TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/17 94/05/0164

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Veröffentlicht am 17.09.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3;
BauO NÖ 1976 §47;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Dr. K in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. Mai 1994, Zl. R/1-B-9319/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben des Bundes (mitbeteiligte Partei: der Bund, vertreten durch die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand dieses Bauverfahrens ist das zwischen dem an der Horner Bundesstraße gelegenen Postamtsgebäude (Horn, Hauptplatz 4) und dem im hinteren Teil des Grundstückes Nr. 261 befindlichen Wählamt gelegene Zwischengebäude. Der Beschwerdeführer ist seitlicher Nachbar dieses an der Grundstücksgrenze errichteten Zwischengebäudes. Im Zuge der mit Bescheid vom 9. Juli 1992 rechtskräftig bewilligten Umbauarbeiten stellte sich die Notwendigkeit der Änderung der Dachausführung heraus, weshalb der Mitbeteiligte am 7. Oktober 1992 unter Vorlage eines Planes vom 22. September 1992 diesbezüglich um Baubewilligung ansuchte; das über dem zweiten Obergeschoß, in dem ein Systemraum eingerichtet ist, befindliche Flachdach sollte durch ein Pultdach ersetzt werden. Dafür war eine Attikaaufmauerung an der Grundstücksgrenze um 1,15 m bis 1,33 m vorgesehen; das Dach sollte in Richtung zum Hof des Bauwerbers abfallen. Von der aufgrund einer in der Bauverhandlung getroffenen erteilten Baubewilligung vom 22. Jänner 1993, wonach das Dach durch hofseitige Aufmauerung zur Nachbargrenze abfallen sollte, machte der Mitbeteiligte keinen Gebrauch, sondern stellte am 14 April 1993 ein neues Ansuchen um Bewilligung des seinerzeit am 6. September 1992 beantragten Projektes. In der Bauverhandlung vom 5. Mai 1993 verwies der Bausachverständige darauf, daß kein Bebauungsplan bestehe, weshalb zu erörtern gewesen sei, ob das Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe. Die Gebäudehöhe des straßenseitigen Postamtes betrage 4 m mehr und des bestehenden Wählamtes 3 m mehr als die Gebäudehöhe des Zwischentraktes. Nach Aufsetzen des Pultdaches werde die Gebäudehöhe des Zwischentraktes nach wie vor geringer sein als die Gebäudehöhe des straßenseitigen Postamtstraktes und des Wählamtstraktes. Daher ergebe sich aus fachlicher Sicht, daß durch eine Erhöhung beim Zwischentrakt um 1,15 m bis 1,33 m hinsichtlich der Gebäudehöhe kein auffallender Widerspruch zur bestehenden Gebäudehöhe gegeben bzw. erkennbar sei.

Der Beschwerdeführer wendete bei dieser Verhandlung ein, der Bauwerber habe auf eine Erhöhung der Außenmauer in der Verhandlung vom 20. Jänner 1993 bindend verzichtet. Durch die Erhöhung wäre die notwendige Belichtung und Belüftung seines Gebäudes nicht mehr gewährleistet. Weil kein Bebauungsplan vorliege, sei auf die anrainenden Altbestände Rücksicht zu nehmen. Die Höhe für den Neubau müsse so gewählt werden, daß die Vorschrift des § 47 BO für sein Grundstück gewahrt bleibe.

Mit Bescheid vom 21. September 1993 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Horn die begehrte Baubewilligung. Da der bestehende Zwischentrakt 3 m bzw. 4 m niedriger als die anschließenden Gebäude sei, bewirke eine Erhöhung um 1,15 m 1,33 m keinen auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung. Aus § 47 NÖ BauO. könne kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht abgeleitet werden.

In seiner dagegen erstatteten Berufung machte der Beschwerdeführer Verfahrensmängel insofern geltend, als zur Beurteilung des auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung nur ein Gebäude berücksichtigt wurde, nicht aber das umliegende Gebiet. Die Gebäude im näheren und weiteren Bereich des gegenständlichen Gebäudes seien zwar zur Straßenseite hin teilweise höher, doch hätten diese Gebäude dann eine geringere Tiefe, die weiter dahinterliegenden Baulichkeiten seien wesentlich niedriger. Gebäude, die eine entsprechende Tiefe hätten, seien auch an der Straßenseite niedriger. Durch diese Bebauungsart und Bauweise würden die Hofräume über entsprechende Belüftungen und Belichtungen verfügen. Der Antrag hätte bei richtiger Feststellung und rechtlicher Beurteilung gemäß § 120 NÖ BauO. abgewiesen werden müssen. Die begehrte Erhöhung würde eine wesentliche Verschlechterung des Lichteinfalles auf das Gebäude des Beschwerdeführers herbeiführen. Diesbezüglich verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf die Bestimmung des § 47 NÖ BauO.

Die belangte Behörde wies diese Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Aufgrund der nunmehr anzuwendenden Fassung des § 120 Abs. 3 Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. 8200-9 (im Folgenden: BO), sei im Hinblick auf einen allfälligen auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung lediglich die Frage der Bebauungsweise bzw. der Bebauungshöhe zu beurteilen. Es könne der Baubehörde erster Instanz nicht entgegengetreten werden, wenn sie wegen der beiden höheren, unmittelbar angrenzenden Gebäude das Vorliegen eines auffallenden Widerspruches zur geplanten Bebauung verneint habe. Dabei gehe auch die Kritik des Beschwerdeführers an der Abgrenzung des Bezugsbereiches ins Leere.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Gesetzwidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Berufungsbehörde hat richtig die NÖ Bauordnung in der Fassung der Novelle LGBl 8200-9 angewendet, weil diese für die Beurteilung der hier gegenständlichen Rechtsfragen keine Übergangsbestimmung enthält.

Nach § 118 Abs. 9 BO werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Dazu gehören die Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Da im vorliegenden Fall kein Bebauungsplan besteht, kommt für die Beurteilung des Nachbarrechtes des Beschwerdeführers auf Einhaltung der zulässigen Bebauungshöhe an seiner Seite die Bestimmung des § 120 Abs. 3 BO zur Anwendung, die lautet:

"In einem Baulandbereich, für den noch kein Bebauungsplan erlassen wurde oder ein vereinfachter Bebauungsplan keine Regelung der Anordnung oder Höhe der Gebäude enthält, ist die Baubewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes zu versagen, wenn dieses Gebäude hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen würde."

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß dem Nachbarn ein Anspruch auf Versagung eines dem § 120 Abs. 3 BO widersprechenden Vorhabens zukommt (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0364, mwN). Bei Beurteilung der Frage, ob ein Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht, sind alle jene Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bilden; nur auf diese Weise kann, dem Sinn der Übergangsbestimmung des § 120 Abs. 3 BO entsprechend, ein einem Bebauungsplan ähnlicher Beurteilungsmaßstab geschaffen werden. Auch wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß konkrete Feststellungen zunächst über die Grenzen des Bezugsbereiches erforderlich sind (siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1992, Zl. 92/05/0064 und vom 26. März 1996, Zl. 93/05/0242).

Die Baubehörden haben sich mit der Heranziehung des Baugrundstückes als Bezugsbereich begnügt. Der Beschwerdeführer räumt zwar ein, daß es straßenseitig sogar höhere Gebäude gebe; er hat aber in der Berufung ausdrücklich geltend gemacht, daß es, bezogen auf die Tiefe des Gebäudekomplexes, keine vergleichbaren Höhen gebe.

Trotz dieses Vorbringens unterließ es die Berufungsbehörde, den Bezugsbereich auszudehnen und entsprechende Feststellungen über die bestehende Bebauung zu treffen. Es ist zwar richtig, daß sich im hinteren Grundstücksteil ein ebenfalls höheres Gebäude als das zu erhöhende Zwischengebäude befindet, sodaß sich auch in einem hinteren Grundstücksbereich schon ein höheres Gebäude befindet. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0364, darauf abgestellt, daß durch das Projekt NICHT ERSTMALS eine derartige Bebauung (dort: im Seitenabstand) erfolgt; allerdings ging es damals, worauf auch hingewiesen wurde, um eine Kleingarage, die jedenfalls einen geringeren Auffälligkeitswert hat als etwa ein mehrstöckiges Gebäude.

Selbstverständlich konnte bei einem derart klein gewählten Bezugsbereich der Auffälligkeitswert verneint werden, zumal die Höhe des Zwischenstückes nunmehr den benachbarten Gebäuden angepaßt wird. Gerade unter dem Blickpunkt des Nachbarrechtes auf Einhaltung der Bestimmungen über die Bebauungshöhe zeigt sich aber deutlich, daß mit diesem Bezugsbereich nicht das Auslangen gefunden werden kann.

An der Grundgrenze zum Beschwerdeführer besteht eine durchgehende Bebauung auf eine Tiefe von rund 36 m (laut Lageplan 1:200). Davon soll im mittleren Bereich auf eine Tiefe von 11,6 m eine Erhöhung um mehr als 1 m auf 12,01 m bis 12,19 m stattfinden. Damit Gleiches mit Gleichem verglichen wird, muß daher untersucht werden, ob die bestehende Bebauung bei ähnlichen Tiefen durchgehende Höhen von mindestens 12 m aufweist. Nur wenn dies bejaht werden kann, stünde die gewünschte Bebauung mit der bestehenden Bebauung in keinem auffallenden Widerspruch.

Die Rechtsnormen, die die Einhaltung (eines bestimmten Abstandes oder) einer bestimmten Gebäudehöhe zum Gegenstand haben, dienen vor allem auch einer ausreichenden Belichtung und Belüftung (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 230). Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die bestehende Bebauung im hinteren Grundstücksteil nicht die Höhe aufweist wie die Straßenfronten und daß somit dadurch für eine Belichtung jeweils gesorgt wird. Eine Bebauung, die diesbezüglich zur bestehenden Bebauung in auffallendem Widerspruch steht, wäre jedenfalls geeignet, sein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe zu beeinträchtigen. Allerdings kann sich der Nachbar, wie die Baubehörden richtig ausgeführt haben, nicht auf die Bestimmung des § 47 BO berufen, weil diese bezweckt, daß der für Wohngebäude vorgesehene Lichteinfall im wesentlichen durch Abstände AUF DEM EIGENEN GRUNDSTÜCK gesichert wird (hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/05/0108 mwN).

Dadurch, daß die belangte Behörde über die Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers zur bestehenden Bebauung in einem der Bestimmung des § 120 Abs. 3 BO entsprechenden Bezugsbereich keine Beweise aufnahm und entsprechende Feststellungen unterließ, verletzte sie Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994 unter Bedachtnahme auf das vom Beschwerdeführer gestellte Begehren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994050164.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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