TE Vfgh Beschluss 2021/11/30 V185/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2021
beobachten
merken

Index

70/06 Schulunterricht

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
SchulunterrichtsG §22, §22a
ZeugnisformularV §3
Rundschreiben Nr 5/2007, Durchführungserlass zum Religionsunterricht, vom 05.03.2007
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Zeichenfolge "(IGGÖ)" in einem Rundschreiben des Bundesministers mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragstellerinnen, der Verfassungsgerichtshof möge die Zeichenfolge "(IGGÖ)" im Anhang A zum Rundschreiben des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung (im Folgenden: BMBWF) Nr 5/2007, idF des Rundschreibens Nr 14/2019 als gesetzwidrig aufheben.

2. Zur Zulässigkeit führen die Antragstellerinnen zusammengefasst aus, dass das Rundschreiben des BMBWF Nr 5/2007, idF des Rundschreibens Nr 14/2019 generelle Wirkung habe und als Verordnung zu qualifizieren sei. Auf Grund dieses Rundschreibens werde in den Schulnachrichten, Semesterzeugnissen und Jahreszeugnissen von Schülerinnen und Schülern, die sich zum Islam bekennen, nicht mehr "islam." als Religionsbekenntnis vermerkt, sondern finde die Bezeichnung "islam. (IGGÖ)" Verwendung.

2.1. Die Erstantragstellerin sei eine von zwei gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften nach dem Islamgesetz 2015. Der Name bzw die korrekte Bezeichnung der Erstantragstellerin sei "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich". Gemäß §9 Abs2 Islamgesetz 2015 seien der Name sowie alle daraus abgeleiteten Begriffe ausdrücklich geschützt und dürften nur mit Zustimmung der Erstantragstellerin verwendet werden. Durch die auf Grund des Rundschreibens Nr 5/2007, idF des Rundschreibens Nr 14/2019 festgelegte Bezeichnung des Religionsbekenntnisses als "islam. (IGGÖ)" in Schulzeugnissen werde die Erstantragstellerin unmittelbar in ihrem gesetzlich geschützten Namensrecht, ihrem Recht auf religiöse Autonomie und Selbstbestimmung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft sowie in ihrem Ausschließlichkeitsrecht verletzt.

2.2. Die Zweitantragstellerin sei Schülerin und besuche derzeit die 4. Schulstufe. Sie bekenne sich zum Islam und übe ihren Glauben alterskonform aus. In ihrer Schulnachricht für das Schuljahr 2020/2021 sei ihr Religionsbekenntnis mit "islam. (IGGÖ)" bezeichnet worden. Sie fühle sich dadurch in ihren religiösen Gefühlen und insbesondere in ihrem Recht auf individuelle Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt.

3. In der Sache begründen die Antragstellerinnen die Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Rundschreibens im Wesentlichen damit, dass es kein Religionsbekenntnis "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" oder "IGGÖ" gebe. Die von der Erstantragstellerin gelehrte und von der Zweitantragstellerin angenommene und praktizierte Religionslehre sei der Islam. Die in dem angefochtenen Rundschreiben vorgesehene Bezeichnung stehe im Widerspruch zum Islamgesetz 2015, zur genehmigten Verfassung und Lehre der Erstantragstellerin sowie zum Personenstandsgesetz 2013. Ferner stehe die einschränkende Bezeichnung im Widerspruch zum Selbstverständnis der Erstantragstellerin, wodurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art15 StGG, Art9 EMRK) und das daraus abgeleitete Ausschließlichkeitsrecht der Erstantragstellerin verletzt würden. Ebenso werde durch die Bezeichnung das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art14 StGG, Art9 EMRK) verletzt, weil sich die Zweitantragstellerin ohne Einschränkung zum islamischen Glauben bekenne. Es gebe zudem keine sachliche Rechtfertigung für die Änderung der Bezeichnung, weshalb auch gleichheitsrechtliche Bedenken bestünden. Schließlich sei das Rundschreiben Nr 14/2019, das die Bezeichnung des Religionsbekenntnisses als "islam. (IGGÖ)" festlege, nicht – wie nach dem Islamgesetz 2015 vorgesehen – vor der Erlassung zur Begutachtung an die Erstantragstellerin übermittelt worden.

4. Der BMBWF (Abteilung II/3 – Schulrechtslegistik) erstattete eine Äußerung, in der im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrages insbesondere Folgendes ausgeführt wird:

4.1. Das Rundschreiben Nr 5/2007, zuletzt geändert durch das Rundschreiben Nr 11/2020, sei mit dem Rundschreiben Nr 5/2021 vom 6. Mai 2021 über die Durchführungsrichtlinien zum Religions- sowie zum Ethikunterricht aufgehoben worden. Die Antragstellerinnen könnten daher – selbst wenn das Rundschreiben Nr 5/2007, idF des Rundschreibens Nr 14/2019 jene Wirkung entfalten würde, die von den Antragstellerinnen behauptet werde – von dem angefochtenen Rundschreiben nicht unmittelbar betroffen sein.

4.2. Zudem sei das Rundschreiben des BMBWF nicht als Verordnung zu qualifizieren. Das Rundschreiben Nr 5/2007, Durchführungserlass zum Religionsunterricht, welches durch das Rundschreiben Nr 14/2019 aktualisiert worden sei, informiere lediglich über die Religionsrechtslage. Dem Rundschreiben komme keine rechtsgestaltende Wirkung im Hinblick auf den Namen bzw die Kurzbezeichnung einer Kirche oder Religionsgesellschaft zu.

4.3. Anhang A des Rundschreibens Nr 5/2007 bzw die diesen abändernden Rundschreiben würden jene gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften nennen, denen eine Schülerin oder ein Schüler angehören könne. Dies diene dem erleichterten Vollzug des §3 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport über die Gestaltung von Zeugnisformularen (Zeugnisformularverordnung), BGBl 415/1989, wonach auf einem Zeugnisformular die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu vermerken sei. Die im Anhang A genannte Kurzbezeichnung stehe dabei für die jeweilige Kirche oder Religionsgesellschaft und nicht für ein Glaubensbekenntnis (vgl §3 Abs2 der Zeugnisformularverordnung).

4.4. Das Rundschreiben Nr 5/2007, zuletzt geändert durch das Rundschreiben Nr 11/2020, enthalte weder eine Rechtsmeinung im Hinblick auf die Rechtspersönlichkeit oder Bezeichnung einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft noch treffe es eine Feststellung zum Bekenntnis einer Schülerin oder eines Schülers. Das Rundschreiben diene lediglich der Information über einen rechtlich bestehenden Zustand. Dabei gebe das Rundschreiben jenen Namen bzw jene Kurzbezeichnung der Erstantragstellerin wieder, die im Rahmen ihrer Verfassung mit Bescheid des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien vom 26. Februar 2016 gem. §6 Abs1 Z1 Islamgesetz 2015 genehmigt worden sei. Somit treffe das angefochtene Rundschreiben keine rechtsverbindlichen Festlegungen, sondern gebe den Dienststellen der Schulverwaltung die Entscheidung des zuständigen Kultusamtes im Bundeskanzleramt bekannt.

II. Rechtslage

1. Die §§19, 22 und 22a des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 170/2021 lauten auszugsweise wie folgt:

"Information der Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigten und der Lehrberechtigten

§19. (1)–(1b) […]

(2) Am Ende des 1. Semesters ist für jede Schülerin und jeden Schüler eine Schulnachricht auszustellen. Davon ausgenommen sind die Vorschulstufe und Klassen der Volks- und Sonderschule, hinsichtlich derer anstelle der Beurteilung gemäß §§18 und 20 eine Information über die Lern- und Entwicklungssituation gemäß §18a tritt, sofern nicht gemäß §18a Abs6 die Ausstellung einer Schulnachricht verlangt wird, sowie lehrgangs- und saisonmäßige Berufsschulen. Weiters ausgenommen sind die 10. bis 13. Schulstufe von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen, hinsichtlich derer am Ende des 1. Semesters nach Maßgabe der Bestimmungen des §22a ein Semesterzeugnis über das betreffende Wintersemester auszustellen ist. Davon abweichend ist an lehrgangsmäßigen Berufsschulen auf Verlangen der Schülerin oder des Schülers eine Schulnachricht auszustellen, sofern der Lehrgang nach mindestens der Hälfte der Lehrgangsdauer unterbrochen wird. Die Schulnachricht hat die Noten der Schülerin oder des Schülers in den einzelnen Unterrichtsgegenständen (§18) zu enthalten. […]

(3)–(9) […]

Jahreszeugnis, Abschlußzeugnis, Schulbesuchsbestätigung

§22. (1)–(1a) […]

(2) Das Jahreszeugnis hat insbesondere zu enthalten:

a) die Bezeichnung, Form bzw Fachrichtung der Schulart und den Standort der Schule;

b) die Personalien des Schülers;

c) die besuchte Schulstufe und die Bezeichnung der Klasse (des Jahrganges);

d) die Unterrichtsgegenstände der betreffenden Schulstufe und die Beurteilung der darin erbrachten Leistungen (§20), in leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen auch die Angabe des Leistungsniveaus; an Berufsschulen entfällt die Angabe des Leistungsniveaus, doch ist im Falle des Besuches von Pflichtgegenständen mit erweitertem oder vertieftem Bildungsangebot (§47 Abs3 des Schulorganisationsgesetzes) ein diesbezüglicher Vermerk aufzunehmen, sofern dieser Vermerk nicht wegen der besonderen Bezeichnung dieser Pflichtgegenstände entbehrlich ist; im Falle des §31c ist ein diesbezüglicher Vermerk aufzunehmen;

e) die Beurteilung des Verhaltens des Schülers in der Schule nach Maßgabe des §21 Abs1;

f)–l) […]

(3)–(8) […]

(9) Die Gestaltung des Zeugnisformulares ist durch Verordnung des zuständigen Bundesministers nach den Erfordernissen der einzelnen Schularten zu bestimmen.

[…]

Semesterzeugnis

§22a. (1) Ab der 10. Schulstufe von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen ist für jeden Schüler am Ende jedes Semesters ein Semesterzeugnis auszustellen (semestrierte Oberstufe).

(2) Das Semesterzeugnis hat insbesondere zu enthalten:

1. Das Schuljahr und das Semester (Wintersemester, Sommersemester),

2. die Bezeichnung, Form bzw Fachrichtung der Schulart und den Standort der Schule,

3. die Personalien des Schülers,

4. die besuchte Schulstufe und die Bezeichnung der Klasse (des Jahrganges),

5. die Unterrichtsgegenstände des betreffenden Semesters und

a) die Beurteilung der darin erbrachten Leistungen (§20) oder

b) auf Verlangen die Beurteilung der im Rahmen eines allfälligen Unterrichtsbesuches gemäß §26b oder einer allfälligen Semesterprüfung gemäß §23b erbrachten Leistungen oder

c) im Fall der Wiederholung der Schulstufe die jeweils bessere Beurteilung der im Pflichtgegenstand erbrachten Leistungen, wenn diese vor der Wiederholung zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurden, und einen entsprechenden Vermerk oder

d) im Fall der Befreiung von der Teilnahme am Unterricht ein entsprechender Vermerk und im Fall der §§23b und 26b die Beurteilung der bei der Semesterprüfung bzw im Rahmen des Unterrichtsbesuches erbrachten Leistungen, […]

6.–11. […]

(3)–(5) […]

(6) Die Gestaltung des Zeugnisformulars für das Semesterzeugnis ist durch Verordnung des zuständigen Bundesministers nach den Erfordernissen der einzelnen Schularten zu bestimmen.

[…]"

2. §3 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 19. Juli 1989 über die Gestaltung von Zeugnisformularen (Zeugnisformularverordnung), BGBl 415/1989, idF BGBl II 250/2021 lautet auszugsweise wie folgt:

"2. Abschnitt

Zeugnisse, Schulbesuchsbestätigungen

Jahres- und Semesterzeugnis

§3. (1) In das Jahreszeugnis (Anlagen 2, 3 und 4) und in das Semesterzeugnis (Anlage 5) sind folgende Vermerke mit der erforderlichen Ergänzung aufzunehmen: […]

(2) Beim Religionsbekenntnis ist von Amts wegen die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bzw die Zugehörigkeit zu einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu vermerken. Beim Unterrichtsgegenstand Religion ist nach der Bezeichnung „Religion“ die Bezeichnung der gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu vermerken, an dessen Religionsunterricht eine Schülerin oder ein Schüler ohne Bekenntnis oder eine Schülerin oder ein Schüler, die oder der einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft angehört, teilgenommen hat.

(3)–(10) […]"

3. Das Rundschreiben Nr 5/2007, Durchführungserlass zum Religionsunterricht, Geschäftszahl: BMUKK-10.014/2-III/3/2007, vom 5. März 2007, kundgemacht auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/1997-2017/2007_05.html), lautete auszugsweise wie folgt:

"[…]

Verteiler: VI/N

Zentrallehranstalten

Höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalten

Pädagogische Akademien samt Übungsschulen Sachgebiet: Schulrecht/Religionsrecht Inhalt: Durchführungsbestimmungen betreffend den Religionsunterricht

Geltung: unbefristet

Rechtsgrundlagen: Art14, 15 und 17 StGG

Art2, zweiter Satz, des 1. ZP EMRK

§§1 ff Religionsunterrichtsgesetz

§13 Schulzeitgesetz 1985

§8 litd und h Schulorganisationsgesetz

§§10 Abs1 und 34 bis 40 Schulunterrichtsgesetz,

§§12 Abs1 und 33 bis 40 Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige

§3 Abs2 Zeugnisformularverordnung

§2 Abs6 BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften

Rundschreiben Nr 5/2007

Grundsätzliches:

Die österreichische Rechtsordnung kennt

?    gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften (Anhang A (pdf, 12 KB)) und

?    staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften (Anhang B (pdf, 71 KB)).

Personen, die weder einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft noch einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft angehören, gelten als Personen ohne Bekenntnis (o.B.).

Für alle Schüler und Schülerinnen, die einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, ist der Religionsunterricht ihres Bekenntnisses an den in §1 Abs1 RelUG genannten Schulen und an Schulen mit eigenem Organisationsstatut iSd §14 Abs2 PrivSchG Pflichtgegenstand.

Der Religionsunterricht ist konfessionell gebunden. Die Teilnahme (Besuch des Pflicht /Freigegenstandes Religion) von Schülern und Schülerinnen einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft an einem Religionsunterricht, welcher von einer anderen als der dem eigenen Bekenntnis entsprechenden Kirche oder Religionsgesellschaft eingerichtet wurde, ist nicht zulässig.

[…]

Eintragungen in Schulnachrichten und Jahres- bzw Semesterzeugnissen

Personalien

Gemäß §3 Abs2 der Zeugnisformularverordnung, BGBl Nr 415/1989 idgF, ist im Jahres- bzw Semesterzeugnis beim Religionsbekenntnis von Amts wegen die Zugehörigkeit

?    zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bzw

?    zu einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu vermerken.

Dabei sind die im Anhang A bzw B in Klammer gesetzten Kurzbezeichnungen, die nicht verändert werden dürfen, zu verwenden. Bei Schüle[r]n und Schülerinnen ohne Bekenntnis ist der für das Religionsbekenntnis vorgesehene Raum durchzustreichen.

Analog ist in der Schulnachricht (§19 Abs2 SchUG) vorzugehen.

Eine diesbezügliche Eintragung in das Abschlusszeugnis, das Reifeprüfungszeugnis, das Reife- und Diplomprüfungszeugnis sowie in das Abschlussprüfungszeugnis ist in der Zeugnisformularverordnung nicht vorgesehen und daher unzulässig.

[…]"

4. Das Rundschreiben Nr 14/2019, Neufassung der Anhänge A und B des Rundschreiben Nr 5/2007- neue Kurzbezeichnungen für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (islam. (IGGÖ)) sowie die Islamisch-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (islam. (SCHIA)), Geschäftszahl: BMBWF-10.014/0039-II/4/2019, vom 19. Juni 2019, kundgemacht auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/2019_14.html), lautete auszugsweise wie folgt (die angefochtene Zeichenfolge ist hervorgehoben):

"[…]

Verteiler: Rundschreiben-Verteiler Abteilung II/4

Zentrallehranstalten

Höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalten

Pädagogische Hochschulen samt Praxisschulen

Sachgebiet: Schulrecht/Religionsrecht

Inhalt: Durchführungsbestimmungen betreffend den Religionsunterricht

Geltung: unbefristet

Rechtsgrundlage: Religionsunterrichtsgesetz, BGBl Nr 190/1949 idgF

Adaptierung der Anhänge A und B

Mit gegenständlichem Rundschreiben wird das Rundschreiben Nr 5/2007 –'Durchführungsbestimmungen zum Religionsunterricht' - in seinen Anhängen A und B wie folgt adaptiert:

In Anhang A wird der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich nunmehr die Kurzbezeichnung 'islam. (IGGÖ)' beigefügt.

In Anhang B wird der Islamisch-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich nunmehr die Kurzbezeichnung 'islam. (SCHIA)' beigefügt.

Anhang A und Anhang B des Rundschreibens Nr 5/2007 werden in aktualisierter Fassung übermittelt.

Das Rundschreiben Nr 25/2018 tritt hiermit außer Kraft.

[…]

Anhang A

In Österreich gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften:

Katholische Kirche (mit folgenden Riten:)

römisch-katholisch (röm.-kath.)

[…]

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (islam. (IGGÖ))

[…]

Die nähere Bezeichnung der Zugehörigkeit zur römisch-katholischen, zur griechisch-orientalischen Kirche und zur Kirche 'Freikirchen in Österreich' hat nach den Angaben des Schülers bzw seiner Erziehungsberechtigten zu erfolgen.

[…]"

5. Das Rundschreiben Nr 5/2021, Durchführungsrichtlinien zum Religions- sowie zum Ethikunterricht, Geschäftszahl: 2021-0.043.794, vom 6. Mai 2021, kundgemacht auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (https://rundschreiben.bmbwf.gv.at/rundschreiben/?id=1014), lautet auszugsweise wie folgt:

"[…]

Das Rundschreiben Nr 5/2007 idF 11/2020 tritt hiermit außer Kraft.

[…]"

III. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. Die Antragslegimitation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG setzt unter anderem auch voraus, dass die bekämpfte Bestimmung nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof, sondern auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam ist. Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene oder in gleicher Weise wesentlich geänderte Rechtsvorschrift entfaltet für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung (vgl sinngemäß VfSlg 16.618/2002 mwN, 17.400/2004, 17.653/2005, 18.284/2007; VfGH 2.10.2013, V42/2013; 6.3.2019, G318/2018).

1.3. Die Antragstellerinnen beantragen die Aufhebung der Zeichenfolge "(IGGÖ)" im Anhang A zum Rundschreiben des BMBWF Nr 5/2007, idF des Rundschreibens Nr 14/2019. Das Rundschreiben Nr 5/2007 wurde jedoch mit dem Rundschreiben des BMBWF Nr 5/2021 vom 6. Mai 2021 über die Durchführungsrichtlinien zum Religions- sowie zum Ethikunterricht außer Kraft gesetzt. Es fehlt den Antragstellerinnen insoweit die – auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 14.712/1996 mwN) – erforderliche aktuelle Betroffenheit durch die bereits außer Kraft getretene Vorschrift und damit die Legitimation zu deren Anfechtung (vgl VfSlg 19.391/2011).

2. Der Antrag erweist sich daher schon aus diesem Grund als unzulässig.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Schulen, Erlass

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V185.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten