Entscheidungsdatum
28.12.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
EpidemieG 1950 §7Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler bezüglich der Eingabe der A. J. betreffend einen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 15 – Gesundheitsdienst) vom 22.11.2021 betreffend Absonderung nach dem Epidemiegesetz, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Eingabe vom 02.12.2021 wird zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang und Feststellungen
Mit E-Mail vom 22.11.2021 wurde an S.J., als gesetzliche Vertreterin (Mutter) der minderjährigen A.J., ein angehängter Bescheid übermittelt. Absender der E-Mail war „Y.P@w....at“. In der E-Mail wird unter anderem ausgeführt (im Original zudem durch Fettdruck hervorgehoben):
„Ich ersuche Sie, den Bescheid (=amtliches Schriftstück) genau auf Fehler zu kontrollieren und bitte um eine kurze Rückbestätigung.“
Die E-Mail beinhaltet in einer Fußzeile Unternehmensdaten der W. GmbH & Co KG (insbesondere Anschrift, Firmenbuchnummer, Steuernummer und Bankverbindung) sowie eine Signatur lautend (Anonymisierung durch das Verwaltungsgericht):
„Dr. Y. P.
... Arbeitnehmerschutz / Stabsstellenleitung
W. GmbH & Co KG
E.-straße
Wien“
Der der E-Mail angehängte Bescheid vom 22.11.2021 spricht eine Absonderung nach dem Epidemiegesetz gegenüber A.J., geboren am ..., aus. Die Fertigungsklausel lautet:
„Mit freundlichen Grüßen
Für den Gesundheitsdienst der Stadt Wien
Dr. Y. P.
W. GmbH & Co KG
E.-straße
Wien“
Mit E-Mail vom 02.12.2021 richtete die gesetzliche Vertreterin der A.J. an Dr. Y.P. an die zuvor zitierte E-Mail-Adresse Y.P@w....at die Frage, ob der Bescheid „angepasst“ werden könnte. „Falls es nicht geht“, müsse eben „Pflegefrei statt „Sonderbetreuungszeit verbucht“ werden.
Mit E-Mail vom selben Tag antwortete Dr. Y.P., dass sie einen Bescheid nach Versendung nicht mehr ändern dürfe. Die gesetzliche Vertreterin der A.J. könnte dies bei der Rechtsabteilung der Magistratsabteilung 15 beantragen. Diese E-Mail wurde „in Cc:“ an das E-Mail-Postfach der Rechtsabteilung der Magistratsabteilung 15 gesendet.
Mit Schreiben vom 07.12.2021 leitete die Behörde die Eingabe vom 02.12.2021 „zur Prüfung im Hinblick auf § 7a Epidemiegesetz zuständigkeitshalber“ dem Verwaltungsgericht weiter.
Das Verwaltungsgericht richtete ein Stellungnahmeersuchen vom 09.12.2021 an das Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 15 – Gesundheitsdienst). Darin wurde aufgefordert, sämtliche Aufzeichnungen vorzulegen sowie unter anderem zur Approbationsbefugnis und Fertigungsklausel des Y.P. Stellung zu nehmen.
Das Verwaltungsgericht räumte der gesetzlichen Vertreterin der A.J. mit Schreiben vom 09.12.2021 Parteiengehör ein. Es wurde unter anderem auf die Form- und Inhaltserfordernisse des § 9 VwGVG hingewiesen und aufgetragen den Zweck der Eingabe (Deutung der Eingabe als Beschwerde oder Ersuchen um Berichtigung iSd § 62 Abs. 4 AVG) zu bestimmen.
Mit Schreiben vom 26.12.2021 erklärte die gesetzliche Vertreterin der A.J. im Wesentlichen, dass es sich wohl um ein Missverständnis handle. Sie habe nur bei Dr. P. angefragt, ob es möglich sei, das „Datum noch zu ändern“. Gleichzeitig habe sie aber auch erwähnt, „dass es nur für die Personalabteilung ist und falls es eben nicht geht auch kein Problem ist weil dann nehme ich einfach pflegefrei. Eine Weiterleitung dieser Abfrage war also nie beabsichtigt bzw notwendig“.
Mit Schreiben vom 28.12.2021 übermittelte die Behörde unter anderem einen Bescheid betreffend die Bestellung von Dr. Y.P. zur Epidemieärztin gemäß § 27 Epidemiegesetz. Die Zustellung erfolgte per Adresse der W. GmbH & Co KG. Der Bescheid umfasst (auch) die Anordnung von Absonderungen.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Schreiben. Es wurde der Behörde und der gesetzlichen Vertreterin der A.J. schriftlich Parteiengehör eingeräumt. Der Sachverhalt ist unstrittig; es wurde kein entgegenstehendes Sachverhaltsvorbringen erstattet.
Rechtliche Beurteilung
§ 7 Epidemiegesetz normiert, dass Absonderungsmaßnahmen gegenüber kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen verfügt werden können. Gegen eine Absonderung kann gemäß § 7a Epidemiegesetz das Verwaltungsgericht angerufen werden.
Ein im Wesentlichen formloses Ersuchen, das auf eine Berichtigung eines Versehens bei der Bezeichnung des Absonderungszeitraumes abzielt und direkt an die Behörde bzw. die bescheiderlassende/-übermittelnde Stelle gerichtet ist, ist keine Beschwerde. Eine Absonderungsbeschwerde wäre direkt beim Verwaltungsgericht einzubringen. Darauf weist auch die Rechtsmittelbelehrung des „Bescheides“ vom 22.11.2021 hin.
Auch wenn kein Antragsrecht betreffend eine Berichtigung eines Schreib- oder Rechenfehlers oder einer gleichzuhaltenden Unrichtigkeit iSd § 62 Abs. 4 AVG normiert ist, kann eine Eingabe an eine Behörde als dahingehendes Ersuchen gerichtet werden.
Abgesehen davon, dass die gesetzliche Vertreterin der A.J. dies nun für den vorliegenden Fall ausdrücklich klarstellte, war ihre Eingabe an Y.P. auch nach dem objektiven Erklärungswert („Begehren“) ein bloßes Ersuchen um Berichtigung (auch durch die Beifügung „Falls es nicht geht“); die gesetzliche Vertreterin hatte nicht den Willen, eine Beschwerde zu erheben. Für die Deutung eines Ersuchens gemäß § 62 Abs. 4 AVG spricht auch die von Y.P. in der E-Mail vom 22.11.2021 selbst angesprochene und durch Formatierung (fett und unterstrichen) hervorgehobene Fehlerkontrolle und „Rückbestätigung“. Eine entsprechende Rückmeldung eines Bescheidadressaten infolge dieser einleitenden Bemerkung der Begleit-E-Mail zu einer Bescheidübermittlung kann hier auch deshalb nicht in jedem Fall als Beschwerdeerhebung gedeutet werden.
Bei einem versehentlich datumsmäßig unrichtig festgesetzten Absonderungszeitraum kann im Einzelfall eine Berichtigung zulässig sein. Ob ein berichtigungsfähiger Fehler iSd § 62 Abs. 4 AVG vorliegt, kann sich bei einem Absonderungsbescheid etwa daraus ergeben, inwieweit eine Kontaktperson einer infizierten Person einerseits und eine infizierte Person anderseits mit jeweils unterschiedlichen Zeiträume konkretisiert wurden. Soweit lediglich abstrakte Textbausteine ohne jede einzelfallbezogene Information (etwa Identitäten von an einem Absonderungsfall beteiligten Personen, Absonderungsgründe und –zeiträume) vorliegen, kann im Einzelfall das Identifizieren eines berichtigungsfähigen Fehlers ausscheiden.
Eine Unterscheidung des Begehrens eines Absonderungsadressaten zwischen einem Berichtigungsersuchen iSd § 62 Abs. 4 AVG und einer Absonderungsbeschwerde gemäß § 7a Epidemiegesetz ist auch insofern von Bedeutung, als im Beschwerdeverfahren betreffend Absonderungen (auch) das Kostenersatzrecht der Maßnahmenbeschwerde anwendbar ist (§ 35 VwGVG iVm § 7a Abs. 3 1. Satz Epidemiegesetz).
Bei der Eingabe vom 02.12.2021 handelt es sich um keine Beschwerde, weshalb sie zurückzuweisen war. Nachdem die Eingabe von der Behörde „zur Prüfung im Hinblick auf § 7a Epidemiegesetz zuständigkeitshalber“ dem Verwaltungsgericht vorgelegt wurde, war hierüber förmlich mit Beschluss zu entscheiden.
Bei diesem Ergebnis kann eine weitere Beurteilung (von Form, Fertigung, Zustellung und Inhalt) des Bescheides vom 22.11.2021 unterbleiben. Der Vollständigkeit halber ist zur Beschwerdekonstellation (Begehren betreffend Absonderungszeitraum) festzuhalten:
Gemäß § 7a Abs. 3 Epidemiegesetz gelten für Absonderungsbeschwerden die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (= Maßnahmenbeschwerden) anwendbaren Bestimmungen des VwGVG. Ist eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Akt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben (§ 28 Abs. 6 VwGVG). Damit wäre bei einem Absonderungsbescheid eine Befugnis zur Abänderung oder Maßgabebestätigung oder sonstige Berichtigungsmöglichkeit für das Verwaltungsgericht ohnehin nicht gegeben.
Im Übrigen wäre eine nachträgliche Festlegung des Absonderungszeitraumes wegen eines durch den VwGH ausgesprochenen Rückwirkungsverbotes wohl unzulässig:
Für die abgesonderte Person ist von eminentem Interesse, den genauen Absonderungszeitraum bekanntgegeben zu bekommen. Aber auch wegen der gebotenen Belehrung über Rechtsschutzmöglichkeiten sowie den mit einer Absonderung in Zusammenhang stehenden Verhaltenspflichten und Verboten besteht aus Sicht des Betroffenen Bedarf an einer möglichst frühzeitigen, nachvollziehbaren und nachweisbaren Anordnung. Somit besteht keine rechtliche Grundlage dafür, im Nachhinein – und damit rückwirkend – eine Absonderung durch Bescheid auszusprechen (VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173, insb. Rz 15 und 33).
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist klar. Die einzelfallbezogene Auslegung von Eingaben und Erledigungen ist zudem grundsätzlich nicht revisibel (VwGH 14.09.2021, Ra 2021/06/0115; 23.09.2021, Ra 2021/16/0078). Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Absonderung; Bescheid; Abänderung; Beschwerde; formloses Ersuchen; Berichtigung; Berichtigungsersuchen; AbsonderungszeitraumEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.109.007.17200.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2022