TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/17 92/14/0100

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Veröffentlicht am 17.09.1996
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1438;
EStG 1972 §16;
EStG 1972 §19 Abs2;
EStG 1972 §27 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 16. April 1992, 6/62/3-BK/Kr-1992, betreffend ua Einkommensteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 13.100 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte sowohl im Jahr 1985 als auch im Streitjahr neben (positiven) Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus seiner Beteiligung als echter stiller Gesellschafter an der AI GmbH.

Über das Vermögen der AI GmbH wurde am 12. September 1985 der Konkurs eröffnet. Im Auftrag des Masseverwalters erstellte ein gerichtlich beeideter Wirtschaftsprüfer (in der Folge: Wirtschaftsprüfer) am 9. Jänner 1986 für den Zeitraum 1. Jänner 1985 bis 12. September 1985 die Bilanz der AI GmbH. Die den jeweiligen stillen Gesellschaftern der AI GmbH zugewiesenen Verlustanteile verrechnete der Wirtschaftsprüfer nicht gegen die jeweiligen Vermögenseinlagen.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde im Instanzenzug fest, daß die Einkommensteuer für das Jahr 1986 gemäß § 41 Abs 1 EStG 1972 nicht veranlagt werde. Aufgrund der am 9. Jänner 1986 erstellten Bilanz errechne sich für den Beschwerdeführer als stillen Gesellschafter ein Verlustanteil von 50.222,77 S. Der Beschwerdeführer könne diesen Verlust aber deshalb nicht geltend machen, weil in der genannten Bilanz eine Verrechnung des Verlustanteiles mit der Vermögenseinlage des Beschwerdeführers nicht vorgenommen worden sei. Ob die vom Bilanzersteller (Wirtschaftsprüfer) gewählte Vorgangsweise dem zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag entspreche oder nicht, könne dahingestellt bleiben. Die Korrektur einer allenfalls unrichtigen Vorgangsweise bei Erstellung der Bilanz der AI GmbH könne nicht Sache der Finanzbehörde sein. Der teilweise Verlust der Vermögenseinlage im Konkurs führe als Verlust des Wertes der Kapitalanlage jedenfalls zu keinen steuerlichen Auswirkungen. In der Berufungsverhandlung habe der Vertreter des Beschwerdeführers im übrigen mitgeteilt, die stillen Gesellschafter hätten neben der Zahlung im Konkurs der AI GmbH auch noch aus dem Titel der Bankhaftung (Bankgarantie des Bahnkhauses A) eine Zahlung erhalten; unter Berücksichtigung von Konkursquote und Bankgarantie hätten die Anleger ca 90% ihrer geleisteten Einlage zurückerhalten.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der echte stille Gesellschafter erzielt erst dann negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn der auf ihn entfallende Verlustanteil durch die Erstellung der Bilanz des Inhabers des Handelsgewerbes festgelegt ist und er diesen Verlustanteil sodann iSd § 19 Abs 2 EStG durch Ausgaben oder diesen gleichzuhaltende Aufwendungen, wozu auch die Verrechnung mit Gewinnauszahlungsansprüchen in einem dem Verlustjahr folgenden Jahr oder die Verrechnung mit einer noch nicht aufgebrauchten Vermögenseinlage zählen kann, deckt (vgl. das hg Erkenntnis vom 30. September 1980, 847/79).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf dieses Erkenntnis die Rechtsansicht vertreten, dem Beschwerdeführer seien im Streitjahr negative Einkünfte aus der stillen Beteiligung nicht zuzurechnen, weil in der im Streitjahr erstellten Bilanz eine Verrechnung des Verlustanteiles mit der Vermögenseinlage des Beschwerdeführers nicht erfolgt sei. Sie hat also die Verrechnung im Sinne einer buchungstechnischen Saldierung von Konten als relevant angesehen und damit die Rechtslage verkannt:

Stehen einander der auf den stillen Gesellschafter entfallende Verlustanteil und seine noch nicht aufgezehrte Vermögenseinlage gegenüber, so liegt ein Abfluß iSd § 19 EStG, wie dies im oben genannten Erkenntnis ausgesprochen worden ist, vor, wenn der Verlustanteil mit der (noch nicht aufgezehrten) Einlage verrechnet wird. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann unter dieser Verrechnung allerdings nur die (zivilrechtliche) Aufrechnung des Verlustanteiles mit dem Anspruch des stillen Gesellschafters auf seine Einlage verstanden werden. Die Kompensation führt im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens zu einem Abfluß (vgl Doralt, EStG2, § 19 Tz 40 "Aufrechnung"). Unmaßgeblich ist der buchungstechnische Vorgang im Rechenwerk (bzw in der Bilanz) des Inhabers des Handelsgewerbes.

Aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung hat die belangte Behörde nicht geprüft, ob mit dem Vertrag über die stille Gesellschaft eine Aufrechnungsvereinbarung festgelegt worden und ob eine derartige Vereinbarung im Streitjahr noch aufrecht gewesen ist. § 5 eines im Verwaltungakt befindlichen Vertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft bietet einen Anhaltspunkt dafür, daß eine Vereinbarung getroffen worden ist, nach welcher der jeweilige Verlustanteil mit der Einlage des stillen Gesellschafters aufgerechnet werde. Sollte eine solche Kompensation wirksam geworden sein, so wäre damit - worauf der Beschwerdeführer zu Recht verweist - ein Abfluß iSd § 19 Abs 2 EStG eingetreten. Für den Abfluß ist hingegen nicht entscheidend, ob das Ergebnis der Aufrechnung, also die Minderung der Forderung des Beschwerdeführers, in der Bilanz zum Ausdruck kommt.

Bei der gegenständlichen Konstellation ist für das fortgesetzte Verfahren allerdings noch auf folgenden Umstand zu verweisen: Ein Abfluß iSd § 19 Abs 2 EStG erfordert, daß Geldwerte aus der Verfügungssphäre eines Steuerpflichtigen tatsächlich ausscheiden und damit bei diesem wirtschaftlich eine Vermögensminderung eintritt (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Mai 1987, 86/13/0180, und Taucher, das Zufluß-Abflußprinzip im Einkommensteuerrecht, 43 ff). Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, hat das Bankhaus A dem Beschwerdeführer als stillem Gesellschafter einen Anteil seiner Einlage von Anfang an garantiert. Insoweit der Beschwerdeführer als stiller Gesellschafter aufgrund dieser Bankgarantie ungeachtet einer allfälligen Kompensation mit Verlusten stets davon ausgehen konnte, seine Einlage zurückzuerhalten, führte die Kompensation nicht zu einer wirtschaftlichen Vermögensminderung und daher zu keinem Abfluß iSd § 19 Abs 2 EStG (vgl sinngemäß zur Maßgeblichkeit der echten Vermögensminderung, allerdings für den Bereich betrieblicher Einkünfte das hg Erkenntnis vom 15. April 1980, 1661/79). Insoweit damit aufgrund der Bankgarantie die Kompensation von Verlusten mit der Einlage nicht zur Zurechnung von steuerlichen Verlusten führt, wären korrespondierend spätere Gewinnanteile zur Auffüllung der aufgezehrten stillen Einlage auch nicht als positive Einkünfte zu erfassen. In dem Ausmaß, in dem die Garantieerklärung der Bank die Rückzahlung der Einlage sicherstellt, führt nämlich weder die Minderung des Einlagenstandes durch Verlustverrechnung noch die spätere Wiederauffüllung der Einlage durch Gewinnzuweisungen zu steuerlich relevanten Vorgängen.

Abschließend sei darauf verwiesen, daß negative Einkünfte aus Kapitalvermögen jedenfalls insoweit nicht vorliegen, als der Beschwerdeführer die Einlage nicht durch die Verrechnung mit den erzielten und in den Bilanzen ausgewiesenen Verlusten, sondern darüberhinaus wegen des Konkurses des Inhabers des Handelsgewerbes verloren hat. Der bloße Untergang des Vermögensstammes führt nämlich im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu Werbungskosten (vgl Hofstätter/Reichel, § 16 EStG 1988 allgemein Tz 6).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992140100.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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