Index
L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde
1. der Brigitte H, 2. des Anton H, 3. der Hedwig S und 4. des Nikolaus S, sämtliche in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 4. März 1996, Zl. VI/1-B-18/1-1995, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Norbert G, M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 18. September 1992 beantragte der Zweitmitbeteiligte, das Grundstück Nr. 3438 der Liegenschaft EZ 460, KG M, zum Bauplatz zu erklären und ihm als Bauwerber die baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Stallgebäudes zu erteilen. Dieses Grundstück ist im bestehenden Flächenwidmungsplan als "Grünfläche-Landwirtschaft" ausgewiesen. Aufgrund des dem Ansuchen zugrunde liegenden Einreichplanes und der Baubeschreibung soll das "für Pferdezucht und Vermietung der Stallungen" vorgesehene Stallgebäude mit einer verbauten Fläche von 115 m2 rund 17 m von der südwestlichen Grundstücksgrenze entfernt errichtet werden. Getrennt durch die rund 4 m breite "Kurze Gasse" schließt an der südwestlichen Seite des vorgenannten Grundstückes das Grundstück Nr. 3427 des B. Daran schließt in südwestlicher Richtung das Grundstück Nr. 3428 der erst- und der zweitbeschwerdeführenden Parteien. Dieses Grundstück ist sohin vom Grundstück Nr. 3438 des Zweitmitbeteiligten rund 20 m entfernt. Ob und mit welchem Grundstück die dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien zum zu bebauenden Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß der geplante Bau oder dessen konsensgemäße Benützung Einwirkungen auf dieses ausüben können, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet, kann aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht entnommen werden.
Aus dem obzitierten Einreichplan ist weiters ersichtlich, daß von der an die "kurze Gasse" grenzenden Seite des Grundstückes Nr. 3438 rund 35 m entfernt eine Miststätte projektiert ist.
In der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 1993 wendeten die Beschwerdeführer ein, "daß durch die zu erwartende Geruchsbelästigung ihre Grundstücke abgewertet und die Lebensqualität verschlechtert werden würde. Dies umsomehr, als ihre Grundstücke im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen sind. Würde die Anlage am jenseitigen Grundstücksrand errichtet werden, könnten wir zustimmen. Aufgrund der Lage im Nahebereich zu unseren Grundstücken ist aber ein ständiges Ertragen der Geruchsentwicklung nicht tragbar.
..."
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 12. Oktober 1993 wurde das Grundstück Nr. 3438 KG M zum Bauplatz erklärt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 13. Oktober 1993 wurde dem Zweitmitbeteiligten antragsgemäß die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Pferdestalles auf dem Grundstück Nr. "3437 KG M bei plan- und befundgemäßer Ausführung" unter Auflagen erteilt.
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 25. Jänner 1994 wurde dieser Bescheid u.a. über Berufung der Beschwerdeführer im Grunde des § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz verwiesen. Die Behörde erster Instanz habe es unterlassen, durch ein Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen das zu erwartende Ausmaß der Geruchsimmissionen festzustellen. Ein medizinischer Sachverständiger sei zur Klärung eben dieser Frage nicht beigezogen worden.
In der vor der Baubehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 1995 wiederholten die Beschwerdeführer ihre bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 1993 vorgebrachten Einwendungen und ergänzten unter Hinweis auf § 86 der Burgenländischen Bauordnung, "daß der Abstand des Bauvorhabens von den angrenzenden Grundstücken der anwesenden Anrainer derart gering ist, daß eine Geruchsbelästigung zu erwarten ist, die über den Rahmen der Ortsüblichkeit hinausgeht. Ebenso ist mit einer Lärmbelästigung und einer Belästigung durch Insekten zu rechnen."
In seinem Befund hielt der landwirtschaftliche Amtssachverständige fest:
"Der Konsenswerber beabsichtigt auf dem Grundstück Nr. 3438 der KG M die Errichtung eines Pferdestalls für Zuchtzwecke. Als maximale Bestandsgröße soll eine Tieranzahl von maximal fünf Stück gehalten werden. Als Lüftung ist eine reine Schwerkraftlüftung und Fensterlüftung vorgesehen. Die Entsorgung der Exkremente soll wie beim Festmistsystem mit mobiler Lüftung auf dem vorgesehenen Festmistplatz erfolgen. Entmistungsintervall soll täglich erfolgen. Es ist eine Trockenlüftung vorgesehen. Das Gelände befindet sich in ebener Lage."
Gestützt auf eine "Richtlinie für den Schutz vor Immissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen" errechnete der landwirtschaftliche Amtssachverständige einen "Schutzabstand" von 11,70 m. Darunter sei "jene richtungsabhängige Entfernung, bei der ein weitgehender Schutz vor Immissionen aus der Nutztierhaltung zu erwarten ist", zu verstehen. Die Berechnung des "Schutzabstandes S" bezog sich offensichtlich nur auf den Geruchsfaktor, nicht jedoch auf die behauptete Lärm- und Insektenbelästigung.
Der landwirtschaftliche Amtssachverständige führte in der Folge in seinem Gutachten aus:
"Dieser Wert (Schutzabstand) kann jedoch aufgrund der Erfahrung als zu gering angesehen werden.
Aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens wird festgestellt, daß bezogen auf eine Großtiereinheit Pferd mit Sicherheit kein größeres Emissionsvolumen unterstellt werden kann als für die Großvieheinheit Schwein. In Anlehnung an die Richtlinien des Verbandes der deutschen Ingenieure kann für eine Großviehanzahl von fünf Schweinen und unter Berücksichtigung der Erhaltungsform (100 Punkte) ein notwendiger Abstand von 60 m ermittelt werden. Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die so ermittelten Abstände die Wahrnehmungsgrenze festlegen."
Der medizinische Amtssachverständige erstattete folgendes Gutachten:
"1. Geruchsbelästigung: Eine Geruchsbelästigung ist am ehesten aus der Miststätte zu erwarten. Derzeit liegt die geplante Miststätte ca. 40 m von der Grundstücksgrenze 3427 (Anton und Brigitte H) entfernt. Dieser Abstand ist zu gering, um eine Geruchsbelästigung hintanzuhalten. Der Amtsarzt empfiehlt eine Vergrößerung des Abstandes von 20 m auf 60 m. Diese Miststätte soll einen Auffangschacht aufweisen. Von den Tieren selbst ist eine Geruchsbelästigung nicht zu befürchten.
2. Lärmbelästigung: Eine Lärmbelästigung ist zu erwarten beim Galoppieren bzw. beim Wiehern. Dies kann als ortsüblich betrachtet werden.
3. Insektenbelästigung: Insektenbelästigung kann von der Miststätte und von den Pferden herrühren. In Anbetracht der Größe der Anlage ist eine unzumutbare Belästigung durch Insekten nicht zu erwarten.
Obgenannte Punkte ist zu bemessen von normal empfindlichen Menschen.
...
Hinsichtlich der Entfernung des Stallgebäudes zum Anrainergrundstück 3427 ist festzuhalten, daß die gegebenen 20 m als ausreichend angesehen werden. Dies vor allem deshalb, weil die Geruchsbelästigung in erster Linie durch den Einstreu und den Mist entsteht. Im Stallgebäude sind diese Geruchsquellen eingehaust. Die Öffnungen des Gebäudes zu dem Anrainer H entlüften den Aufenthaltsraum und den Sanitärraum, den Sattlerraum und die Futterkammer. Die Pferdeboxen liegen auf der entgegengesetzten Stallseite."
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 4. April 1995 wurde der zweitmitbeteiligten Partei gemäß §§ 88, 93 Abs. 1, 94 und 108 der Burgenländischen Bauordnung in Verbindung mit der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 4. Dezember 1991, mit der die Besorgung von Angelegenheiten bestimmter Gemeinden aus dem Bereich der örtlichen Baupolizei auf die jeweils angeführte örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen wird, LGBl. Nr. 97/1991, für die Errichtung eines Pferdestalles auf der Liegenschaft Grundstück Nr. "3437" KG M unter Auflagen erteilt.
Auflage Punkt 23 hat folgenden Wortlaut:
"Die Mistlagerstätte ist in einer Entfernung von mindestens 60 m von der Grundstücksgrenze 3427 KG M zu errichten."
Die Einwendungen der Beschwerdeführer bezüglich der zu erwartenden Lärm-, Insekten- und Geruchsbelästigung wurden als unbegründet abgewiesen. Dem schlüssigen medizinischen Gutachten zufolge sei die Lärmbelästigung als ortsüblich anzusehen; eine Insektenbelästigung sei nicht zu erwarten und eine Geruchsbelästigung bei Situierung der Mistlagerstätte mindestens 60 m vom nächsten Baulandgrundstück (Grundstück Nr. 3427) nicht zu befürchten.
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 4. März 1996 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Das Grundstück, auf welchem der gegenständliche Pferdestall errichtet werden soll, sei als Grünfläche-Landwirtschaft im Flächenwidmungsplan ausgewiesen. Diese spezielle Widmung soll u.a. das Halten von Nutztieren und die Errichtung dafür notwendiger Bauten ermöglichen. Bei der Bewertung von zu duldenden Immissionen, wie Geruchsbelästigung und Belästigung durch Insekten, sei von einem höheren Toleranzwert auszugehen als bei Gebieten, die im Flächenwidmungsplan nicht als Grünfläche ausgewiesen seien. Diese Umstände seien von der Baubehörde hinreichend berücksichtigt worden. Die beigezogenen Sachverständigen hätten aufgrund ihres Fachwissens die Ursachen sowie die Wirkungen von möglichen Belästigungen durch den landwirtschaftlichen Betriebsbau beschrieben. Weiters sei durch Berechnungen aufgrund von Richtlinien für den Schutz vor Immissionen und den Erfahrungswerten der Sachverständigen eindeutig und nachvollziehbar festgestellt worden, daß eine unzumutbare Geruchsbelästigung durch den von der Grundstücksgrenze 20 m entfernten Pferdestall nicht zu erwarten sei. Die Errichtung der Mistlagerstätte sei jedoch wegen der Bedenken und Schlußfolgerungen der Sachverständigen in einer Entfernung von mindestens 60 m genehmigt worden. In gleicher Weise sei auch eine eventuelle Lärm- und Insektenbelästigung geprüft und bewertet worden. Hiebei seien ebenso die obgenannten Abstände vom Nachbargrundstück für den Pferdestall und die Mistlagerstätte als ausreichend angesehen worden. Von der Berufungsbehörde werde im übrigen festgehalten, daß Pferde nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu jenen Tieren zählten, die am wenigsten mit Eigengeruch behaftet seien. Die Beschwerdeführer hätten es unterlassen, ihre Behauptungen über die Unrichtigkeit der Sachverständigenausführungen entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, daß der von den Sachverständigen erhobene Befund und die darauf beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlußfolgerungen falsch seien. Es bestehe nämlich die Mitwirkungspflicht der Parteien. Es reiche nicht aus, konkrete Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. Die Berufungsbehörde habe daher keine weiteren Beweiserhebungen durchführen müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht, entgegen den §§ 86 ff Burgenländische Bauordnung bei voraussichtlich das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen durch Emissionen, Insekten und Lärm einen Pferdestall als Nachbarn dulden zu müssen, verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In einem gemäß § 92 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/1994 (BO), abgeführten Verfahren über ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung sind die Nachbarn Parteien (§ 8 AVG). Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß er durch das Vorhaben in einem subjektiven Recht verletzt wird.
Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen baurechtlichen Vorschriften des Landes behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (öffentlich-rechtliche Einwendung), so hat gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die Baubehörde hierüber im Bescheid (§ 93 Abs. 2) zu erkennen und die Einwendung als unbegründet abzuweisen oder die Bewilligung zu versagen. Öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf die Vorschriften über die Bebauungsweise, die Entfernung der Bauten von den Nachbargrenzen oder Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Beschaffenheit des Bauplatzes und die Vorschriften, die den Schutz der Nachbarn vor Immissionen zum Gegenstand haben, gestützt werden.
Der Begriff "Nachbar" wird in der Burgenländischen Bauordnung nicht näher umschrieben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Nachbarn im Geltungsbereich der Burgenländischen Bauordnung die Eigentümer jener Liegenschaften, die zu der zur Verbauung vorgesehenen Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß der geplante Bau oder dessen konsensgemäße Benützung Einwirkungen auf diese Liegenschaften ausüben können, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet. Somit begründet bereits die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Rechtssphäre die Eigenschaft als Nachbar. Nachbar ist demnach nicht nur der Anrainer, also derjenige, dessen Grundstück mit dem zu verbauenden Grundstück eine gemeinsame Grundgrenze hat, sondern Nachbar kann auch der Eigentümer eines Grundstückes sein, das vom Baugrundstück durch dazwischen liegende Grundstücke getrennt ist. Je nach Größe der dazwischen liegenden Grundstücke und je nach der Art des Bauvorhabens kann ein unterschiedlich großer Personenkreis in Betracht kommen. Voraussetzung der Parteistellung des Nachbarn ist nicht die tatsächliche Verletzung von Nachbarrechten, vielmehr reicht zur Begründung der Parteistellung die Möglichkeit einer derartigen Verletzung aus (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/05/0053, mwN).
Die Baubehörden gehen davon aus, daß den Beschwerdeführern Parteistellung gemäß § 94 BO zukommt. Die zweitmitbeteiligte Partei (Bauwerber) hat die Parteistellung der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht in Zweifel gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof geht vorläufig ebenfalls davon aus, daß alle Beschwerdeführer Nachbarn im Sinne des § 94 Abs. 1 BO sind.
Für das zu bebauende Grundstück der zweitmitbeteiligten Partei gilt die Widmung Grünland-Landwirtschaft. Mit dieser Widmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Immissionsschutz verbunden (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996).
Gemäß § 63 Abs. 2 BO sind jedoch für Bauten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen vorzuschreiben, wenn keine besonderen Bauvorschriften bestehen.
Gemäß § 86 Abs. 1 leg. cit. müssen Stallungen, Düngerstätten, Silos udgl. von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, so weit entfernt sein, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen verursachen.
Die vorgenannten Gesetzesstellen verpflichten somit die Baubehörde, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Folgen erfahrungsgemäß das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist (vgl. hiezu nochmals das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/05/0053), und daß die im § 86 Abs. 1 BO aufgezählten baulichen Maßnahmen so weit entfernt sind, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen verursachen. Aus § 94 Abs. 3 in Verbindung mit § 63 Abs. 2 und § 86 Abs. 1 BO erwächst daher dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor zB. Geruchs- und Lärmbelästigung und Belästigung durch Insekten. Der im § 63 Abs. 2 und § 86 Abs. 1 leg. cit. normierte allgemeine Schutz des Nachbarn vor Belästigungen durch Immissionen gewährt allerdings - anders als der durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumte Immissionsschutz - grundsätzlich keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Nachbarn. Die Baubehörde hat aber jene Anordnungen zu treffen, die Belästigungen der Nachbarn, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanhalten. Unter der Voraussetzung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungs- und Nutzungsart haben die Nachbarn einen Anspruch darauf, daß sie durch die Vorschreibung nötiger Vorkehrungen vor das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Gefahren und Belästigungen geschützt werden. Im Fall des § 86 Abs. 1 BO führt dies dann zu einer Versagung der Baubewilligung, wenn infolge zu geringer Größe des zu bebauenden Grundstückes die Entfernung nicht erreicht werden kann, die für eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung der Straßenbenützer und Bewohner erforderlich ist.
Ob eine Gefahr oder Belästigung seitens eines - als zulässig erkannten - Betriebes zu befürchten ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hiebei im allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen und zwar grundsätzlich eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen, zu bedienen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284, mwN).
Entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides werden die für die hier zu lösende Rechtsfrage als Grundlage der Feststellungen herangezogenen Sachverständigengutachten diesen Voraussetzungen nicht gerecht. Für den Verwaltungsgerichtshof ist zum einen das in der Verhandlung vom 22. Februar 1995 erstattete Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen nicht nachvollziehbar. Zwar ermittelt dieser Sachverständige aufgrund einer - nicht näher erläuterten - mathematischen Formel den "notwendigen Schutzabstand" mit 11,70 m. In der Folge legt jedoch der Sachverständige "aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens" den "notwendigen Abstand" mit 60 m fest, ohne näher auszuführen, ob sich dieser auf die "Wahrnehmungsgrenze" bezogene Abstand sowohl auf die bewilligte Miststätte als auch auf den Stall bezieht. Aus der Anführung der Grundlagen für das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen läßt sich erschließen, daß sich dieses nur auf die Geruchsimmissionen bezieht. Der medizinische Sachverständige empfiehlt in seinem Gutachten, offensichtlich gestützt auf das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen, eine Vergrößerung des Abstandes der Miststätte auf ca. 60 m (gemeint offensichtlich von der Grundstücksgrenze des zu verbauenden Grundstückes). Die Feststellung im medizinischen Gutachten, "von den Tieren selbst ist eine Geruchsbelästigung nicht zu befürchten", ist für den Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht nachvollziehbar, da sie nicht näher begründet wurde und offensichtlich fachüberschreitend erfolgt ist. Aufgrund welcher Befundaufnahmen der medizinische Amtssachverständige zur Schlußfolgerung gelangt, eine Lärmbelästigung sei beim Galoppieren und beim Wiehern zu erwarten, dies sei jedoch als ortsüblich zu betrachten und in Anbetracht der Größe der Anlage sei eine unzumutbare Belästigung durch Insekten nicht zu erwarten, läßt sich für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehen. Auch die Feststellung des medizinischen Sachverständigen, die "Geruchsquellen" seien im Stallgebäude "eingehaust" und bewirkten offenbar keine unzumutbaren Belästigungen für die Beschwerdeführer, kann derzeit nicht nachvollziehbar überprüft werden. Insoweit sind daher diese Gutachten für den Verwaltungsgerichtshof mangels ausreichender Entscheidungsgrundlagen nicht auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfbar. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt somit vor.
Um abschließend beurteilen zu können, ob der projektsgemäß ausgeführte Pferdestall samt Miststätte der zweitmitbeteiligten Partei an der Grundstücksgrenze der - im fortgesetzten Verfahren konkret festzustellenden - betroffenen Grundstücke der Beschwerdeführer keine unzumutbaren Geruchs-, Lärm- und Insektenbelästigungen im Sinne des § 86 Abs. 1 BO enfaltet, bedarf es daher eines ergänzenden Gutachtens eines agrartechnischen Sachverständigen darüber, welche von den Beschwerdeführern rechtzeitig geltend gemachten Belästigungen an der Grenze der Grundstücke der Beschwerdeführer entstehen, und sodann begründeter Darlegungen in einem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen zur Frage, ob die festgestellten Belästigungen des Betriebes der zweitmitbeteiligten Partei das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß stören (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0217). In einem Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft ist das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigungen höher anzusetzen als zB. im Bauland-Dorfgebiet oder im Bauland-gemischtes Baugebiet, weil vor allem die durch eine Tierhaltung verursachten Belästigungen in einem für die Tierhaltung in Betracht kommenden Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft wohl intensiver sind. Das örtlich zumutbare Maß von durch Tierhaltung in Betracht kommenden Belästigungen ist aber auch in einem Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft dann überschritten, wenn die - weder gesundheits- noch lebensgefährlichen - Belästigungen das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß stören (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1992, Slg.Nr. 13.645/A, mwN). Es dürfen schon an der Grundgrenze der Grundstücke der Beschwerdeführer keine solchen das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1987, Zl. 86/05/0132, BauSlg. 892).
Festzuhalten ist abschließend, daß Richtlinien - wie zB das Baumerkblatt betreffend Immissionsschutz in der Tierhaltung - bloß eine Anleitung für den notwendigsten Immissionsschutz in der Nutztierhaltung beim Bau von Ställen darstellen; Richtlinien sind sohin grundsätzlich keine Regelungen mit normativer Wirkung (vgl. hiezu das obzitierte hg. Erkenntnis vom 24. März 1987, BauSlg. Nr. 892, sowie das hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0232). Im letztzitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auch darauf hingewiesen, daß der Sachverständige derartige Richtlinien als Grundlage seines Gutachtens heranziehen kann, wenn sie die den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Grenzwerte für die jeweiligen Widmungskategorien wiedergeben; dies ist jedoch im Gutachten in schlüssig nachvollziehbarer Weise zu begründen.
Die belangte Behörde hat sohin - wie oben aufgezeigt - die den Feststellungen zugrunde gelegten Sachverständigengutachten zu Unrecht als schlüssig begründet erkannt; sie belastete damit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im pauschalierten Schriftsatzaufwand ist die Umsatzsteuer bereits enthalten.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050105.X00Im RIS seit
11.07.2001