Entscheidungsdatum
25.01.2022Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §14Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, geb **.**.****, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.06.2021, ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und
a. der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben,
b. festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anmeldung des Gewerbes „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ per 07.06.2021 als gegeben anzusehen sind,
c. der belangten Behörde aufgetragen, die Eintragung dieses Gewerbes in das Gewerberegister zu veranlassen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.06.2021 wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung des von Herrn AA, geb **.**.**** am 07.06.2021 angemeldeten Gewerbes „Hausbetreuung“ im Standort **** X, Adresse 2, nicht vorliegen und wurde daher die Ausübung des Gewerbes untersagt.
Dagegen hat der rechtfreundlich vertretene Beschwerdeführer zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darin zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am **.**.**** geboren und eigenberechtigt sei, kein Ausschließungsgrund gemäß § 13 GewO 1994 vorliege und der Beschwerdeführer seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich habe.
II. Sachverhalt:
Der irakische Staatsangehörige AA, geb **.**.****, wohnhaft in der Adresse 2 in **** X reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.12.2015 einen Asylantrag, wie sich aus dem unten genannten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2021 ergibt.
Mit der Eingabe vom 07.06.2021 meldete der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde das freie Gewerbe „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ an.
Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt dieser Anmeldung über eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005, wie sich dem behördlichen Akt entnehmen lässt.
Auf verwaltungsgerichtliche Anfrage teilte die belangte Behörde in den E-Mails vom 22.12.2021 und 24.01.2022 mit, dass, abgesehen von der von der belangten Behörde monierten fehlenden Aufenthaltsberechtigung, aus Sicht der belangten Behörde keine Gründe vorliegen, welche gegen eine Gewerbeanmeldung zum Zeitpunkt der Anmeldung, sohin den 07.06.2021 sprechen würden.
Auf verwaltungsgerichtliche Anfrage wurde vom rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer mit der Eingabe vom 04.01.2022 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2021, Zahl ***, vorgelegt, mit dem die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2018, Zahl ***, als unbegründet abgewiesen wurde.
Auf verwaltungsgerichtliche Anfrage wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der E-Mail vom 19.01.2022 mitgeteilt, dass mit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2018, Zahl ***, eine Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status als Asylberechtigten, eine Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung des Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung erfolgten.
III. Beweiswürdigung:
Die vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich unzweifelhaft anhand der dem behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akt einliegenden bezüglichen Schriftstücke.
Der für die Entscheidung erforderliche Sachverhalt stand aufgrund der Aktenlage ausreichend fest. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden. Die Akten haben erkennen lassen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen daher weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
IV. Rechtslage:
Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 (§§ 5 und 339 idF BGBl I Nr 94/2017; § 14 idF BGBl I Nr 45/2018):
„2. Einteilung der Gewerbe
§ 5
(1) Soweit dieses Bundesgesetz hinsichtlich einzelner Gewerbe nicht anderes bestimmt, dürfen Gewerbe bei Erfüllung der allgemeinen und der bei einzelnen Gewerben vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes (§ 339) ausgeübt werden.
(2) Freie Gewerbe sind Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1, die nicht als reglementierte Gewerbe (§ 94) oder Teilgewerbe (§ 31) ausdrücklich angeführt sind. Unbeschadet allfälliger Ausübungsvorschriften ist für freie Gewerbe kein Befähigungsnachweis zu erbringen.
§ 14
(1) Ausländische natürliche Personen dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist. Angehörige von Staaten, mit denen kein derartiger Staatsvertrag abgeschlossen wurde, Personen, denen Asyl gewährt wird, oder Staatenlose dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen. Für Drittstaatsangehörige, die noch nicht rechtmäßig aufhältig sind (Erstantragsteller) und in Österreich ein Gewerbe ausüben wollen, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zulässt, zur rechtmäßigen Ausübung dieses Gewerbes erforderlich.
(…)“
2. Besondere Verfahrensbestimmungen
a) Anmeldungsverfahren
§ 339
(1) Wer ein Gewerbe ausüben will, hat die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.
(2) Die Anmeldung hat die genaue Bezeichnung des Gewerbes und des für die Ausübung in Aussicht genommenen Standortes zu enthalten. Bei der Anmeldung des freien Gewerbes der Marktfahrer oder des freien Gewerbes des Feilbietens gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 hat der Anmelder an Stelle der Bezeichnung eines Standortes die genaue Anschrift seiner Wohnung anzugeben; diese Wohnung gilt als Standort. Wenn es sich um Gewerbe handelt, die auf einem öffentlichen Verkehrsmittel, dessen Fahrt durch zwei oder mehrere Verwaltungsbezirke eines Bundeslandes oder durch zwei oder mehrere Bundesländer führt, oder in Verbindung mit Wanderveranstaltungen ausgeübt werden, hat der Anmelder als Standort die genaue Anschrift des Bürobetriebes anzugeben.
(3) Der Anmeldung sind folgende Belege anzuschließen:
1. Urkunden, die dem Nachweis über Vor- und Familiennamen der Person, ihre Wohnung, ihr Alter und ihre Staatsangehörigkeit dienen,
2. falls ein Befähigungsnachweis für das betreffende Gewerbe vorgeschrieben ist, die entsprechenden Belege, im Fall des § 16 Abs. 1 zweiter Satz die Anzeige der erfolgten Bestellung eines Geschäftsführers und
3. ein Auszug aus dem Firmenbuch, der nicht älter als sechs Monate sein darf, falls eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft die Anmeldung erstattet und der Anmelder den Firmenbuchauszug nicht bei der Behörde gemäß § 365g einholt.
(4) Die Anmeldung und die der Anmeldung anzuschließenden Belege können mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise, wie im Wege der Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft, eingebracht werden. Hat die Behörde Zweifel an der Echtheit der angeschlossenen Belege, kann sie den Einschreiter auffordern, die Urkunden im Original vorzulegen. Eine solche Urkunde gilt erst als eingelangt, wenn sie im Original vorliegt. Der Anmelder ist von der Beibringung der Belege entbunden, wenn
1. die betreffenden Daten bereits im GISA eingetragen sind oder
2. sich die Gewerbebehörde über die betreffenden Daten durch automationsunterstützte Abfrage gemäß § 365a Abs. 5 Kenntnis verschaffen kann.“
Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 – GVG-B 2005, BGBl Nr 405/1991 idF BGBl I Nr 145/2017:
„Erwerbstätigkeit durch Asylwerber
§ 7
(…)
(2) Die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist in den ersten 3 Monaten nach Einbringung des Asylantrages unzulässig. Der Beginn und das Ende einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist der Behörde mitzuteilen.
(…).“
Im Übrigen wird auf die Internetseite des Bundeskanzleramtes www.ris.bka.gv.at verwiesen.
V. Erwägungen:
Gemäß § 340 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen.
Liegen die im § 340 Abs 1 GewO 1994 genannten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Behörde dies gemäß § 340 Abs 3 GewO 1994 mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.
Im nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid stützte sich die belangte Behörde begründend auf den fehlenden rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hält dazu Folgendes fest:
Dem Landesverwaltungsgericht Tirol liegt aktuell eine Rechtsauskunft der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vom 10.11.2021 zur gegenständlichen Fragestellung vor, die wie folgt lautet:
„Das ho. Bundesministerium hat unter anderem in der erwähnten Erledigung vom 28.09.2015 festgehalten, dass Asylwerber gemäß § 7 Abs. 2 Grundversorgungsgesetz-Bund drei Monate nach Einbringung des Asylantrages eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben dürfen. Während sich das Aufenthaltsrecht von Asylwerbern aus § 13 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ergibt und bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes nach § 13 Abs. 2 AsylG 2005 besteht, erfolgt der Nachweis des Status als Asylwerber durch die in den §§ 50, 51 AsylG 2005 genannten Ausweise.
An der ho. geäußerten Rechtsansicht wird auch unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.03.2020, Ro 2019/09/0011, festgehalten. Dieses Erkenntnis bezieht sich auf den Zugang von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und letztlich auf die Frage, ob die Anwendung der § 4 Abs. 3, § 4b und § 5 AuslBG auf den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen Asylwerber mit der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie), vereinbar ist.
Die der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Überlegungen zur spezifischen Rechtslage im Ausländerbeschäftigungsgesetz lassen sich nicht auf die Rechtslage übertragen, die für den Antritt einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach der Gewerbeordnung durch Asylwerber gilt.
Maßgeblich für den Zugang von Asylwerbern zu Tätigkeiten, die unter die Gewerbeordnung fallen, ist weiterhin das nach § 14 GewO 1994 zu prüfende Vorliegen eines Aufenthaltsrechts; dieses ergibt sich aus § 13 Abs. 1 AsylG 2005 und berechtigt in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Grundversorgungsgesetz-Bund nach einer Wartezeit von drei Monaten zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (vgl. zur rechtmäßigen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auch VwGH 22.08.2019, Ra 2018/21/0134).
Das ho. Bundesministerium sieht sich durch die in der Anfrage genannte, nicht zu der für die selbstständige Erwerbstätigkeit nach der Gewerbeordnung geltende Rechtslage ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht veranlasst, von der bisher geäußerten Rechtsansicht abzugehen.“
Das Landesverwaltungsgericht Tirol schließt sich dieser Rechtsansicht vollinhaltlich an. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer, der im Besitz einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 Asylgesetz 2005 zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung war, diese Voraussetzung für den Erwerb des gegenständlichen Gewerbes erfüllt hat.
Dieser Zeitpunkt ist deshalb entscheidend, da wegen des konstitutiven Charakters der Gewerbeanmeldung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung abzustellen ist, wenn – wie gegenständlich – die Nachweise aller Voraussetzungen zur Ausübung des Gewerbes zu diesem Zeitpunkt vollständig beigebracht waren (vgl VwGH 12.12.2001, 2001/04/0148 uva).
Es ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung vorgelegen haben. Dahingehend hat sich auch die belangte Behörde - mit Ausnahme des monierten fehlenden Aufenthaltstitels - zustimmend geäußert.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Inwieweit der Beschwerdeführer nach wie vor die Voraussetzungen für Ausübung des gegenständlichen Gewerbes erfüllt (vgl hierzu das oben angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2021) ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
AufenthaltstitelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.32.1911.5Zuletzt aktualisiert am
21.02.2022