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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art2, Art3Leitsatz
Verletzung im Recht auf Leben und im Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an einen Staatsangehörigen von Afghanistan; Verkennung der spätestens seit 20.07.2021 erkennbaren extremen Volatilität der Sicherheitslage begründet eine reale Gefahr der Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch die später ergangene Entscheidung; Abweisung des nach Beschwerdeerhebung und Entrichtung der Eingabengebühr gestellten Verfahrenshilfeantrags mangels RückwirkungRechtssatz
Der VfGH ist der Auffassung, dass auf Grundlage der im angefochtenen Erkenntnis abgedruckten (und behandelten) länderberichtlichen Informationen vom 11.06.2021, insbesondere aber auf Grund der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021 und der zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) verfügbaren, breiten medialen Berichterstattung, spätestens ab 20.07.2021, dh auch schon zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung, von einer extremen Volatilität der Sicherheitslage in Afghanistan auszugehen war, sodass jedenfalls eine Situation vorliegt, die den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2 und 3 EMRK aussetzt.
Indem das BVwG somit von einer im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK zulässigen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers ausgegangen ist, verstößt die Entscheidung des BVwG gegen das Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK sowie das Recht gemäß Art3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, und ist insoweit aufzuheben.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde zu einem Zeitpunkt eingebracht, zu dem sämtliche für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens notwendigen Verfahrensschritte, die von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden müssen, bereits gesetzt waren und auch die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG entrichtet war. Eine Befreiung von der Entrichtung dieser Gebühr (respektive eine Erstattung derselben) kann nach der Rsp des VfGH nicht mehr nachträglich, also nach Entstehen der Gebührenschuld, beantragt werden. Gleiches gilt für die mit der Einbringung verbundenen Kosten für die (frei gewählte) anwaltliche Vertretung, die ebenfalls vor dem Tag der Beantragung der Bewilligung der Verfahrenshilfe entstanden sind. Für die Vertretung im weiteren Verfahren vor dem VfGH - insbesondere für eine allfällige mündliche Verhandlung - besteht kein absoluter, sondern lediglich relativer Anwaltszwang. Für das weitere Verfahren haben sich die Gewährung von Verfahrenshilfe insbesondere die Beigebung eines Rechtsanwaltes weder als erforderlich noch als zweckmäßig erwiesen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / AnwaltszwangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E3355.2021Zuletzt aktualisiert am
21.02.2022