Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des R in L, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 27. März 1996, Zl. UVS-3/3932/1-1996, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretungen des Tiertransportgesetzes - Straße und der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund und dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von je S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 18. Oktober 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 2 Tiertransportgesetz - Straße und § 42 Abs. 8 StVO 1960 mit Geldstrafen von S 10.000,-- bzw. S 1.500,-- bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde ihm am 26. Oktober 1995 zugestellt.
Gegen dieses Straferkenntnis gab der Beschwerdeführer, vertreten durch den Beschwerdevertreter, am 20. November 1995 eine Berufung zur Post, in der es hieß, daß dem Beschwerdeführer das Straferkenntnis am 9. November 1995 zugestellt worden sei.
Am 19. Dezember 1995 gab der Beschwerdeführer einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 18. Oktober 1995 zur Post. Darin führte er aus, daß ihm das Straferkenntnis am 26. Oktober 1995 zugestellt worden sei. Er habe einen deutschen Anwalt (mit seiner Vertretung) beauftragt. Da bei diesem deutschen Anwalt der Arbeitsanfall zu dieser Zeit unerwartet groß gewesen sei, sei der Akt nicht gleich bearbeitet worden. Aufgrund des übermäßigen Arbeitsanfalles in der Kanzlei sei der Akt daher unbeabsichtigt länger liegengeblieben. Sofort als das Mißgeschick bemerkt worden sei, habe der deutsche Anwalt des Beschwerdeführers an einen österreichischen Anwalt geschrieben, damit dieser die Vertretung des Beschwerdeführers in Österreich übernehme. Aufgrund des Versehens, daß der Akt zuerst beim deutschen Anwalt länger liegengeblieben sei, und aufgrund des langen Postweges habe der österreichische Anwalt erst mit Telefax vom 15. November 1995 Kenntnis von dieser Angelegenheit erhalten. Die rechtzeitige Einbringung der Berufung sei somit durch ein unvorhersehbares Mißgeschick in der Kanzlei des deutschen Rechtsanwaltes unterblieben.
Mit Bescheid vom 4. Jänner 1996 wies die Bezirkshauptmannschaft Hallein diesen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 2 AVG iVm § 24 VStG als verspätet zurück.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Nach der zwar zu § 71 Abs. 2 AVG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ergangenen, aber weiterhin anwendbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 1991, Zl. 91/19/0084) ist diese Frist bei verspäteter Einbringung eines Rechtsmittels ab Kenntnis der Verspätung zu berechnen. Von einer solchen "Kenntnis" ist allerdings bereits dann auszugehen, sobald die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung des Rechtsmittels bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und mußte.
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist es - im Ergebnis - nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde im Grunde des § 71 Abs. 2 AVG von der Verspätung des Antrages auf Wiedereinsetzung ausging. Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vom 19. Dezember 1995 geht nämlich hervor, daß der deutsche Vertreter des Beschwerdeführers jedenfalls bereits am 15. November 1995, dem Tag, an dem er den österreichischen Vertreter mit Telefax von der "Angelegenheit" in Kenntnis setzte, bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und mußte, daß zu diesem Zeitpunkt die vierzehntägige Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 18. Oktober 1995 schon abgelaufen war. Dies deshalb, weil der deutsche Anwalt damals bereits das "Mißgeschick bemerkt" hatte, daß der Akt "aufgrund des übermäßigen Arbeitsanfalles in der Kanzlei ... unbeabsichtigt länger liegen" geblieben war. Bei dieser Sachlage hätte es die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes erfordert, sich Gewißheit über den Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zu verschaffen, um die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu wahren (vgl. dazu auch Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Auflage, Randzahl 38 zu § 233). Daß dies unterlassen wurde, begründet ein Verschulden des deutschen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers an der Versäumung der Frist des § 71 Abs. 2 AVG, welches der Beschwerdeführer gegen sich geltend lassen muß. Es ist daher nicht entscheidend, ob - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides meint - der Beschwerdevertreter bei der Verfassung der Berufung gegen das Straferkenntnis bei gehöriger Aufmerksamkeit die Verspätung des Rechtsmittels hätte erkennen können.
Ob den deutschen Vertreter des Beschwerdeführers ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis trifft, ist für die hier zu beurteilende Frage der Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung gleichfalls ohne Bedeutung.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996030140.X00Im RIS seit
20.11.2000