TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/27 LVwG-2022/44/0085-2

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Veröffentlicht am 27.01.2022
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Entscheidungsdatum

27.01.2022

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AWG 2002 §15 Abs3 Z1
AWG 2002 §79 Abs1 Z1
WRG 1959 §31 Abs1
WRG 1959 §137 Abs2 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen die Strafhöhe des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Z vom 14.12.2021, Zahl ***, betreffend Übertretungen nach dem AWG 2002 und WRG 1959,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 1. wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Beschwerde gegen den Spruchpunkt 2. wird Folge gegeben und der Strafausspruch ersatzlos behoben.

3.       Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde wird gemäß § 64 VStG mit € 85,- neu festgesetzt.

4.       Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 170,- zu leisten.

5.       Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Der Beschwerdeführerin wurde Folgendes zur Last gelegt:

„1.      Datum/Zeit: 23.08.2021, 00:00 Uhr

Ort:             **** Y, Bereich Grundstücksgrenze **1/ **2, KG X

Sie haben, wie am 19.08.2021, 23.08.2021 und am 31.08.2021 festgestellt wurde, ca. zwischen September 2020 und 01.09.2021 im Grenzbereich der Grundstücke **2 und **1, beide KG *** X, in rund 1.088 m Seehöhe, im Bereich auf einer in östliche Richtung abfallenden Weganlage, und sohin außerhalb einer hiefür genehmigten Anlage gefährlichen Abfall, nämlich einen Bagger mit beschädigtem Motor usw., bei dem Motoröl und Treibstoff ausgetreten ist, gelagert, obwohl gefährliche Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen.

2.       Datum/Zeit: 23.08.2021, 00:00 Uhr

Ort:             **** Y, Bereich Grundstücksgrenze **1/ **2, KG X

Sie haben, wie am 19.08.2021, 23.08.2021 und am 31.08.2021 festgestellt wurde, ca. zwischen September 2020 und 31.08.2021 im Grenzbereich der Grundstücke **2 und **1, beide KG *** X, in rund 1.088 m Seehöhe im Bereich auf einer in östliche Richtung abfallenden Weganlage einen Bagger, bei dem am 16.08.2021 Motoröl und Treibstoff ausgetreten ist, abgestellt, wobei laut wasserfachlicher Stellungnahme der Austritt nicht punktuell, sondern teilweise flächig unter dem Bagger erfolgte. Seit dem Entstehen der Kontamination (16.08.2021) sind im Bereich der Abstellfläche jedenfalls mehrere Regenereignisse niedergegangen. Bei einem Austritt von Treib- und Schmierstoffen auf einen unbefestigten Boden werden diese Stoffe im Regelfall in dieser Bodenmatrix gebunden. Durch das Versickern der Niederschlagswässer über die kontaminierten Flächen kann eine Mobilisierung der Schadstoffe erfolgen und es können diese Schadstoffe weiter in den Untergrund eingetragen werden. Im Untergrund können die Schadstoffe durch die Hangwässer weiterverfrachtet werden, obwohl jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könnte, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten hat, dass eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft: und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.“

Hinsichtlich des ersten Tatvorwurfs habe sie gegen § 15 Abs 3 Ziffer 1 AWG 2002 verstoßen und sei gemäß § 79 Abs 1 Ziffer 1 AWG 2002 mit einer Geldstrafe in Höhe von € 850,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Stunden) zu bestrafen. Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfs habe sie gegen § 31 Abs 1 WRG 1959 verstoßen und sei gemäß § 137 Abs 2 Ziffer 4 WRG 1959 mit € 600,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 3 Stunden) zu bestrafen. Zusätzlich habe sie gemäß § 64 VStG einen Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt € 145,- zu leisten.

Dagegen richtet sich ihre fristgerechte Beschwerde vom 30.12.2021, mit der sie eine Herabsetzung der Strafe beantragt hat. Sie sei derzeit nämlich nicht in der Lage, die Strafe zu bezahlen. Sie sei auch für zwei Kinder sorgepflichtig. Am 26.01.2022 hat sie ihre prekäre wirtschaftliche Lage glaubhaft gemacht.

II.      Rechtslage:

Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002):

„Ziele und Grundsätze

§ 1. (…)

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

(…)

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

(…)

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(…)

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (…)

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1.       hiefür genehmigten Anlagen oder

2.       für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(…)

Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

(…)

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.

Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959):

„Allgemeine Sorge für die Reinhaltung.

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

Strafen

§ 137. (…)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

(…)

4. durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs. 1 treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt;

(…)“

III.    Erwägungen:

Da sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen die Strafhöhen richtet, sind die Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen. Das Landesverwaltungsgericht darf daher nur mehr über die Strafhöhen entscheiden. Hinsichtlich des angefochtenen Spruchpunktes 1. hat die Behörde aber ohnehin nur die in § 79 Abs 1 Ziffer 1 AWG 2002 vorgesehene Mindeststrafe von € 850,- verhängt (bei einem Strafrahmen von bis zu € 41.200,-). Eine Herabsetzung unter diese Mindeststrafe ist grundsätzlich nicht möglich. Auch eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da die prekäre finanzielle Situation alleine noch nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der gewichtigen Erschwerungsgründe (langer Tatzeitraum, tatsächliche Kontamination des Erdreichs mit Motoröl und Treibstoff) führt. Gemäß § 54b Abs 3 VStG kann die Beschwerdeführerin jedoch bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ratenzahlung einbringen, sofern sie die Strafe auf Grund ihrer finanziellen Situation nicht sofort zur Gänze bezahlen kann.

In Spruchpunkt 2. wird der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass die vom Bagger ausgetretenen Betriebsflüssigkeiten die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt hätten. Allerdings stützt sich bereits die Bestrafung zu Spruchpunkt 1. auf den Tatvorwurf, dass ein beschädigter Bagger mit austretenden Betriebsflüssigkeiten gelagert worden sei. Die Behörde hat also die objektive Abfalleigenschaft iSd § 2 Abs 1 Ziffer 2 AWG 2002 damit begründet, dass aufgrund der fehlenden Trockenlegung des Fahrzeugs eine Gefahr für Gewässer und Böden iSd § 1 Abs 3 Ziffer 2 AWG 2002 entstanden sei. Die Bestrafung wegen der Lagerung des gefährlichen Abfalls deckt damit bereits den gesamten Unrechtsgehalt der damit verbundenen Gefahr einer Gewässerverunreinigung ab. Das mit der Abfalllagerung verwirklichte Tatbild konsumiert daher das Tatbild der Gefahr einer Gewässerverunreinigung nach § 31 Abs 1 iVm§ 137 Abs 2 Ziffer 4 WRG 1959. Aufgrund dieser Scheinkonkurrenz kommt keine zusätzliche Bestrafung nach dem WRG 1959 in Betracht. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 73 Abs 6 AWG 2002 hinzuweisen, wonach für gelagerten Abfall ausschließlich ein Behandlungsauftrag nach dem AWG 2002 und kein Verfahren zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 138 WRG 1959 zulässig ist.

Nachdem in der Beschwerde jedoch nur die Strafhöhe bekämpft wurde und der wasserrechtliche Schuldspruch somit in Rechtskraft erwachsen ist, kommt keine gänzliche Behebung des Spruchpunktes 2. samt Einstellung des Strafverfahrens mehr in Betracht. Es verbleibt somit nur, den Strafausspruch ersatzlos zu beheben.

Aufgrund der Behebung des wasserrechtlichen Strafausspruches ist der von der Behörde vorgeschriebene Verfahrenskostenbeitrag nach § 64 VStG herabzusetzen. Gemäß § 52 VwGVG fällt nur für den bestätigten Spruchpunkt 1. ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht an.

Gemäß § 44 Abs 3 Z 2 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

IV.      Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Mangels konkreter Rechtsprechung zur Frage, ob vorliegend von einer Scheinkonkurrenz auszugehen ist, liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Lagerung
Abfall
Gewässerverunreinigung
Scheinkonkurrenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.44.0085.2

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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