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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. Juni 1995, Zl. BauR - 011175/9 - 1995 Gr/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:
1. Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister, 2. S in G, vertreten durch Dr. W, Rechtanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 26. November 1992 beantragte der Zweitmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für den "Umbau des Wohnhauses von Herrn ... zwecks Errichtung eines Gastbetriebes auf Parzelle Nr. 80/8, KG X", laut beigelegtem Plan. In der dazugehörigen Baubeschreibung vom 30. November 1992 wurde die Art des Bauvorhabens mit "Renovierung und Adaptierung für Gastbetrieb, Entfernung von zwei Mauern; Errichtung von zwei Außentüren, WC für Gastbetrieb" umschrieben.
Das Grundstück Nr. 80/8, auf welchem das Haus Nr. .373/2 errichtet ist, grenzt im Süden an die B 120 (S-Straße). Im Osten und Norden grenzt an dieses Grundstück das Grundstück Nr. 80/2 des Beschwerdeführers, auf welchem das Haus Nr. .373/1 errichtet ist. Beide Grundstücke liegen im "Bauland-Wohngebiet".
Nach der in der Verhandlung der Baubehörde erster Instanz vom 24. Juni 1993 wiedergegebenen bautechnischen Beschreibung des beantragten Bauvorhabens soll das ursprünglich als reines Wohnhaus genutzte Objekt nunmehr im Erdgeschoß als "Gastgewerbebetrieb" um- und ausgebaut werden. Die Abmessungen und das äußere Aussehen des Hauptgebäudes werden im wesentlichen nicht verändert und bleiben daher auch die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen beibehalten. In dieser Verhandlung wendete der Beschwerdeführer, soweit für das Beschwerdeverfahren entscheidungsrelevant, ein:
"Auch im Bauverfahren ist zu berücksichtigen, für welche Zwecke der Bauwerber den Bau errichtet. Aus den vorliegenden Planunterlagen ist klar zu erkennen, daß der Bauwerber einen Barbetrieb mit nur wenigen Sitzgelegenheiten, dominiert durch eine 8,50 m lange Bar, und eine weitere 3,50 m lange Bar errichten möchte. Auch im Bauverfahren ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß durch geplante Bauvorhaben nicht der Konflikt zwischen den Nachbarn bereits vorprogrammiert wird.
Ein durch zwei Bars dominierter Raum mit anschließenden Stehtischen ohne verfügbare Küche kann nun nicht ernstlich als Cafe bezeichnet werden. Wie sich im Gewerbeverfahren noch zeigen wird, ergibt sich aus dem Gutachten N bereits, daß das geplante Lokal bis zu 1 dB an die aus medizinischer Sicht vertretbare Grenze heranreicht. Berücksichtigt man, daß sich in der Umgebung des geplanten Lokals ausschließlich Wohnungen befinden, ist auch die Erteilung einer Baubewilligung für den gegenständlichen Bereich nicht möglich."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom 15. September 1993 wurde die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt.
Die Einwendungen des Beschwerdeführers werden teilweise als unzulässig zurückgewiesen, teilweise abgewiesen; mit einem Teil seiner Einwendungen wurde der Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Cafe-Betrieb bringe bei Einhaltung der behördlichen Vorschreibungen keine unzulässige Beeinträchtigung in immissionstechnischer Sicht für die Nachbarn mit sich. Was nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei (hier: Befürchtung eines Bar- und Diskothekbetriebes) könne nicht Gegenstand der Verletzung eines Nachbarrechtes sein und sei daher auch keine Einwendung im Sinne dieses Gesetzes.
Der dagegen erhobenen Berufung u.a. des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 12. Jänner 1994 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 10. März 1994 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung u.a. des Beschwerdeführers mit der Feststellung Folge gegeben, daß durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Vorstellungswerber verletzt werden. Der bekämpfte Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde X mit der wesentlichen Begründung zurückverwiesen, für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens seien als Immissionspunkte nicht die Grundstücksgrenzen der Nachbarn herangezogen worden. Trotz der von den Vorstellungswerbern im Bauverfahren eingewendeten Unverträglichkeit des Bauvorhabens mit der gegebenen Flächenwidmung hätten es die Baubehörden unterlassen, zur Beantwortung der Frage der Zulässigkeit der Betriebstype "Kulturcafe" in der Widmungskategorie "Wohngebiet" ein betriebstypologisches Gutachten einzuholen, das auf den Gesamtsbetrieb eingehe und auf Ermittlungen bei bestehenden Vergleichsbetrieben aufzubauen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/05/0183).
Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 20. Juli 1994 wurde den gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Baubehörde erster Instanz vom 15. September 1993 erhobenen Berufungen neuerlich keine Folge gegeben und gleichzeitig die Baubewilligung für die Projektsänderung betreffend die "Umhausung" (Zubau) des Eingangsbereiches erteilt und die Erfüllung einer Auflage bezüglich der Lüftungsanlage vorgeschrieben.
Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 21. September 1994 wurde u.a. der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers Folge gegeben und festgestellt, daß die Vorstellungswerber durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt werden. Der bekämpfte Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen. Als tragenden Aufhebungsgrund führte die O.ö. Landesregierung an, das betriebstypologische Gutachten, das hinsichtlich der im Freien - beim Lokalzugang - verursachten Immissionsanteile eindeutig negativ sei, enthalte zwar offensichtlich eine Befundaufnahme bei bestehenden Vergleichsbetrieben. Diese Vergleichsbetriebe seien jedoch im Gutachten nicht namentlich angeführt; insofern erweise sich das betriebstypologische Gutachten als unschlüssig. Die bewilligte Projektsänderung wäre vor Erteilung der Baubewilligung einer bautechnischen Begutachtung zu unterziehen gewesen. Auch wäre die Immissionssituation der Projektsänderung durch Ergänzung sowohl des betriebstypologischen als auch des immissionsschutztechnischen Gutachtens erforderlich gewesen. Das Verfahren leide daher an einem Verfahrensmangel im Sinne des § 37 AVG.
Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 18. April 1995 den Berufungen gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 15. September 1993 neuerlich keine Folge gegeben und die beantragte Projektsänderung betreffend die Umhausung des Eingangsbereiches bewilligt. Zusätzlich wurde eine Auflage bezüglich der Lüftungsanlage vorgeschrieben.
Mit Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 9. Juni 1995 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird. Das dem Bescheid der Berufungsbehörde zugrunde gelegte immissionstechnische Sachverständigengutachten des bautechnischen Amtssachverständigen Dipl.-Ing. P vom 1. Juni 1994 sowie dessen Ergänzungsgutachten vom 24. November 1994 sei durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Durch die im Projekt vorgesehene Umhausung des Lokaleingangsbereiches werde im Bereich der nächstliegenden Immissionspunkte an den Nachbargrundgrenzen (für das Grundstück des Beschwerdeführers seien die Immissionsmeßpunkte 7 und 8 maßgeblich) weder eine Veränderung der Lärmsituation noch eine Überschreitung der Grenzwerte für die Schallpegelspitzen erreicht. Der medizinische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 1. Jänner 1995 überzeugend dargelegt, daß eine Gesundheitsgefährdung oder eine nachhaltige bzw. erhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Nachbarn durch Lärmimmissionen aus dem Lokal auszuschließen sei und daher aus medizinischer Sicht keine Bedenken gegen die Erteilung der beantragten Baubewilligung bestünden. Die vom Beschwerdeführer ins Spiel gebrachten (privaten) Gutachten seien nicht als gleichwertige Gegengutachten einzustufen. Insoweit der Beschwerdeführer die Widmungskonformität des Bauvorhabens anzweifle, sei festzuhalten, daß ein Nachbar nach herrschender Lehre auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien nur insofern ein subjektiv-öffentliches Recht besitze, als die konkrete Festlegung des Flächenwidmungsplanes auch dem Interesse des Nachbarn dient, d. h. einen Immissionsschutz gewähre. Insoweit der Nachbar einen nicht auf Immissionsschutzbestimmungen der betreffenden Widmungskategorie gründenden Widerspruch eines Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan behaupte ("wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Bedürfnisse"), könne ihm im Sinne dieser Ausführungen kein Mitspracherecht zukommen. Aus den betriebstypologischen Gutachten vom 1. Juni 1994 und vom 24. November 1994, die auf Lärmmessungen bei konkreten Vergleichsbetrieben (Cafe Z usw.) aufbauten, ergebe sich, daß die Lärmimmissionsanteile, die aus dem Gebäude ausgesendet würden, unter den technischen Richtwerten für städtische Wohngebiete (zulässige Emissionspegel von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr: 55 db(A); zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr:
45 dB(A); maximaler Spitzenpegel: zur Tagzeit 75 dB(A); abends, d. h. von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr: 70 dB(A); zur Nachtzeit 65 dB(A)) lägen. Problematisch seien lediglich jene Lärmemissionen, die auf betriebseigenen Freiflächen bewirkt würden. Bei Berücksichtigung des Umstandes, daß in den letzten Jahren die Eingangsbereiche zu vielen Gastgewerbebetrieben so umhaust wurden, daß möglichst keine betriebseigenen Freiflächen übrig blieben, könne eine Umhausung des Lokaleingangs in der geplanten Art als "typische Schallschutzmaßnahme" für einen Gastgewerbebetrieb beurteilt werden und habe dies zur Folge, daß die technischen Richtwerte für städtische Wohngebiete auch während der Nachtzeit eingehalten würden (dies unter der Voraussetzung, daß, wie im gegebenen Fall, keine Gästeparkplätze existierten). Ausgehend von diesen beiden Gutachten habe der medizinische Amtssachverständige Dr. H im Gutachten vom 9. Jänner 1995 in betriebstypologischer Hinsicht festgestellt, daß bei vergleichbaren "typischen" Cafehäusern ohne Freibereich erhebliche Belästigungen für die Bewohner in Form von Lärmimmissionen ausgeschlossen werden könnten. Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers, die Qualität und die Beweiskraft der zur Betriebstypenfrage eingeholten Gutachten seien anzuzweifeln, müsse der Beschwerdeführer darauf verwiesen werden, daß ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, nicht jedoch mit bloß laienhaften gegenteiligen Äußerungen bekämpft werden könne. Habe ein Rechtsmittelwerber grundlegende Bedenken gegen ein Gutachten, sei es an ihm gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten. Mit der Behauptung des Beschwerdeführers, daß der vom Bauwerber vorgelegte Änderungsplan die an einen Einreichplan gestellten Anforderungen nicht erfülle und der Aufbau der Umhausung des Eingangsbereiches nirgends näher umschrieben, das Projekt sohin nicht hinreichend konkretisiert worden sei, verkenne der Beschwerdeführer, daß der Nachbar kein subjektives Recht darauf habe, daß die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig und der Rechtslage entsprechend der Behörde vorgelegt werden müssen. Mängel der Pläne und sonstigen Anlagen begründeten vielmehr nur dann eine Verletzung von Nachbarrechten, wenn sich der Nachbar infolge der Mängel nicht ausreichend über Umfang und Art des Bauvorhabens sowie über die Einflußnahme auf seine Rechte informieren könne. Die hier zu beurteilende Projektsänderung sei im bautechnischen Amtssachverständigengutachten vom 24. November 1994 auf Grundlage des Einreichplanes vom 17. November 1992, einer gesonderten Baubeschreibung, von skizzierten Außenansichten sowie einem schalltechnischen Projekt vom 3. Oktober 1994 in ausreichender Art und Weise überprüft worden. Von Planmängeln könne keine Rede sein. Wenn der Beschwerdeführer rüge, daß den Einreichunterlagen die genaue Anzahl der Sitz- und Stehplätze nicht zu entnehmen sei, sei auf die Ausführungen zu verweisen, nach denen ein Nachbar keinen grundsätzlichen Rechtsanspruch darauf habe, daß die Planunterlagen den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Davon abgesehen könne bei näherer Betrachtung der Einreichunterlagen sowie unter Berücksichtigung des § 44 der O.ö. Bauordnung 1976 keine Rede von einer Mangelhaftigkeit der Planunterlagen sein und werde vor allem die Baubeschreibung den im § 44 Abs. 1 lit. c O.ö. Bauordnung genannten Anforderungen gerecht. Außerdem dürfe im gegebenen Zusammenhang nicht übersehen werden, daß der Betrieb als solcher, insbeondere die einzelnen Betriebsabläufe, nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens sein könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf Immissionsschutz als Nachbar zur Wahrung der widmungsgemäßen Benutzung (seines) Wohnhauses durch die Behörde verletzt". Entscheidungswesentlich führt der Beschwerdeführer hiezu aus, die belangte Behörde habe seine Einwendungen betreffend die Widmungskonformität nicht erörtert. Die Frage der Emissionen des zu beurteilenden Projektes hänge wesentlich davon ab, ob im gegenständlichen Objekt ein Bar- und Nachtlokal oder ein Kulturcafe errichtet werde. Im § 16 Abs. 3 O.ö. Raumordnungsgesetz 1973 habe der Gesetzgeber verhindern wollen, daß in Wohngebieten Bauten errichtet würden, die zwangsläufig zu einer Konfliktsituation mit den Nachbarn führen müßten. Diese Intention habe der Gesetzgeber durch die neue Diktion des § 22
O.ö. Raumordnungsgesetz 1994 insofern nochmals verdeutlicht, als andere Bauten in Wohngebieten nur errichtet werden dürften, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohner dienten. Diese Gesetzesänderung habe die belangte Behörde völlig mißachtet. Die belangte Behörde habe übersehen, daß im Bauverfahren Feststellungen darüber vom Beschwerdeführer beantragt worden seien, ob das gegenständliche Projekt einen Nachtlokalbetrieb oder ein Cafe darstelle. Demgegenüber hätten die Sachverständigen ausschließlich Feststellungen darüber getroffen, welche Immissionen üblicherweise von einem Cafehausbetrieb ausgingen, ohne überhaupt festzustellen, ob das beantragte Projekt auch tatsächlich ein Cafehausbetrieb sei. Daß bei einem Nachtlokal andere Emissionswerte zu erwarten seien als bei einem Cafehausbetrieb, bedürfe keiner Erörterung. Es könne die Frage der Widmung nicht einfach dadurch umgangen werden, daß ein gewisses Projekt mit dem Wortbestandteil "Kultur" versehen werde und damit bereits die Widmungsgemäßheit gewährleistet wäre.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da sich der Inhalt der im Flächenwidmungsplan festgesetzen Widmung "Wohngebiet" mangels einer anderslautenden gesetzlichen Übergangsbestimmung nach dem Inhalt jener gesetzlichen Bestimmung richtet, die im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwimdungsplanes gegolten hat, ist die Zulässigkeit des gegenständlichen Projektes an der Bestimmung des § 16 Abs. 3 des O.ö. Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1972 in der zuletzt gültigen Fassung (O.ö. ROG), zu messen, und nicht, wie dies der Beschwerdeführer vermeint, nach dem
O.ö. Raumordnungsgesetz 1994 (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0232, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0347).
Gemäß § 49 Abs. 2 der hier anzuwendenden
O.ö. Bauordnung 1976 (O.ö. BO) ist, sofern nicht eine Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 45 zu erfolgen hat, die beantragte Baubewilligung zu erteilen, wenn die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers vorliegt und das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes sowie, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 4, dem § 23, den hiezu erlassenen Durchführungsvorschriften und sonstigen baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht. Andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen.
Gemäß § 16 Abs. 3 O.ö. ROG sind als Wohngebiete solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind; andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Bewohner mit sich bringt; unter den gleichen Voraussetzungen dürfen in Wohngebieten dem Fremdenverkehr dienende Gebäude und Anlagen errichtet werden. Flächen für Wohngebiete können auch als reine Wohngebiete vorgesehen werden; in reinen Wohngebieten dürfen neben Wohngebäuden nur solche in Wohngebieten zulässige Bauten und sonstige Anlagen errichtet werden, die der Deckung des Bedarfes der Bewohner dienen.
Eine nach dem Flächenwidmungsplan festgesetzte Widmung bewirkt, daß nur für solche Vorhaben eine baubehördliche Bewilligung erteilt werden darf, die in der bestimmten Widmungskategorie zulässig sind. Aus der Anordnung der Widmungskategorien in Flächenwidmungsplänen erfließen grundsätzlich Nachbarrechte auf Beachtung derselben insoweit, als die in diesen generellen Normen enthaltenen Regelungen unter Gesichtspunkten getroffen worden sind, die nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch Interessen der Nachbarn in sich schließen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. November 1972, Slg. Nr. 8317/A). Widmungskategorien kommen als eine subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gewährleistende Norm somit jedenfalls insoweit in Betracht, als durch die bestimmte Widmungskategorie ein Immissionsschutz gewährleistet wird (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, S. 234, und die dort referierte hg. Judikatur).
Nach ständiger Rechtsprechung - von welcher abzugehen der gegenständliche Beschwerdefall keinen Anlaß bietet - ist Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung (hier: Wohngebiet) für die Baubehörden - anders als für die Gewerbebehörde - nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Anlagen bis ins einzelne fest umrissener Betrieb. Als Maßstab hat vielmehr eine, nach Art der dort üblicherweise nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zum Schutz vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen sowie nach Art der dort entsprechend diesen Merkmalen herkömmlicherweise entfalteten Tätigkeit, auf das Ausmaß und die Intensität der dadurch verursachten Emissionen zu beurteilende Betriebstype zu dienen. Ein typenmäßig unzulässiges Bauvorhaben kann demnach nicht durch Vorschreibung von Auflagen zulässig gemacht werden. Eine andere Auslegung würde nämlich dazu führen, daß bauliche Anlagen, die typenmäßig nur in den im § 16 Abs. 4 ff O.ö. ROG umschriebenen Gebieten zulässig sind, durch die Vorschreibung von Auflagen auch im Wohngebiet errichtet werden dürften. Dies widerspreche aber schon den im § 2 O.ö. ROG normierten Raumordnungsgrundsätzen (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0232). Der Flächenwidmungsplan ist eine Planungsnorm, die auf Grund der ermächtigenden Bestimmungen des O.ö. ROG die Nutzungsanordnung festlegt. Daraus ist abzuleiten, daß die die Widmungskategorien kennzeichnenden Merkmale im Zweifel nicht auf die tatsächlich bestehende Umweltbelastung abstellen, sondern, soweit sie sich auf den Standort von Emittenten beziehen, das für alle Flächen der betreffenden Wimdungskategorie zulässige Immissionsmaß einheitlich festlegen. Bei einem Merkmal "... keine unzumutbare Belästigungen ..." ist nicht die Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall im Hinblick auf die jeweilige örtliche Situation zu ermitteln; vielmehr wird durch das angeführte Merkmal das für alle Flächen des Wohngebietes zulässige Höchstmaß an belästigenden Immissionen normiert (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/05/0280). Bei insoweit vergleichbarer Gesetzeslage hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur ausgesprochen, daß ein Cafehaus mit Imbißbetrieb seiner Betriebstype nach im Kerngebiet zulässig ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1987, Zlen. 86/06/0049, 0239, BauSlg. Nr. 1035), die Erweiterung eines Gasthauses und ein Cafehausbetrieb mit der Widmung Wohngebiet grundsätzlich vereinbar ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0081, BauSlg. Nr. 911, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1981, Zl. 81/06/0115), und ebenso ein "Tagescafe" im Wohngebiet für zulässig angesehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 84/06/0184, BauSlg. Nr. 885). Die Errichtung eines Tagesespresso"s muß nicht der Widmung "reines Wohngebiet" widersprechen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. November 1986, Zl. 86/06/0133, Slg. Nr. 11.290/A = BauSlg. Nr. 802), ein Gastlokal in der Betriebsform einer Diskothek entspricht jedoch seinem Betriebstyp nach nicht der Widmung Wohngebiet, vielmehr handelt es sich hiebei um eine Vergnügungsstätte, wie sie für Kerngebiete vorgesehen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0233). Mag sich auch der im letztzitierten Erkenntnis behandelte Gegenstand auf Tatbestandsmerkmale der Widmungskategorien bezogen haben, die nicht den Immissionsschutz gewährleisten und daher nicht dem Schutz des Nachbarn dienen, so ergibt sich dennoch aus der vorzitierten Judikatur, daß es zur Klärung der Frage, ob ein Bauvorhaben betreffend einen zu bewilligenden Betrieb seiner Betriebstype nach geeignet ist, im Sinne des § 16 Abs. 3 O.ö. ROG Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Bewohner mit sich zu bringen, eines Gutachtens bedarf, welches im Sinne der obzitierten Rechtsprechung zur sogenannten "Betriebstypentheorie" im Zweifelsfall auf der Grundlage einer Gegenüberstellung mit vergleichbaren Betrieben darüber Aufschluß gibt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0027). Ein solches Gutachten kann jedoch nur auf Grund entsprechender, den gesamten Betriebsablauf umfassender Sachverhaltsgrundlagen ermittelt werden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zlen. 94/05/0306, 0307). Demnach ist die Behörde bei der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zunächst verpflichtet, sich ein Bild über den Betrieb als solchen (einschließlich des Betriebsablaufes) zu verschaffen, um die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens im aufgezeigten Sinn erörtern zu können (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1979, Slg. Nr. 9845/A). Daran ändert nichts, daß - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit zutreffend ausführt - nicht der Betrieb als solcher, insbesondere die einzelnen Betriebsabläufe, Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens sind. Die Baubehörde ist aber verpflichtet, sich ein Bild über den Betrieb als solchen (einschließlich des Betriebsablaufes) zu verschaffen, um die Frage der Genehmigung des Bauvorhabens erörtern zu können (vgl. hiezu Hauer, a.a.O., S. 261). Für die Prüfung durch die Baubehörde, ob das Vorhaben mit der hier gegebenen Flächenwidmung Wohngebiet vereinbar ist oder nicht, wäre daher von der Behörde festzustellen gewesen, wie der Betrieb einschließlich des Betriebsablaufes im hier durch die bewilligten baulichen Maßnahmen umgebauten Gebäude gestaltet werden soll, um beurteilen zu können, welcher Betriebstype das in erster Instanz als "Cafe" bezeichnete Vorhaben zuzurechnen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Slg. Nr. 13.196/A). Dies kann nur auf Grund einer vom Antragsteller vorgelegten - jedenfalls alle möglichen Belästigungen der Anrainer umfassenden - Betriebsbeschreibung, welche auch Grundlage des Baubewilligungsbescheides zu sein hat, erfolgen. Von welchen Betriebsabläufen die Berufungsbehörde in ihrem Bescheid vom 18. April 1995 beim hier zu bewilligenden Vorhaben ausgegangen ist, kann derzeit abschließend nicht gesagt werden. Ob die in der Verhandlung am 24. Juni 1993 von dem von der Gewerbebehörde beigezogenen Sachverständigen wiedergegebene Betriebsbeschreibung auch für das Bauverfahren Gültigkeit hat und Grundlage für die betriebstypologischen Gutachten und in der Folge für die Baubewilligungsbescheide sein kann, wurde im Verfahren vor den Baubehörden nicht erörtert und läßt sich mangels nachvollziehbarer Hinweise im Verwaltungsakt noch nicht beantworten.
Ob daher die von den Gutachtern beschriebenen Vergleichsbetriebe zur Feststellung der Betriebstype und deren Auswirkungen auf den hier gegenständlichen Betrieb bezogen werden können, läßt sich derzeit noch nicht beurteilen, zumal der (eingeschränkten) Betriebszeit entscheidende Bedeutung zukommen kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 90/05/0015).
Abschließend verweist jedoch der Verwaltungsgerichtshof darauf, daß sich Emissionen eines als zulässig erkannten Betriebes, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, von den Nachbarn hingenommen werden müssen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0004), und Cafes, Restaurants und Gasthäuser grundsätzlich nicht nur außerhalb des Wohngebietes errichtet werden dürfen, da ein Wohngebiet, in dem es keinerlei Infrastruktur gibt, wozu eben auch Gaststätten und Cafes gehören, nicht Ziel des O.ö. ROG ist. Die Schranke, die das Gesetz für Bauten und sonstige Anlagen, die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen dienen, liegt nach dem Oö. ROG dort, wo die Benützung derselben Gefahren oder unzumutbare Belästigungen der Bevölkerung bedeuten würden.
Aus den oben dargelegten Gründen erweist sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Der Zuspruch des Schriftsatzaufwandes erfolgte im begehrten, die Zuerkennung des Stempelgebührenaufwandes im erforderlichen Umfang.
Schlagworte
Beweismittel SachverständigenbeweisAnforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050220.X00Im RIS seit
22.10.2001Zuletzt aktualisiert am
06.08.2009