teil des Auftrags‘, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt.
Da ein Unternehmer den Nachweis seiner Leistungsfähigkeit jedenfalls dadurch erbringen kann, dass er die tatsächliche Verfügbarkeit von Kapazitäten eines leistungsfähigen Dritten nachweist (siehe dazu § 76 sowie die Erläuterungen dazu), kann die bisherige Regelung (Erbringung des wesentlichen Leistungsteils durch den Auftragnehmer) nicht mehr aufrechterhalten werden.“ [RV 1171 BlgNR 22. GP, 71, zu § 83]
15 3. Das Verwaltungsgericht (und dem schließt sich der Auftraggeber im Ergebnis an) ging im angefochtenen Erkenntnis - zusammengefasst - davon aus, dass eine nach § 83 Abs. 1 BVergG 2006 (sowie vorliegend auch nach den Ausschreibungsunterlagen) verbotene Weitergabe des gesamten Auftrages auch dann vorliege, wenn der Bieter - wie hier der Fall - nur geringfügige, untergeordnete Leistungsteile selbst erbringe.
16 Demgegenüber vertritt die Revisionswerberin die Auffassung, dass der Wortlaut auf eine Weitergabe des gesamten Auftrages - somit von 100 % des Auftrages - abstelle, weshalb es ausreiche, wenn ein Bieter einen Teil der Leistung (und sei es auch ein prozentuell geringer Teil) selbst erbringe.
17 4.1. Die Möglichkeit, Teile der Leistung an Subunternehmer weiterzugeben, ist vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben zu sehen, wonach Unternehmern grundsätzlich das Recht zukommt, für einen Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmer in Anspruch zu nehmen (vgl. zur früheren Rechtslage Art. 47 und 48 der Richtlinie 2004/18/EG sowie EuGH 4.5.2017, C-387/14, Esaprojekt, Rn. 47, mwN; bzw. nunmehr Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU sowie EuGH 3.6.2021, C-210/20, Rad Service ua., Rn. 30, mwN). So hat der EuGH etwa eine nationale Regelung als unionsrechtswidrig angesehen, wonach der Teil des Auftrags, der an Subunternehmer weitergegeben werden kann, mit 30 % des Gesamtauftragswerts begrenzt wurde (vgl. EuGH 27.11.2019, C-402/18, Tedeschi, Rn. 38; 26.9.2019, C-63/18, Vitali, Rn. 45). Im Urteil EuGH 14.7.2016, C-406/14, Wroclaw, Rn. 35, wurde eine Klausel, die für einen abstrakt mit einem bestimmten Prozentsatz festgelegten Teil des Auftrags (ohne Angabe zum wesentlichen Charakter der davon betroffenen Aufgaben) Beschränkungen für den Rückgriff auf Subunternehmer vorsah, als mit Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG unvereinbar angesehen.
18 Der EuGH hat aber anerkannt, dass das Recht auf Inanspruchnahme von Kapazitäten Dritter bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden kann, etwa wenn die Arbeiten auf Grund ihrer Besonderheiten eine bestimmte Kapazität erfordern, die durch die Zusammenfassung mehrerer kleinerer Kapazitäten nicht erreicht werden kann (vgl. EuGH C-387/14, Rn. 48 f). Eine derartige Vorgabe muss aber mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein. Zudem stellt dieser Fall eine Ausnahme dar (vgl. EuGH 2.6.2016, C-27/15, Pippo Pizzo, Rn. 28, mwN). Der EuGH hat etwa zum Ausdruck gebracht, dass das (als legitim anerkannte) Ziel der korrekten Ausführung der Arbeiten gewisse Beschränkungen des Einsatzes von Subunternehmern rechtfertigen kann (vgl. EuGH 5.4.2017, C-298/15, Borta, Rn. 53 ff; das in diesem Verfahren ins Treffen geführte Ziel der Unterbindung einer Praxis, bei der die Kapazitäten eines Dritten nur in Anspruch genommen werden, um den Zuschlag zu erhalten, wobei beabsichtigt sei, „die Arbeiten überwiegend oder fast vollständig“ auf Subunternehmer zu übertragen, hat der EuGH jedenfalls nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern die dort gegenständliche Regelung, die auf die Erbringung der vom Auftraggeber als „Hauptleistung“ eingestuften Leistung durch den Auftragnehmer selbst abstellte, als unverhältnismäßig erachtet). Weiters hat der EuGH anerkannt, dass es in Anbetracht der Eigenart eines Auftrages und der damit verfolgten Ziele Kapazitäten geben kann, die sich nicht für eine Übertragung auf den Bieter eignen, weshalb ein Berufen auf diese Kapazitäten nur dann erfolgen kann, wenn der Subunternehmer unmittelbar und persönlich an der Ausführung des Auftrags beteiligt ist und nicht nur Beratungs- und Schulungsleistungen zur Verfügung stellt (siehe EuGH 7.4.2016, C-324/14, Partner Apelski Dariusz, Rn. 49).
19 Daraus ergibt sich, dass das Unionsrecht dem Auftraggeber in gewissem Rahmen - nämlich bei Vorliegen besonderer Umstände - die Möglichkeit einräumt, Beschränkungen hinsichtlich der Weitergabe von Teilleistungen an Subunternehmer vorzusehen. Auch § 83 Abs. 1 BVergG 2006 stand für sich genommen einer über das Verbot der Weitergabe des gesamten Auftrages hinausgehenden Beschränkung in einer Ausschreibung nicht entgegen (vgl. vielmehr die in § 83 Abs. 4 BVergG 2006 vorgesehene Möglichkeit in Zusammenhang mit bestimmten kritischen Aufgaben).
Den im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Ausschreibungsunterlagen lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass der Auftraggeber im vorliegenden Fall von dieser (wenn auch nicht allzu weitreichenden, aber dennoch bestehenden) Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.
20 4.2. Das Verwaltungsgericht nimmt in Hinblick auf die Zielsetzung des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 an, dass bei der Auslegung des darin normierten Verbotes der Weitergabe des gesamten Auftrags auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen bzw. eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzunehmen sei und die Erbringung von bloß untergeordneten Leistungen durch den Auftragnehmer selbst der Annahme einer Weitergabe des gesamten Auftrages nicht entgegenstehe.
21 Demgegenüber ist festzuhalten, dass weder der Wortlaut des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 noch die (oben zitierten) Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte dafür liefern, dass eine Weitergabe des gesamten Auftrages bereits dann vorliegt, wenn die wirtschaftlich weit überwiegenden Leistungen (sowohl ihre Bedeutung für den Auftragsgegenstand als auch ihren wirtschaftlichen Anteil am Gesamtauftragswert betreffend) weitergegeben werden sollen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher dieser Argumentation des Verwaltungsgerichtes nicht beizutreten.
22 4.3. Das Verwaltungsgericht verweist aber auch darauf, dass es sich bei den von der Revisionswerberin (als Auftragnehmerin) selbst erbrachten Leistungen um eine bloße Hilfstätigkeit handle, mit der die Subunternehmerin nur in die Lage versetzt werde, die Räumungs- und Streuleistungen zu erbringen. Damit bringt das Verwaltungsgericht - dem Grunde nach zutreffend - zum Ausdruck, dass zu prüfen ist, ob es sich bei den vom Auftragnehmer selbst erbrachten Leistungen um eine Beteiligung an der Ausführung des Auftrages handelt. Wenn nämlich für die Einstufung eines Dritten als Subunternehmer darauf abzustellen ist, ob dieser einen Leistungsteil selbst ausführt oder ob er bloß als Zulieferer bzw. Hilfsunternehmer (dessen Leistung darin besteht, den Auftragnehmer in die Lage zu versetzen, einen Leistungsteil des Auftrages erst erbringen zu können) auftritt, dann kann umgekehrt die Erbringung von bloßen Zuliefer- oder Hilfstätigkeiten durch den Auftragnehmer für sich allein dazu führen, dass eine Weitergabe des gesamten Auftrages vorliegt.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis VwGH 22.3.2019, Ro 2017/04/0022, mit der Abgrenzung des Subunternehmerbegriffes befasst und dabei Folgendes festgehalten (Rn. 12 ff):
„5.3. Die zitierten Materialien nehmen für die Abgrenzung des Subunternehmerbegriffes Bezug auf die Regelungen des Werkvertrages im ABGB. Gemäß § 1151 ABGB liegt ein Werkvertrag vor, wenn jemand die Herstellung eines Werkes übernimmt. Die ,Herstellung eines Werkes‘ wird allgemein als Verpflichtung zur Herbeiführung eines (Arbeits)Erfolgs verstanden [...]. Der Unternehmer ist in diesem Falle verpflichtet, das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen.
Subunternehmer ist daher ein Unternehmer, der es übernimmt, Teile des an den Auftragsnehmer erteilten Auftrages - im Sinn der Herstellung eines Teilerfolgs - selbst herzustellen oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen. Versetzt ein Unternehmen den Auftragnehmer (lediglich) in die Lage, den Auftrag zu erbringen, liegt ein Hilfsunternehmen vor. Die Materialien erwähnen hier beispielhaft die Vermietung von Maschinen und Geräten und die Überlassung von Arbeitskräften [...].
Im Einzelfall bedarf es daher zur Abgrenzung der Subunternehmereigenschaft jeweils der Feststellung der konkret getroffenen vertraglichen Vereinbarung zwischen dem am Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter und dem jeweiligen dritten Unternehmen [...], das Leistungen für das bietende Unternehmen im Rahmen der Auftragserfüllung erbringen soll. Anhand der konkreten Vertragsvereinbarung(en) ist jeweils fallbezogen die Einordnung der Vertragsbeziehung zwischen dem Bieter und dem Drittunternehmen vorzunehmen, wobei nach dem oben Gesagten ein Subunternehmervertrag vorliegt, wenn das dritte Unternehmen - gemessen an der im Rahmen der Auftragsvergabe geschuldeten Leistung - die Herstellung eines Teilerfolges übernimmt.“
24 Diese Überlegungen können auf den vorliegenden Fall übertragen werden, auch wenn es vorliegend nicht um die Einstufung der vom Dritten, sondern derjenigen vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen geht. Zwar handelt es sich bei den vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen der Beistellung von Geräten (konkret des Seitenschneepflugs und des Aufsatzkombistreuers) um Tätigkeiten, die nach den oben zitierten Erläuterungen grundsätzlich als Hilfsleistungen angesehen werden könnten, die den Subunternehmer in die Lage versetzen, die von ihm erbrachten Streu- und Räumungsleistungen zu erbringen. Allerdings ergibt die gebotene Bedachtnahme auf das Vertragsverhältnis, konkret auf das Leistungsverzeichnis für das hier gegenständliche Los 29, dass der Auftraggeber die beiden Beistellungsleistungen im gegenständlichen Fall als eigene Teilleistungen ausgestaltet hat, die gesondert nachgefragt wurden und auch eigens zu bepreisen waren (vgl. dazu auch Schiefer/Steindl in Heid/Preslmayr [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht [2015] Rz. 1372, die darauf abstellen, ob die Leistung in der Leistungsbeschreibung konkret beschrieben ist bzw. ob es sich um eine vom Auftragnehmer geschuldete Leistung handelt).
25 Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher der Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es handle sich insoweit um eine bloße Hilfstätigkeit, fallbezogen nicht anzuschließen.
26 4.4. Ausgehend davon lag aber auch keine unzulässige Weitergabe des gesamten Auftrages durch die Revisionswerberin vor.
27 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
28 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
29 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Jänner 2022
Gerichtsentscheidung
EuGH 62014CJ0324 Partner Apelski Dariusz VORABSchlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2018040017.J00Im RIS seit
24.02.2022Zuletzt aktualisiert am
01.03.2022