TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/25 LVwG-2022/25/0113-4

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Entscheidungsdatum

25.01.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von Frau AA, geb am **.**.****, wohnhaft in Adresse 1, **** Z, vom 03.01.2022, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 13.12.2021, Zl ***, betreffend Verfahren gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde seitens des Bürgermeisters von Z Frau AA gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen gerichtlicher Verurteilungen für die Ausübung des Gewerbes „Sprachdienstleistungen (das umfasst insbesondere Übersetzen, Dolmetschen, Schrift- und Gebärdendolmetschen, Lokalisierung von Software, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen“ verweigert.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im inländischen Strafregister über Frau AA 6 rechtskräftige Verurteilungen durch inländische und ausländische Gerichte aufschienen, die den Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 GewO 1994 bewirkten. Aufgrund der mit der selbständigen und unternehmerischen Tätigkeit verbundenen Kontakte mit Geschäftspartnern, Kunden und weiteren im geschäftlichen Zusammenhang stehenden Personen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Nachsichtswerberin wiederum gleiche oder ähnliche Delikte, welche den Gewerbeausschlussgrund darstellen, begehen werde.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der Frau AA damit argumentiert, dass sie arbeitslos sei und seit ca vier Monaten nicht mehr versichert, da sie davor in Karenz und damit automatisch versichert war. Sie lebe nur von den Alimenten ihrer zweijährigen Tochter und könne keine passende Arbeit finden, da sie zu 50 % behindert sei. Sie leide an Schwindel und habe chronische Knie- und Rückenschmerzen. Sie möchte selbständig als Übersetzerin/Dolmetscherin arbeiten, um für sich und ihre Tochter sorgen zu können. Sie sehe das als einzige Möglichkeit, um Geld zu verdienen und hoffe sehr, dass ihr eine Chance gegeben werde.

II.      Sachverhalt:

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen über Frau AA folgende Verurteilungen auf:

„01) AMTSG.Y (Deutschland) *** vom 01.07.2002

RK 09.07.2002

PAR 263/1 U 2 22 23 STGB

(BETRUG VERSUCHTER BETRUG)

Freiheitsstrafe 1 Jahr 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 09.07.2002

zu AMTSG.Y (Deutschland) *** RK 09.07.2002

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 09.07.2002

AMTSG.Y (Deutschland) *** vom 30.08.2005

02) LG Z *** vom 28.06.2005 RK 02.07.2005

PAR 288/1 15 299/1 StGB

Geldstrafe von 300 Tags zu je 2,00 EUR (600,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 07.06.2006

03) AMTSG.X (Deutschland) *** vom 27.01.2009 RK 04.02.2009

PAR 242/1 STGB

(DIEBSTAHL)

Datum der (letzten) Tat 08.06.2008

Freiheitsstrafe 1 Jahr, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 04.02.2009

zu AMTSG.X (Deutschland) *** RK 04.02.2009

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 04.02.2009

AMTSG.X (Deutschland) *** vom 24.02.2012

04) BG Z *** vom 17.04.2012 RK 23.04.2012

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 13.12.2011

Geldstrafe von 200 Tags zu je 4,00 EUR (800,00 EUR) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 04.03.2013

05) LG Z *** vom 06.02.2017 RK 17.02,2017

§§ 146,147 (2), 148 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 22.11.2016

Freiheitsstrafe 9 Monate

zu LG Z *** RK 17.02.2017

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 01.06.2017, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG Z *** vom 10.04.2017

zu LG Z *** RK 17.02.2017

Probezeit der bedingten Entlassung verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG Z *** vom 04.06.2020

06) BG Z *** vom 04.06.2020 RK 09.06.2020

§ 146 StGB

Datum der (letzten) Tat 25.08.2019

Geldstrafe von 200 Tags zu je 4,00 EUR (800,00 EUR) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe“

Verwaltungsstrafrechtlich ist Frau AA unbescholten.

Frau AA hat mit Bescheid der Universität Z vom 31.03.2009 den akademischen Grad „Bakkalaurea der Philosophie (Bakk.phil.)“ für das Bachelorstudium Russisch verliehen bekommen. Frau AA ist zu 50 % körperlich behindert, arbeitslos und nicht versichert. Sie ist Mutter einer zweijährigen Tochter.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten des Stadtmagistrates Z und des Landesverwaltungsgerichts Tirol.

IV.      Rechtslage:

Im vorliegenden Verfahren sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgeblich:

„§ 13

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn
1. sie von einem Gericht verurteilt worden sind

a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)

§ 26

Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(…)“

V.       Erwägungen:

In § 26 Abs 1 GewO ist die positive Persönlichkeitswertung als Nachsichtvoraussetzung vorgesehen. Es handelt sich um keine Ermessensentscheidung. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw auf sein Wohlverhalten abzustellen ist.

Die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO ist erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (VwGH 25.09.2012, Zl 2012/04/0113). Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen (VwGH 17.04.2012, Zl 2008/04/0009). Bei der Prognoseentscheidung gemäß § 26 Abs 1 ist auf die Hintergründe und Absichten des Beschwerdeführers bei der Begehung der strafbaren Handlungen nicht einzugehen (VwGH 28.09.2011, Zl 2011/04/0148 bis 0151). Unter Bedachtnahme auf mit der „Resozialisierung“ im Zusammenhang stehende Umstände kommt bei der Beurteilung des Tatbestandes der Persönlichkeit des Verurteilten keine Entscheidungsrelevanz zu (VwGH 19.09.1989, Zl 89/04/0053). Bei der Beurteilung der Eigenart der strafbaren Handlung ist auf das beeinträchtigte Rechtsgut und somit auf Delikte gegen fremdes Vermögen abzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die mehrfache Bestrafung wegen aus Gewinnsucht begangener Betrugshandlungen befürchten lässt, dass bei Ausübung eines mit Kundenkontakten verbundenen Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begangen werden (VwGH 19.09.1989, Zl 89/04/0053; 24.11.1992, Zl 92/04/0102; 20.12.1994, Zl 93/04/0097, anlässlich der Verurteilung wegen schweren Betruges).

In seiner Entscheidung vom 17.11.2004, Zl 2003/04/0123, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine bereits 6 Jahre zurückliegende Verurteilung wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges allein durch die verstrichene Zeit noch keine Änderung des aus dieser Straftat abzuleitenden Persönlichkeitsbildes bedeutet. In seiner Entscheidung vom 03.09.2008, Zl 2008/04/0025, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das zwischenzeitliche Wohlverhalten des Beschwerdeführers in der Dauer von 7 Jahren ab Tatbegehung verbunden mit dem Umstand der völligen Schadenswiedergutmachung für die Prognoseentscheidung bedeutet, dass die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht mehr zu befürchten ist.

Frau AA wurde wegen versuchten Betruges, Betruges, gewerbsmäßig schweren Betruges, versuchten Diebstahls und Diebstahls sowie falscher Beweisaussage und Begünstigung verurteilt. Die Verurteilungen beziehen sich somit hauptsächlich auf Vermögensdelikte. Bei sämtlichen dieser Verurteilungen wurde die Grenze von 3 Monaten Freiheitsstrafe bzw 180 Tagessätzen Geldstrafe überschritten, was den Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO nach sich zieht.

Die Beschwerdeführerin begründet ihr Rechtsmittel mit ihrer prekären wirtschaftlichen Lage und ihrer Körperbehinderung. Wenngleich diese von ihr geschilderten Umstände und ihr daraus abgeleitetes Begehren absolut nachvollziehbar sind, steht dem der Umstand entgegen, dass es sich hier um kein Strafverfahren, sondern um ein Administrativverfahren handelt, in dem sozialen Aspekten bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Verurteilten keine Entscheidungsrelevanz zukommt.

Im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung kann deshalb die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, wonach der Zeitraum zwischen der letzten Verurteilung (Rechtskraft 09.06.2020 in Bezug auf die letzte Tat vom 25.08.2019) und der Antragstellung noch nicht lange genug ist, um ein Wohlverhalten bzw eine wiederhergestellte Vertrauenswürdigkeit feststellen zu können, nicht als rechtswidrig beanstandet werden, weshalb der dagegen erhobenen Beschwerde keine Erfolg zukommen konnte und das Rechtsmittel daher abgewiesen werden musste.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Nachsicht
Ausschluss Gewerbeausübung
gerichtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.25.0113.4

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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