Entscheidungsdatum
28.01.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §71 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Stadt Z vom 29.09.2021, Zl ***, betreffend die Abweisung ihres Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich einer Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 19.05.2021, Zl ***, wies die Stadt Z (im Folgenden: die belangte Behörde) den Antrag von AA (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) „um Erteilung der Baubewilligung für diverse Umbauarbeiten, die Errichtung eines Carports und einer Fotovoltaikanlage sowie die Änderung des Verwendungswecks von „Restaurant“ zu „Büro“ im Anwesen Adresse 1 (Gp. 702/6, KG 81121 Mühlau)“ ab.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 26.05.2021 zugestellt.
Am 19.07.2021 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte sie Beschwerde gegen den oe Bescheid ein.
Mit Bescheid vom 29.09.2021, Zl ***, wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin „als unzulässig“ ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde.
II. Beweiswürdigung:
Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der Behörde.
III. Rechtslage:
Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl 51/1991, idF BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71
(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
[…]“
IV. Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vor, sie verwende für den Zugang zu ihrem Computer, ihren Daten auf dem Server sowie für die Datenzugänge im Internet (dazu unter anderem auch die digitale Aktenverwaltung, Kalenderverwaltung, die digitale Signatur, die E-Mail-Verwaltung, die Bankenverwaltung) eine 2-Faktoren-Authentifizierung (2FA). Den 2. Faktor für den Zugriff auf diese Systeme stelle ihre Mobiltelefonnummer dar, über welche für jeden Login eine TAN per SMS gesendet werde. Ohne Zugriff auf die Mobiltelefonnummer könne somit auch nicht auf die oe Systeme, in welchen auch der betreffende Bauakt geführt worden sei, zugegriffen werden. Dieses System habe seit Jahren, insbesondere in Bezug auf fristauslösenden Ereignisse aus mehr als 400, in Spitzenzeiten sogar mehr als 2000 Akten jährlich, fehlerfrei funktioniert. Mit 19.06.2021 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Portierung hinsichtlich ihrer Mobiltelefonnummer über die Website ihres Netzbetreibers (BB) gestellt, welche nach ihrer Erfahrung selbst an Wochenenden meist innerhalb eines Kalendertages bewerkstelligt werde. Den gesetzlichen Vorgaben zufolge hätte die Portierung zu einer maximalen Unterbrechung der Erreichbarkeit von einem Arbeitstag führen dürfen. Tatsächlich sei durch einen Fehler in der Verantwortung des abgebenden Betreibers (CC) ihre Mobiltelefonnummer abgeschaltet worden, weshalb sie seit dem 21.06.2021 nicht mehr erreichbar gewesen sei. Nach einer „Odyssee an Telefonaten“ mit CC habe sie am 06.2021 die RTR eingeschaltet, woraufhin ihr CC den Fehler bestätigt und die Möglichkeit zur Wiederherstellung ihrer Mobiltelefonnummer gegeben habe. Erst am 06.07.2021 sei die Mobiltelefonnummer wiederhergestellt gewesen.
Die belangte Behörde begründete den bekämpften Bescheid (in dem der Antrag der Beschwerdeführerin tatsächlich in einer inhaltlichen Entscheidung als unbegründet und nicht wie fälschlich im Spruch ausgeführt als unzulässig abgewiesen wurde) im Wesentlichen damit, dass es sich bei einem Fehler im Zuge der Portierung einer Rufnummer um kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs 1 Z 1 AVG handle. Vielmehr sei ein solcher Antrag planbar und mit einer Durchführung nach in der Regel maximal 3 Werktagen zu rechnen. Nachdem die Antragstellerin ihren Portierungsauftrag am 19.06.2021 gestellt habe, hätte ihr der Lauf der Rechtsmittelfrist bestens bekannt sein müssen; immerhin sei ihr der Bescheid vom 19.05.2021 am 26.05.2021 nachweislich zugestellt worden. Es wäre ihr durchaus zumutbar gewesen, noch vor dem Portierungsantrag am 19.06.2021 gegen den Bescheid Beschwerde zu erheben. Es liege kein minderer Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z1 AVG vor, wenn die Antragstellerin 4 Tage vor Fristablauf des Rechtsmittels aktiv ein Antrag zu Rufnummernmitnahme gestellt habe. Die Antragstellerin habe sohin die nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen und es unterlassen ein vorhersehbares Ereignis mit einem zumutbaren Maß an Aufmerksamkeit und Mühe abzuwenden. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 71 AVG nicht vor.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, gemäß § 5 Nummernübertragungsverordnung 2012 sei eine entsprechende Information vom bisherigen Betreiber binnen 20 Minuten auszustellen; gemäß § 7 leg cit. dürfe eine allfällige Dienstunterbrechung nur möglichst kurz, in keinem Fall jedoch länger als ein Arbeitstag dauern. Erfahrungsgemäß dauere eine Dienstunterbrechung, welche üblicherweise in den Nachtstunden zwischen 1:00 Uhr und 4:00 Uhr durchgeführt werde, nur wenige Minuten bis Stunden. Dies sei auch in den vergangenen 10 Jahren jedes Mal der Fall gewesen, egal bei welchem Betreiber (darunter auch der verfahrensgegenständliche) ein solcher Vorgang durchgeführt worden sei. Die gegenständliche Dienstunterbrechung habe 16 Tage angehalten – somit hätte sie bereits 16 Tage vor Ende der Frist ahnen müssen, dass sich der Netzbetreiber nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würde. Auch werden der Beschwerdeführerin somit lediglich 7 Werktage verblieben, um ein Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 19.05.2021 zu erheben. Aufgrund der Nichtzugänglichkeit des Systems hätte die Beschwerdeführerin außerdem nicht nur dem betreffenden Bauakt, sondern sämtliche Arbeitsakte „vorziehen“ müssen, da kein Zugang zum Datensystem bestand. In dem daraus entstehenden „Arbeitsstau“ hätten die verbleibenden 7 Tage Bearbeitungszeit keinesfalls ausgereicht, den verfahrensgegenständlichen Bescheid zu bearbeiten, auch weil hierzu anwaltliche Beratungsleistungen erforderlich seien.
Aufgrund des oben dargestellten Verfahrensgangs ergibt sich für den vorliegenden Fall folgende Chronologie:
? 26.05.2021: Zustellung des dem Verfahren zu Grunde liegenden Baubescheids
? 19.06.2021 (Samstag): Portierungsantrag betreffend die Mobiltelefonnummer der Beschwerdeführerin
? 23.06.2021 (Mittwoch): Ablauf der Beschwerdefrist
? 06.07.2021: Mobiltelefonnummer der Beschwerdeführerin wieder erreichbar
? 19.07.2021: Wiedereinsetzungsantrag
Zunächst ist festzuhalten, dass in Anbetracht der obigen Darstellung die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach sie bereits 16 Tage vor Ende der Frist hätte ahnen müssen, dass sich der Netzbetreiber nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würde und ihr zur Erhebung der Beschwerde lediglich 7 Werktage verblieben wären, nicht nachvollzogen werden kann.
Wie sich aufgrund der obigen Chronologie zeigt, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Portierung ihrer Mobiltelefonnummer 4 Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist. Wie sie in ihrem Wiedereinsetzungsantrag ausführlich erläutert, ist die Erreichbarkeit ihrer Mobiltelefonnummer zur Ausübung ihres Geschäfts in höchstem Ausmaß erforderlich. Andernfalls habe sie ihren Ausführungen zufolge keinen Zugang zu ihrem Computer, ihrer digitale Akten-, Kalender, E-Mail- und Bankenverwaltung sowie zu ihrer digitalen Signatur. Schon aus diesem Grund erscheint es dem Verwaltungsgericht auffallend sorglos, sich hinsichtlich allfälliger Probleme bei der Portierung der unverzichtbaren Mobiltelefonnummer in keinster Weise (auch nicht für die in allernächster Zukunft anstehenden Stichtage) im Vorhinein abzusichern.
In ihrer Beschwerde erklärt die Beschwerdeführerin überdies, dass die Verfassung einer Beschwerde gegen den seinerzeitigen Baubescheid innerhalb von 7 Tagen niemals möglich gewesen wäre, dies auch, weil sie dazu anwaltliche Beratungsleistungen benötigt hätte. Umso weniger kann das Verwaltungsgericht nachvollziehen, wie die Regelung des § 71 Abs 1 Z 1 AVG auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet werden könnte. Hätte die Beschwerdeführerin die ihr zumutbare Sorgfalt aufgewandt, hätte sie – ihrer eigenen Argumentation zufolge – zur Erstellung der versäumten Beschwerde einen Anwalt spätestens am 16.06.2021 beiziehen müssen. Schon aus diesem Grund hätte ihr bereits vor Stellung des Portierungsantrages, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, „bestens bekannt“ sein müssen, dass die Rechtsmittelfrist am 23.06.2021 endete.
Im Übrigen ist auf die zutreffenden Ausführungen im bekämpften Bescheid zu den Bewilligungsvoraussetzungen nach § 71 Abs 1 AVG zu verweisen.
V. Ergebnis
Es ergibt sich somit, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG gegenständlich nicht vorlagen, weshalb die belangte Behörde zu Recht den Antrag der Beschwerdeführerin abwies und die vorliegende Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.
VI. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits auf Grundlage der Akten ersichtlich war, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und weder Menschenrechte und Grundfreiheiten oder Grundrechte dem entgegenstanden. Es waren ausschließlich rechtliche Fragen zu erörtern und keinerlei zusätzliche Sachverhaltsermittlungen vonnöten (vgl zB VwGH Ra 2019/08/0101 vom 09.07.2019).
VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Schmalzl
(Richterin)
Schlagworte
WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.43.3327.1Zuletzt aktualisiert am
17.02.2022