TE Vfgh Erkenntnis 1994/10/3 V93/93

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Veröffentlicht am 03.10.1994
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Verordnung des Bundesministers für Gesundheit. Sport und Konsumentenschutz über das Verbot der Verwendung von Stoffen bei Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, BGBl 652/1993 Anlage 2
LMG 1975 §29 lita
LMG 1975 §30 Abs5

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Verordnung über das Verbot der Verwendung von Stoffen bei Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln hinsichtlich der Normierung einer maximalen Packungsgröße für Produkte mit bestimmten Inhaltsstoffen; Normierung einer derartigen Verwendungsbeschränkung zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel geboten; keine willkürliche Festlegung der maximalen Packungsgröße; kein Eingrif in die erworbene Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft die Aufhebung der in Spalte 7 der Anlage 2 zu der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über das Verbot der Verwendung von Stoffen bei Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, BGBl. 652/1993, angeführten Zahl "400" (maximale Packungsgröße in ml) für Pyrethrumextrakt mit

der Anwendungsform Aerosol, der Zahl "400" für Phenothrin mit

der Anwendungsform Aerosol und der Zahl "400" für Tetramethrin mit der Anwendungsform Aerosol, in eventu der in der Anlage 2 der genannten Verordnung angeführten Stoffe "Pyrethrumextrakt (Sesquiterpenlactone unter Nachweisgrenze)", "Phenothrin (Sumithrin)" und "Tetramethrin (Neo-Pynamin)", in eventu des §2 Abs1 Z1 iVm den in der Anlage zur Verordnung BGBl. 652/1993 genannten Stoffen "Pyrethrumextrakt (Sesquiterpenlactone unter Nachweisgrenze)", "Phenothrin (Sumithrin)" und "Tetramethrin (Neo-Pynamin)", wegen Gesetzwidrigkeit.

1.2. Die Zulässigkeit des Antrages begründet die antragstellende Gesellschaft wie folgt:

Die antragstellende Gesellschaft stelle Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel her und bringe diese in Verkehr. Auf Grund der angefochtenen Verordnung sei es ihr ab dem 1. Oktober 1993 verboten, Produkte, die die in der Verordnung angeführten Stoffe enthielten, in den Packungsgrößen zu 440 ml, 600 ml und 900 ml in Verkehr zu bringen sowie nach dem 31. Dezember 1993 in Verkehr zu belassen. Durch die bekämpften Verordnungsbestimmungen werde daher unmittelbar nachteilig in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingegriffen, der Antrag sei daher zulässig.

1.3. Inhaltlich begründet die antragstellende Gesellschaft ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen im einzelnen wie folgt:

Die angefochtene Verordnung stütze sich auf die §§29 lita und 30 Abs5 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. 86 idF BGBl. 756/1992, (in der Folge: LMG 1975), welche die inhaltlichen Voraussetzungen für die Beschränkung oder Untersagung der Verwendung von Stoffen normierten.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des LMG 1975 lauten:

"§29. Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat, wenn das zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe oder kosmetische Mittel geboten ist, unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie nach Anhören der Codexkommission für Gebrauchsgegenstände mit Verordnung

a) Verbote oder Gebote auszusprechen, insbesondere die Verwendung bestimmter Stoffe auszuschließen, zu beschränken oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen,

b) in sinngemäßer Anwendung des §10 Anordnungen zu treffen."

"§30.(5) Stoffe, die beim Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bei Gebrauchsgegenständen im Sinne des §6 litb bereits verwendet werden, sind vom Hersteller (Importeur) dieser Gebrauchsgegenstände binnen sechs Monaten dem Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz bekanntzugeben. Die weitere Verwendung dieser Stoffe ist vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz mit Verordnung zu untersagen oder zu beschränken, wenn das zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe und kosmetische Mittel unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technologie geboten ist."

Aus der Verwendung des Wortes "geboten" in §29 LMG 1975 müsse - in grundrechtskonformer Weise - abgeleitet werden, "daß der Gesetzgeber den Verordnungsgeber verpflichtet, in der Verordnung das jeweils gelindeste Mittel als Maßnahme vorzusehen, mit dem das in §29 LMG genannte Schutzziel erreicht wird".

Die Normierung einer maximalen Packungsgröße für Produkte mit bestimmten, in der Anlage 2 zur angefochtenen Verordnung angeführten Inhaltsstoffen sei nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaften nicht geeignet, den Zielen des §29 LMG 1975 zu entsprechen, also "dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel etc." zu dienen. Es erscheine vielmehr von vornherein als unsachlich, auf die Packungsgröße von Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel abzustellen. Zur Erreichung der in §29 LMG 1975 genannten Schutzziele sei für bestimmte Stoffe prinzipiell etwa die Festlegung eines zulässigen Anwendungsgebietes, der zulässigen Anwendungform, der maximal zulässigen Stoffmenge bzw. der maximal zulässigen Anwendungskonzentration sowie allenfalls notwendiger Warnhinweise geeignet, allenfalls auch die Kombination einer maximalen Packungsgröße von Produkten mit einer maximalen Stoffmenge oder Anwendungskonzentration, nicht jedoch die Bestimmung einer maximalen Packungsgröße alleine.

Die Normierung maximaler Packungsgrößen für Spraydosen sei im übrigen auch aus abfallwirtschaftlicher Sicht negativ zu beurteilen.

Abgesehen von der mangelnden Eignung der Normierung einer zulässigen maximalen Packungsgröße zur Erreichung der in den §§29 lita und 30 Abs5 LMG 1975 angeführten Schutzziele sei die für gewisse Stoffe festgelegte maximale Packungsgröße von 400 ml willkürlich. Es gebe keinen sachlichen Anhaltspunkt, warum gerade diese Packungsgröße bestimmt wurde, zumal in der Verordnung - im Gegensatz zu den Schutzzielen der §§29 lita und 30 Abs5 LMG 1975 - niemals auf die Gefährdungspotentiale der einzelnen Stoffe eingegangen werde.

Die Unsachlichkeit der Beschränkung der Packungsgrößen für die von der antragstellenden Gesellschaft in Verkehr gebrachten Produkte werde nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft auch durch ein Gutachten der Lebensmittel-Versuchsanstalt bestätigt, wonach die von der angefochtenen Verordnung umfaßten Produkte auch in größeren Packungseinheiten keinen Anlaß zu einer Beanstandung im Sinne des §28 LMG 1975 böten.

Die Festlegung von Packungsgrößen findet nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft im übrigen im LMG 1975 keine gesetzliche Deckung. Vielmehr "dringt die vorliegende Verordnung ... in die Kompetenz des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten ein, dem es gemäß §27 Maß- und Eichgesetz, BGBl 1950/152 idgF, vorbehalten ist, bei Fertigpackungen die bestimmten Füllgütern zugeordneten Nennfüllmengen festzulegen. Bei den ua in Rede stehenden Aerosolpackungen handelt es sich aber ohne Zweifel um Fertigpackungen" im Sinne des Maß- und Eichgesetzes.

Im übrigen werde durch die angefochtene Verordnung in verfassungswidriger Weise in wohlerworbene Rechte der antragstellenden Gesellschaft eingegriffen, da in eine Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft eingegriffen werde, auf die sie mit Recht vertrauen konnte und dieser Eingriff gravierend sei. Eine besondere sachliche Rechtfertigung wie etwa der Schutz vor Gesundheitsgefährdungen sei im vorliegenden Fall für den gravierenden Eingriff in die Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft nicht erkennbar.

2. Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Kosumentenschutz beantragt in seiner Äußerung, dem vorliegenden Antrag keine Folge zu geben.

Durch die Festlegung der maximalen Packungsgröße für bestimmte Stoffe solle "eine deutliche Anhäufung von Kampfstoffen gegen Lästlinge und Schädlinge in den Haushalten vermieden werden", wobei diese maximalen Packungsgrößen nicht für befugte Gewerbetreibende gelten.

Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Kosumentenschutz sei davon ausgegangen, daß "keine im Haushalt verwendbare Verkaufseinheit die für Kleinkinder letale Dosis" überschreiten dürfe. Es sei abzulehnen, den Laien mit der Aufbewahrung von Produkten, die ein gewisses Gefährdungspotential aufweisen, für mehrere Jahre zu belasten. Im Hinblick auf die Art der Stoffe (Schädlingsbekämpfungsmittel) sei auch das vorgebrachte Abfallproblem zweitrangig. Da die Vorgabe im Sinne des Verbraucherschutzes eine Minimierung der Zugangsdauer für nicht zur Lagerung von Chemikalien ausgerichtete Haushalte sei, sei von einer Packungsgröße auszugehen gewesen, die bei vorauszusehendem Gebrauch für eine Saison ausreiche.

Im Gegensatz zu den Antragsvorbringen sei in der angefochtenen Verordnung nur die maximale Packungsgröße geregelt, während die (auf das Maß- und Eichgesetz gestützte) Fertigpackungsverordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten genau zulässige Packungsgrößen vorschreibe.

Da die in der angefochtenen Verordnung normierten maximalen Packungsgrößen nicht für befugte Gewerbetreibende gelten, ist nach Ansicht des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz auch kein plötzlich eintretender bzw. schwerwiegender Eingriff in erworbene Rechtspositionen der Antragsteller gegeben, da ein (Ab-)Verkauf größerer Packungen an befugte Gewerbetreibende auch weiterhin möglich sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist, daß die bekämpfte Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht.

Die antragstellende Gesellschaft stellt Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel her und bringt diese in Verkehr. Durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen wird der antragstellenden Gesellschaft verboten, die von ihr erzeugten Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, soweit sie die Stoffe Pyrethrumextrakt, Phenothrin und Tetramethrin enthalten, in einer 400 g übersteigenden Packungsgröße ab dem 1. Oktober 1993 in Verkehr zu bringen und ab dem 1. Jänner 1994 in Verkehr zu belassen. Das LMG 1975 sieht die Erlassung individueller Vollzugsakte, sei es zur Durchsetzung des geschilderten Verbots, sei es zur Bewilligung von Ausnahmen, nicht vor. §74 Abs4 Z1 LMG 1975 bedroht denjenigen mit Strafe, der den Bestimmungen einer auf §29 oder/und §30 Abs5 LMG 1975 gestützten Verordnung zuwiderhandelt.

Die dargestellten Verbotswirkungen der angefochtenen Verordnung treten für die antragstellende Gesellschaft unmittelbar auf Grund der angefochtenen Bestimmungen der Verordnung ein. Die Provozierung eines Verwaltungsstrafverfahrens durch Übertretung des Verbots bildet nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs keinen zumutbaren Weg, die Frage der allfälligen Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. schon VfSlg. 10842/1986, 11402/1987, 12227/1989; VfGH 17.3.1994, G128/92).

Der Antrag ist sohin zulässig.

2. Er ist jedoch in der Sache nicht begründet.

Gemäß den §§29 und 30 Abs5 LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz die Verwendung von Gebrauchsgegenständen unter bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung zu beschränken und zu diesem Zweck auch Verbote auszusprechen. Zu den Gebrauchsgegenständen im Sinne dieser Ermächtigung zählen gemäß §6 litb LMG 1975 auch Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, die zur Verwendung im Haushalt oder für Räume bestimmt sind, die dem Verkehr mit Lebensmitteln dienen. Eine Voraussetzung der Verwendungsbeschränkung ist, daß diese "zum Schutz der Verbraucher vor Ge-sundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel ... geboten ist".

Es kann dahingestellt bleiben, ob - entgegen der Meinung der antragstellenden Gesellschaft - die Ermächtigung des §29 lita LMG 1975, "die Verwendung ... bestimmter Stoffe ... von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen", auch die Festsetzung von Packungsgrößen umfaßt. Zweifelsohne handelt es sich nämlich bei der Festlegung einer maximal zulässigen Packungsgröße um eine Verwendungsbeschränkung im Sinne der §§29 und 30 Abs5 LMG 1975. Fraglich kann nur sein, ob diese zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel geboten ist. Dabei ist davon auszugehen, daß Schädlingsbekämpfungsmittel wegen der in ihnen enthaltenen chemischen Wirkstoffe ein gewisses Gefährdungspotential aufweisen, das eine längere Lagerung jener Mittel im Haushalt, in dem üblicherweise keine besonderen Vorkehrungen für die Lagerung von chemischen Stoffen bestehen, noch beträchtlich vermehrt.

Der Verfassungsgerichtshof teilt daher die Auffassung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz, daß es zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder vor einem nachteiligen Einfluß auf Lebensmittel geboten ist, Schädlingsbekämpfungsmittel lediglich in jener Menge in Verkehr bringen zu lassen, die in einem Haushalt voraussichtlich so schnell verbraucht wird, daß die längerfristige Lagerung jener Schädlingsbekämpfungsmittel im Haushalt vermieden wird. Wenn der zuständige Bundesminister bei den hier in Betracht kommenden Schädlingsbekämpfungsmitteln mit einer Packungsgröße von 400 g von einem durchschnittlichen Verbrauch für jeweils eine Saison im Haushalt ausgegangen ist, kann ihm bei dieser durchaus plausiblen Durchschnittsbetrachtung nicht entgegengetreten werden. Der Schutz der Verbraucher vor den mit Schädlingsbekämpfungsmitteln verbundenen Gefahren kann durch die Festlegung eines zulässigen Anwendungsgebietes, der zulässigen Anwendungsform und der maximal zulässigen Anwendungskonzentration sowie der allenfalls notwendigen Warnhinweise allein nicht erreicht werden. Gegenüber der dem Schutz der Verbraucher dienenden Beschränkung der im Haushalt jeweils vorrätigen Menge an Schädlingsbekämpfungsmitteln müssen auch abfallwirtschaftliche Gesichtspunkte zurücktreten, zumal es sich dabei um keine vom Gesetz genannten Determinanten für die vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz zu erlassende Verbotsverordnung nach dem LMG 1975 handelt.

Wenn im Antrag darauf hingewiesen wird, daß im Entwurf der Verordnung und in zahlreichen Gesprächen vor ihrer Erlassung andere maximale Packungsgrößen diskutiert wurden und letztlich die Packungsgröße von 400 g ohne sachlichen Anhaltspunkt, sohin willkürlich festgelegt wurde, so ist dem entgegenzuhalten: Bei Erlassung einer Verordnung nach den §§29 und 30 Abs5 LMG 1975 besitzt der dafür rechtlich und politisch verantwortliche Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz einen Entscheidungsspielraum. Wenn dieser auf Grund plausibler Überlegungen davon ausgeht, daß mit einer maximalen Packungsgröße von 400 g der Haushaltsbedarf nach dem betreffenden Schädlingsbekämpfungsmittel für eine Saison gedeckt wird und eine längere Aufbewahrung des Schädlingsbekämpfungsmittels gesundheitliche Gefahren der Verbraucher nach sich ziehen kann, so liegt darin eine sachliche Überlegung, der der Verfassungsgerichtshof nicht entgegentreten kann.

Durch die auf das LMG 1975 gestützte Festlegung einer maximalen Packungsgröße zur Vorsorge gegenüber gesundheitlichen Gefahren, die von Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgehen können, ist keineswegs ausgeschlossen, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in Vollzug des §27 des Maß- und Eichgesetzes Füllmengen festlegt, um den völlig anderen tatbestandlichen Voraussetzungen nach diesem Gesetz zu entsprechen: Während die Festsetzung bestimmter Füllmengen den nationalen und internationalen Übungen und Vorstellungen über die Mengen der im Wirtschaftsverkehr vertriebenen, meist abgepackten Güter und damit der quantitativen Vergleichbarkeit verschiedener Pro- dukte genügen soll, zielt das verordnete Verbot der Verwendung von Stoffen bei Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln lediglich darauf, das Übersteigen einer bestimmten Packungs-größe zu verhindern, um mit größeren Packungen verbundene (Lagerungs-)Gefahren hintanzuhalten.

Die antragstellende Gesellschaft behauptet schließlich einen schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen. Gleichwohl hat sie weder dargetan, daß ihr die erforderliche Zeit zur Umstellung ihrer Produktion nicht zur Verfügung stand, noch die Übergangsvorschrift des §4 Abs2 der Verordnung angegriffen. Darüber hinaus gelten die Vorschriften des LMG 1975 über Gebrauchsgegenstände und somit auch die auf dessen Grundlage dafür erlassenen Verordnungen nur für "Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, die zur Verwendung im Haushalt oder für Räume, ..., die dem Verkehr mit Lebensmitteln, ... dienen, bestimmt sind" (§6 litb LMG 1975). Die antragstellende Gesellschaft ist sohin nicht gehindert, einen etwa vorhandenen Produktionsvorrat an größeren Packungen für andere Verwendungen, etwa an befugte Gewerbetreibende zu veräußern, die zwar Letztverbraucher, aber nicht Adressaten der Verordnung sind.

Die von der antragstellenden Gesellschaft vorgetragenen Bedenken gegen die eingangs näher bezeichneten Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über das Verbot der Verwendung von Stoffen bei Vorratsschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, BGBl. 652/1993, treffen sohin nicht zu. Der Antrag war abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VerfGG vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden, da diese eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Schlagworte

Lebensmittelrecht, VfGH / Individualantrag, Schädlingsbekämpfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V93.1993

Dokumentnummer

JFT_10058997_93V00093_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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