Entscheidungsdatum
08.09.2021Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §103 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde des A. B., C.-gasse, Wien, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat D., vom 30.4.2021, Zl. ..., betreffend eine Übertretung des § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz – KFG, BGBl. Nr. 267/1967, idF BGBl. I Nr. 19/2019
zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat D., vom 30.4.2021 wurde dem Beschwerdeführer wie folgt zur Last gelegt:
„Sie wurden als gesetzlicher Erwachsenenvertreter des Zulassungsbesitzer/in des PKW mit dem Kennzeichen W-... mit Schreiben der Wien LPD vom 19.07.2020 aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 13.05.2020, um 07:52 Uhr, in Wien, E.-Straße, gelenkt hat.
Sie haben diese Auskunft nicht erteilt. Sie gaben an, dass zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug von niemanden gelenkt wurde.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Hiedurch habe der Beschwerdeführer § 103 Abs. 2 KFG übertreten und wurde über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe iHv EUR 200,-- bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Tagen verhängt.
Hiegegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde vom 7.5.2021, in welcher der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung mit näherer Begründung bestreitet.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht (einlangend am 24.6.2021) vor.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden Sachverhalt fest:
Mit Schreiben („Lenkererhebung“) der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat D., vom 19.7.2020 wurde Dr. F. B. als Zulassungsbesitzer aufgefordert, der Behörde schriftlich binnen zwei Wochen bekanntzugeben, wer das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... am 13.5.2020 um 07:52 Uhr in Wien, E.-Straße, Richtung G.-platz gelenkt hat.
Mit Schreiben vom 27.7.2020 gab der Beschwerdeführer als gesetzlicher Erwachsenenvertreter seines Vaters Dr. F. B. bekannt, dass sein Vater nicht fähig sei, ein Fahrzeug zu lenken und das Fahrzeug zur gegenständlichen Tatzeit von niemandem benutzt worden sei.
Der Beschwerdeführer selbst wurde nicht zur Lenkerauskunft aufgefordert.
Das angefochtene Straferkenntnis legt dem Beschwerdeführer zur Last, dass er als gesetzlicher Erwachsenenvertreter des Zulassungsbesitzers des PKW mit dem Kennzeichen W -... mit Schreiben der „Wien LPD“ (sic!) vom 19.7.2020 aufgefordert worden sei, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 13.05.2020, um 07:52 Uhr, in Wien, E.-Straße, gelenkt habe, und er diese Auskunft nicht erteilt habe.
Zur Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Lenkererhebung vom 19.7.2020 ergeben sich aus einer im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Kopie dieser Lenkererhebung (aaO, AS 7).
Die vom Beschwerdeführer erteilte Auskunft ergibt sich aus einer Kopie dieses im Verwaltungsakt befindlichen Schreibens (aaO, AS 11).
Dass der Beschwerdeführer nicht zur Lenkerauskunft aufgefordert wurde, ergibt sich daraus, dass mit Schreiben vom 19.7.2020 Dr. F. B. zur Lenkerauskunft aufgefordert wurde und nicht der Beschwerdeführer. Ein weiteres Aufforderungsschreiben befindet sich nicht im Verwaltungsakt, an dessen Vollständigkeit und Richtigkeit das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelt.
Der Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt sich aus der im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Ausfertigung dieses Straferkenntnisses (aaO, AS 33).
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.
Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:
Gemäß § 103 Abs. 2 KFG, BGBl. Nr. 267/1967, idF BGBl. I Nr. 19/2019, kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss in Ansehung einer Übertretung nach § 103 Abs 2 KFG unverwechselbar feststehen, um welche Aufforderung, deren Nichtbefolgung dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, es sich handelt. Dem liegt zugrunde, dass die – hinlänglich konkretisierte – Aufforderung der Behörde zur Lenkerbekanntgabe ein wesentliches Sachverhaltselement einer Übertretung nach § 103 Abs 2 KFG darstellt (vgl. VwGH 19.6.1991, 91/02/0025; 4.9.2018, Ra 2018/02/0084).
Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen für einen Erwachsenenvertreter eines Zulassungsbesitzers überhaupt eine Auskunftspflicht iSd § 103 Abs. 2 KFG entstehen kann. Wesentlich ist nämlich, wie oben ausgeführt, dass der Beschuldigte zuvor zur Auskunftserteilung aufgefordert werden muss. Wie festgestellt wurde der Beschwerdeführer selbst jedoch nicht zur Erteilung der Lenkerauskunft aufgefordert. Eine entsprechende Aufforderung erging lediglich an den Vater des Beschwerdeführers.
Da selbst eine nicht dem Gesetz entsprechende Aufforderung die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftsverpflichtung nicht auslöst (vgl. hiezu etwa VwGH 27.2.1991, 90/03/0146; 4.9.2018, Ra 2018/02/0084), muss dies umso mehr für das gänzliche Unterbleiben einer Aufforderung an den Beschuldigten gelten.
Der Vorwurf der Nichtbeantwortung einer Frage im Zusammenhang mit einer Lenkeranfrage iSd § 103 Abs. 2 KFG, die gar nicht gestellt wurde, erweist sich somit als rechtswidrig (vgl. VwGH 4.9.2018, Ra 2018/02/0084, mwN).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Zum Revisionsausspruch:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).
Schlagworte
Pflichten des Zulassungsbesitzers; Lenkererhebung; Lenkerbekanntgabe; Aufforderung zur Auskunftserteilung; ErwachsenenvertreterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.016.9452.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2022