TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/27 LVwG-2021/18/3169-1

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Veröffentlicht am 27.01.2022
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Entscheidungsdatum

27.01.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hörtnagl über die Beschwerde von AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 18.10.2021, Zl ***, betreffend den Antrag auf Aufhebung eines im tierschutzrechtlichen Verfahren ergangenen Bescheides

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensablauf:

1. Zum angefochtenen Bescheid vom 18.10.2021, ***:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.10.2020, ***, wurde BB in dem im gegenständlichen Beschwerdeverfahren maßgeblichen Spruchpunkt I. die forstrechtliche Bewilligung für die dauernde Rodung einer Teilfläche des Grundstücks **1, KG *** X, im Gesamtausmaß von 12.093 m² zur Errichtung eines Damwildgeheges zur Zucht und Fleischgewinnung erteilt. Mit Spruchpunkt II. wurde die Anzeige des BB über die Haltung von Damwild zur Zucht und Fleischgewinnung auf dem oa. Grundstück tierschutzrechtlich zustimmend zur Kenntnis genommen.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16.12.2020, ***, wurde die Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers, gegen den genannten Spruchpunkt II. (tierschutzrechtliche Kenntnisnahme) als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 06.07.2021, ***, wurde die Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen den genannten Spruchpunkt I. (Rodungsbewilligung für ein Dammwildgehege) als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 8.10.2021 hat der nunmehrige Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Y einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.10.2020, ***, eingebracht und des Weiteren die Wiederherstellung des vorigen Zustandes auf der Gp. **1, KG *** X, in Bezug auf diverse bauliche Maßnahmen beantragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde in Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.10.2020 unter Bezugnahme auf § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen. Weiters wurde in Spruchpunkt II. dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung des vorherigen Zustandes auf dem betreffenden Grundstück mangels Parteistellung nicht Folge gegeben.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde vom 25.11.2021.

II.      Rechtliche Erwägungen:

Zunächst ist klarzustellen, dass die gegenständliche Entscheidung aufgrund der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichts lediglich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides und diesen auch nur hinsichtlich der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Aufhebung des Spruchpunktes II. (tierschutzrechtliche Kenntnisnahme) des Bescheides der belangten Behörde vom 12.10.2020, Zl ***, betrifft. Über den darüberhinausgehenden Antrag auf Aufhebung der im selben Bescheid erteilten forstrechtlichen Bewilligung sowie den Antrag auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes nach Maßgabe des TNSchG 2005 wurde bereits mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 15.12.2021, ***, abgesprochen.

Hinsichtlich des Bescheides vom 12.10.2020, dessen Aufhebung vom Beschwerdeführer beantragt wurde, hat die belangte Behörde zu Recht ausgeführt, dass dieser bereits in Rechtskraft erwachsen ist, da die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Tirol als unzulässig zurückgewiesen bzw als unbegründet abgewiesen wurde.

Der im gegenständlichen Fall maßgebliche § 68 AVG lautet wie folgt:

„Abänderung und Behebung von Amts wegen

(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3. tatsächlich undurchführbar ist oder

4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.“

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs 1 AVG (siehe etwa VwGH 21.5.2012, 2010/10/0132, oder VwGH 8.10.2014, 2013/10/0191) sind Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines formell rechtskräftigen Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wobei die objektive Grenze der Wirkung der Rechtskraft durch die Identität der rechtskräftig entschiedenen Verwaltungssache mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt wird. "Entschiedene Sache" liegt daher vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage, noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.

Nach dem Konzept des AVG dürfen also rechtskräftige Bescheide nicht mehr ohne weiteres aufgehoben oder abgeändert werden. Dies dient der Rechtssicherheit und gewährleistet einen gewissen Vertrauensschutz für die Parteien. Es kann zwar überwiegende öffentliche Interessen geben, einen rechtskräftigen Bescheid nachträglich aufzuheben oder abzuändern, etwa weil er an einem besonders schweren Fehler leidet oder weil seine Auswirkungen den öffentlichen Interessen widerstreiten. Diese der Behörde nach § 68 Abs 2 bis 4 AVG eingeräumte Befugnis, von einem bereits rechtskräftigen Bescheid wieder abzugehen, soll ihr im Interesse der Rechtssicherheit aber nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen zustehen. Die Wahrnehmung dieser Befugnisse steht daher nicht im Belieben der Behörde, sondern sie hat dabei Ermessen, wobei insbesondere zwischen der Schwere des Fehlers bzw der Auswirkungen des Bescheides einerseits und dem Prinzip der Rechtssicherheit andererseits abzuwägen ist. Das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Abänderung oder Behebung des Bescheides nach den zitierten Bestimmungen muss, da es sich um eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden materiellen Rechtskraft handelt, immer streng geprüft werden (VwGH 27.05.2014, 2011/10/0197, mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 68 Abs 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu (VwGH 25.03.2015, Ra 2015/13/0007 mit weiteren Nachweisen). Durch die Nichtausübung kann somit eine Rechtsverletzung nicht stattfinden (VfGH 13.09.2013, B 349/2013-8).

Vom Beschwerdeführer wurde im vorliegenden Fall ausgeführt, dass der Bescheid vom 12.10.2020 keine Gültigkeit hätte, da zum Zeitpunkt der Entscheidung weder eine Änderung des Flächenwidmungsplanes noch eine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes vorgelegen habe. Weiters wird eine mögliche Gefährdung der Hausquelle des Beschwerdeführers durch das genehmigte Damwildgehege vorgebracht.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Mit seinem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nämlich nicht darzulegen, dass sich gegenüber dem früheren Bescheid – den tierschutzrechtlichen Spruchteil betreffend – die Rechtslage oder der Sachverhalt wesentlich geändert hätten und wurde auch dargelegt, dass sich laut höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Nichtausübung der der Behörde gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts keine Rechtsverletzung ergeben kann.

Die gegenständliche Beschwerde erweist sich insofern hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides, soweit damit der Antrag auf Aufhebung des Spruchpunktes II. (tierschutzrechtliche Kenntnisnahme) des Bescheides vom 12.10.2020 zurückgewiesen wurde, als unbegründet und war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zumal im vorliegenden Fall weder der Beschwerdeführer noch die sonstigen Parteien des Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben und der maßgebliche Sachverhalt schon aufgrund der vorliegenden Akten hinreichend geklärt war, konnte die vorliegende Entscheidung im Sinne des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die maßgeblichen Rechtsfragen nach dem Vorliegen einer entschiedenen Sache und einem Rechtsanspruch auf Ausübung der Befugnisse nach § 68 AVG wurden in Übereinstimmung mit der hiezu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelöst. Da somit keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Hörtnagl

(Richterin)

Schlagworte

Rechtskraft
entschiedene Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.18.3169.1

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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