TE Vwgh Beschluss 2022/1/24 Ra 2021/02/0260

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 lita

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/02/0261

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision von 1. B in D und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Haupstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. September 2021, VGW-002/053/7980/2021/E-7 und VGW-002/053/7981/2021/E, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf VwGH 11.5.2021, Ra 2020/02/0158, und VwGH 11.5.2021, Ra 2020/02/0161, verwiesen.

2        Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzerkenntnis wurde - soweit vom Anfechtungsumfang der vorliegenden Revision erfasst - der Beschwerde insofern Folge gegeben als die wegen Übertretungen des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz und des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen herabgesetzt und im Übrigen das angefochtene Erkenntnis mit der Maßgabe der Berichtigung der Fassung des Wiener Wettengesetzes bestätigt, der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde neu festgesetzt und ausgesprochen, dass der Erstrevisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe, die zweitbeschwerdeführende Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen und Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte und gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        Nach den nunmehr getroffenen Feststellungen sei der Wettabschluss an dem im Wesentlichen aus einem Laptop bestehenden und nur durch den Tankstellenmitarbeiter zu bedienenden Wettannahmeschalter dergestalt abgelaufen, dass der Kunde den entsprechenden Wettwunsch bekannt gegeben habe. Im Fall der Verwendung einer Kundenkarte habe der Tankstellenmitarbeiter diese in ein Kartenlesegerät einstecken müssen. Für Kunden, die nicht über eine Kundenkarte verfügten, habe der Tankstellenmitarbeiter die Option „ohne Karte fortsetzen“ auswählen und dennoch eine Wette abschließen können. Die Überprüfung der Kennzeichnungspflicht hinsichtlich des Zutrittsverbotes für Kinder und Jugendliche habe einen am Eingang angebrachten Aufkleber mit der Aufschrift „keine Wettannahme unter 18 Jahren“ erbracht. Das Geschäftslokal sei dauernd ausschließlich durch den Pächter oder dessen Personal betreut worden.

4        Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht auf die unbedenkliche Aktenlage und die damit im Einklang stehende glaubwürdige Aussage des als Zeugen befragten Kontrollorgans.

5        Rechtlich sah das Verwaltungsgericht die objektive Tatseite der angelasteten Übertretungen als erfüllt an, weil am Wettannahmeschalter die Option bestanden habe, den Vorgang ohne Karte fortzusetzen, die Wette ohne den im Rahmen des Scannens der Kundenkarte eingeleiteten Identifikationsprozess habe abgeschlossen werden können und kein genauer Zeitraum für die Aktualisierung von - dem Tankstellenpersonal allenfalls zur Verfügung stehenden - Listen gesperrter Personen definiert gewesen sei. Das Verwaltungsgericht ging von Fahrlässigkeit des Erstrevisionswerbers aus. Weiters begründete es die Abstandnahme von der Befragung weiterer beantragter Zeugen sowie die Strafbemessung und die Spruchkorrektur.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Ablehnung ordnungsgemäßer Beweisanträge abgewichen. Die von den revisionswerbenden Parteien beantragten Zeugen hätten über die bekannt gegebenen Beweisthemen Auskunft geben können, weil der Zeuge A. als Tankstellenmitarbeiter selbst dafür gesorgt habe, dass keine minderjährigen und gesperrten Personen Wetten abschließen, indem er das Alter und das Nichtvorliegen einer Sperre kontrolliert habe, und weil die Zeugin M. als Mitarbeiterin der zweitrevisionswerbenden Partei die Einhaltung der Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes im verfahrensgegenständlichen Lokal kontrolliert sowie auch die entsprechenden Einweisungen des Tankstellenpersonals vorgenommen habe. Damit hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen können, dass ein anonymer Wettabschluss auch am Wettannahmeschalter nicht möglich gewesen sei, weil vor jedem Wettabschluss die dargestellte Kontrolle erfolgt sei und sich vor dem Eingang zum verfahrensgegenständlichen Tankstellenshop ein deutlich sichtbarer Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche befunden habe.

11       Damit wird jedoch nicht aufgezeigt, wie die beantragten Zeugen eigene Wahrnehmungen zu jedem möglichen Wettabschluss im gegenständlichen Lokal gehabt haben sollen, vor allem wenn nach den - insoweit nicht weiter bestrittenen - Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses das Geschäftslokal dauernd ausschließlich durch den „Pächter bzw. dessen Personal“ betreut wird, dort also mehrere verschiedene Personen arbeiten. Die Beweisthemen, ein bestimmter Tankstellenmitarbeiter habe selbst dafür gesorgt, dass keine minderjährigen und gesperrten Personen Wetten abschließen, und eine Kontrolle und Einweisung von Personal durch eine Mitarbeiterin der zweitrevisionswerbenden Partei sind daher nicht für die Feststellung ausreichend, dass eine Identitätsprüfung der Wettkunden vor jedem Wettabschluss auch tatsächlich erfolgt sei. Ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Maßgeblichkeit von Beweisanträgen wird daher nicht aufgezeigt.

12       Als Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 29 VwGVG wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein anonymer Wettabschluss möglich gewesen und ob vor dem Eingang auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche hingewiesen worden sei. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, ob das Verwaltungsgericht mit einer bestimmten Passage des angefochtenen Erkenntnisses eine rechtliche Beurteilung, Sachverhaltsfeststellungen oder eine Beweiswürdigung vornehme.

13       Dem steht entgegen, dass das angefochtene Erkenntnis den Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) entspricht, weil der der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt, die Gründe für die Beweiswürdigung und die rechtlichen Ableitungen durch Überschriften oder Fettdruck klar gegliedert und erkennbar sind. Darüber hinaus ist auf Grund des so strukturierten Aufbaus und der Begründungslinie des angefochtenen Erkenntnisses ersichtlich, dass die Feststellungen als abschließend in dem Sinn zu sehen sind, dass weder Sperrlisten vorlagen oder überprüft wurden noch ein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche vorhanden war.

14       Soweit die Revision eine grundsätzliche Rechtsfrage in einer unvertretbaren Beweiswürdigung sieht, weil aus dem Fehlen von Sperrlisten für den Tatzeitpunkt nicht abgeleitet werden könne, dass es am Wettannahmeschalter keine Sperr- und Identitätskontrolle gegeben habe, wird damit das vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zusätzlich herangezogene Argument des Mangels eines Aktualisierungsintervalls für derartige Verzeichnisse übergangen. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung (vgl. VwGH 8.9.2021, Ra 2021/02/0174, mwN) wird damit keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan.

15       Die revisionswerbenden Parteien erachten ihre Revision auch deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen in den Schriftsätzen und in der Verhandlung unrichtig und somit aktenwidrig wiedergegeben habe.

16       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn sich die Behörde oder das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. etwa VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0189 bis 0191, mwN). Da die beanstandeten Abweichungen nicht den im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt betreffen, wird das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt.

17       Schließlich beanstanden die revisionswerbenden Parteien eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den in § 44a Z 1 VStG statuierten Anforderungen an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch des Straferkenntnisses, weil ein - im ursprünglichen Vorwurf an den Erstrevisionswerber noch enthaltenes - Verb fehle.

18       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Umschreibung der Tat nach § 44a Z 1 VStG so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2017/02/0242, mwN). Im vorliegenden Revisionsfall wird aber nicht dargelegt, dass die revisionswerbenden Parteien durch die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt gewesen wären oder einer Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt seien.

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021020260.L00

Im RIS seit

23.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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