RS Vfgh 2021/11/30 E3097/2021

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EMRK Art2, Art3
AVG §68 Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Leben und im Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden durch Zurückweisung des Antrags eines afghanischen Staatsangehörigen betreffend den Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache; Verkennung der spätestens seit 20.07.2021 erkennbaren extremen Volatilität der Sicherheitslage begründet eine reale Gefahr der Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch die später ergangene Entscheidung

Rechtssatz

Auch wenn die Behörde einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurückweist, hat das über die dagegen erhobene Beschwerde entscheidende Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Vorbringen des Asylwerbers dahingehend zu prüfen, ob ein erstmals vorgebrachter Fluchtgrund, soweit er sachverhaltsändernde Elemente enthält, einen glaubhaften Kern aufweist und ob er im Lichte der Art2 und 3 EMRK einer Rückführung aktuell entgegensteht.

Das BVwG legt seinem Erkenntnis vom 21.07.2021 das Länderinformationsblatt in der am 01.04.2021 aktualisierten Fassung zugrunde und führt aus, dass die im angeführten Länderbericht dargestellte Sicherheitslage einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht entgegenstehe.

Der VfGH ist der Auffassung, dass auf Grundlage des Länderinformationsblattes vom 11.06.2021 sowie der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 (und der zum Entscheidungszeitpunkt des BVwG verfügbaren, breiten medialen Berichterstattung) spätestens ab 20.07.2021 - dh auch zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des BVwG - von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen war, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, die den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2 und 3 EMRK aussetzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, res iudicata, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3097.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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