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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Mag. A M H in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 17. Februar 2020, RV/7100667/2020, betreffend Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 7. Februar 2020 beantragte die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom 4. September 2019, RV/7103657/2018. Den Antrag begründete die Revisionswerberin zusammengefasst damit, dass eine Kanzleimitarbeiterin ihrer Verfahrenshelferin aufgrund eines einmaligen Versehens den Revisionsschriftsatz per E-Mail an das BFG übermittelt habe, nachdem sich gezeigt habe, dass eine Übermittlung per Web-ERV nicht möglich sei. Die Verfahrenshelferin - die nach eigener Aussage noch nie Rechtsmittel per E-Mail habe versenden lassen - habe hingegen ihrer Kanzleikraft den Auftrag erteilt, den Revisionsschriftsatz „normal wegzuschicken“, womit sie die postalische Versendung gemeint habe.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BFG den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und sprach aus, dass eine Revision gegen diesen Beschluss gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das BFG aus, eine einmalige Verfehlung der Kanzleikraft liege nicht vor: Die Adressierung des als Anhang des E-Mails übermittelten Revisionsschriftsatzes - in dem die E-Mail-Adresse des BFG in der Adresszeile angeführt sei - zeige, dass eine Übermittlung per E-Mail beabsichtigt gewesen sei. Die Vorgehensweise der Kanzleikraft stehe somit im Einklang mit der beabsichtigten Art der Übermittlung und sei nicht als Verfehlung anzusehen.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
8 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
9 Die Zulässigkeit der Revision wird mit der Unrichtigkeit der Rechtsansicht des BFG, wonach kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis vorliege, begründet. Entgegen dieser Ansicht habe der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach in der Vergangenheit festgestellt, dass bei Vorliegen eines Grades des minderen Versehens sehr wohl ein Wiedereinsetzungsgrund vorliege. Zudem sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
11 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von welchen Aussagen der Rechtsprechung entfernt hätte (vgl. etwa VwGH 18.5.2020, Ra 2020/16/0029, mwN).
12 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/16/0052, mwN).
13 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 29.11.2021, Ra 2021/20/0417, 0418, mwN).
14 Diesen Vorgaben wird mit dem allgemeinen und unsubstantiierten Vorbringen der Revisionswerberin nicht entsprochen.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020160050.L00Im RIS seit
23.02.2022Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022