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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §275;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des J in E, im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 28. Februar 1994, Zl. 6/4-4294/93-03, betreffend Aufhebung eines Wiederaufnahmsbescheides in Angelegenheiten der Einkommensteuer für das Jahr 1986 und Zurückweisung der Berufung gegen einen berichtigten Sachbescheid für dieses Jahr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in erster Linie in Streit, ob die vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers - einer Buchführungsgesellschaft m.b.H. - mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1989 erhobene Berufung gegen den die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1986 verfügenden Bescheid vom 28. November 1989 oder gegen den damit verbundenen Sachbescheid gerichtet war. Die belangte Behörde nahm im angefochtenen Bescheid ersteres an, die Beschwerde hält letzteres für zutreffend. Hilfsweise vertritt die Beschwerde für den Fall, daß dem Standpunkt der belangten Behörde zu folgen wäre, die Rechtsansicht, die die in Rede stehende Berufung erledigende Berufungsvorentscheidung vom 5. Jänner 1990 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 25. August 1993) habe im Hinblick darauf, daß sie als rechtswidriger Bescheid nicht auf dem Wiederaufnahmsbescheid beruhe, durch die Aufhebung dieses Bescheides auch nicht gemäß § 307 Abs. 3 BAO ihre Rechtswirksamkeit verloren. Rechtswidrig sei die Berufungsvorentscheidung schon deswegen, weil ihr nach dem Rechtsstandpunkt der belangten Behörde keine gegen den Sachbescheid vom 28. November 1989 gerichtete Berufung zugrundeliege. Dementsprechend sei auch die mit dem angefochtenen Bescheid weiters ausgesprochene Zurückweisung der Berufung gegen den Berichtigungsbescheid rechtswidrig.
Der im Beschwerdefall maßgebende Sachverhalt wird aus folgender chronologischer Darstellung deutlich:
1. Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1986 vom 2. Dezember 1987.
2. Verfügung der Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1986 und damit kombiniert Sachbescheid für dieses Jahr vom 28. November 1989.
3. Berufung vom 1. Dezember 1989, die in ihren wesentlichen Teilen wie folgt lautet:
"Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Einkommensteuer 1986 erhebe ich innerhalb offener Frist
Berufung
und begründe diese wie folgt:
Die Begründung in Ihrem Bescheid ist deshalb unrichtig, weil mein Mandant Einkünfte aus Kapitalvermögen als echter stiller Gesellschafter bezog. Auswirkungen auf seinen Gewinnanteil können daher frühestens ab dem Zeitpunkt der Betriebsprüfung, bzw. ab Zufließen, zur Versteuerung führen, und dies ist in beiden Fällen das Jahr 1989.
Bis zur Erledigung der Berufung beantrage ich Aussetzung der ausgewiesenen Nachforderung an Einkommensteuer 1986 in der Höhe von S 43.616,-- gem. § 212a BAO."
4. Berufungsvorentscheidung vom 5. Jänner 1990, womit die Einkommensteuer für das Jahr 1986 festgesetzt wurde.
5. Zwischenverfahren mit Aufhebung der Berufungsvorentscheidung und neuerlicher Einkommensteuerfestsetzung, Berufung gegen diese Bescheide und Berufungsstattgabe, wobei ausgesprochen wurde, daß die Berufungsvorentscheidung vom 5. Jänner 1990 wieder in Rechtsbestand tritt.
6. Bescheid vom 25. August 1993, womit die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1986 gemäß § 293 BAO berichtigt wurde (Berichtigungsbescheid).
7. Berufung gegen den Berichtigungsbescheid vom 17. September 1993.
8. Angefochtener Bescheid, womit der Berufung vom 1. Dezember 1989 stattgegeben, der bekämpfte Wiederaufnahmsbescheid vom 28. November 1989 aufgehoben und ausgesprochen wurde, daß der Einkommensteuerbescheid vom 2. Dezember 1987 wieder in Rechtsbestand tritt; ferner Zurückweisung der gegen den Berichtigungsbescheid erhobenen Berufung vom 17. September 1993.
Gegen den unter Punkt 8. angeführten Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid einerseits im Recht, daß keine Entscheidung in Angelegenheiten der Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 1986 getroffen werde, und andererseits im Recht, daß seine Berufung gegen den Berichtigungsbescheid vom 25. August 1993 nicht zurückgewiesen werde, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Anfechtungsgegenstand der Berufung vom 1. Dezember 1989 meint die Beschwerde, "trotz der äußerlich unzutreffenden Bescheidbezeichnung" sei ausschließlich der mit dem Wiederaufnahmsbescheid vom 28. November 1989 verbundene neue Sachbescheid bekämpft worden. Dies gehe daraus hervor, daß die Berufung sowohl in ihrer Begründung als auch in dem mit ihr verbundenen Aussetzungsantrag gemäß § 212a BAO auf die bloße Tatsache der Wiederaufnahme des Verfahrens mit keinem Wort Bedacht nehme, "sondern nur die Rechtsgrundlagen" des neuen Sachbescheides in Streit ziehe.
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muß eine Berufung enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c)
die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d)
eine Begründung.
Werden diese gesetzlich umschriebenen Mindesterfordernisse einer Berufung nicht erfüllt, hat die Abgabenbehörde in einem Verfahren gemäß § 275 BAO dem Berufungswerber die Behebung der vorhandenen Mängel aufzutragen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2565).
§ 275 BAO lautet:
"Wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen entspricht, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt."
Da im vorliegenden Fall die Berufung vom 1. Dezember 1989 keine Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (Tatbestandsmerkmal des § 250 Abs. 1 lit. c BAO), enthält, hat die Berufungsbehörde schon dadurch, daß sie dem Beschwerdeführer vor Entscheidung über die Berufung keinen diesen Punkt betreffenden Mängelbehebungsauftrag erteilt hat, einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen. Hinzu kommt, daß die Berufung insofern in sich widersprüchlich ist, als ihre Begründung erkennbar nur den mit dem formal als angefochten bezeichneten Wiederaufnahmsbescheid verbundenen Sachbescheid betrifft, sodaß nach dem maßgebenden Inhalt der Berufung unklar erscheint, welchen Bescheid der Beschwerdeführer tatsächlich bekämpfen wollte. Die Zweifel am Anfechtungsgegenstand der Berufung werden dadurch bestärkt, daß das Finanzamt, wie sich aus der Berufungsvorentscheidung vom 5. Jänner 1990 und aus weiteren Bescheiden ergibt, die Berufung als gegen den mit dem Wiederaufnahmsbescheid vom 28. November 1986 verbundenen SACHBESCHEID, die belangte Behörde aber, wie dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, als gegen den WIEDERAUFNAHMSBESCHEID gerichtet ansah. Selbst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erscheinen diese Zweifel nicht beseitigt, wozu auch beiträgt, daß sich der für die abschließende Beurteilung der Berufungsbegründung ebenfalls bedeutsame Bericht über eine weiter zurückliegende abgabenbehördliche Prüfung nicht bei den dem Gerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten befindet. Da solcherart eine nicht beseitigte Unklarheit bei der Bezeichnung des mit Berufung bekämpften Bescheides (Tatbestandsmerkmal des § 250 Abs. 1 lit. a BAO) vorlag, hätte sich der von der Berufungsbehörde zu erteilende Mängelbehebungsauftrag auch auf diesen Punkt erstrecken müssen.
Dadurch, daß die belangte Behörde die Erteilung eines Auftrages zur Behebung der dargestellten Mängel der Berufung vom 1. Dezember 1989 unterlassen und dennoch über die (von ihr als unerledigt angesehene) mangelhafte Berufung entschieden hat, hat sie das Berufungsverfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet. Da sich dies auch auf die Entscheidung über die Berufung gegen den Berichtigungsbescheid vom 25. August 1993 auswirkt, mußte der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits berücksichtigt. Ersatz für "Vorlageaufwand" gebührt über den Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes hinaus nur insofern, als damit Ersatz für den mit der Beschwerdeerhebung verbundenen Stempelgebührenaufwand beansprucht wurde; dies der Höhe nach nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994150070.X00Im RIS seit
20.11.2000