TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/18 95/03/0230

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Veröffentlicht am 18.09.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §53a Abs1;
AVG §53a Abs3;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §76 Abs1;
VStG §64 Abs3;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der G in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 4. August 1995, Zl. UVS 30.14-136/94-17, betreffend Barauslagenersatz in einer Angelegenheit wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 22. September 1994 wurde die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung nach § 18 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil sie als Fahrzeuglenkerin zu einem vor ihr fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, daß ein rechtzeitiges Anhalten jederzeit möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst werde, sodaß sie auf einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw aufgefahren sei.

Auf Grund der von der Beschwerdeführerin gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung ordnete die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung an und forderte (mit Ladungsbescheid vom 3. April 1995) Mag. Dipl.-Ing. U, einen gerichtlich beeideten Sachverständigen für das Kfz-Wesen, auf, an dieser Verhandlung als (nichtamtlicher) Sachverständiger teilzunehmen.

Die für den 24. Mai 1995 anberaumte Verhandlung wurde auf Grund einer Mitteilung der Beschwerdeführerin (hinsichtlich einer urlaubsbedingten Abwesenheit) auf den 13. Juni 1995 verlegt.

Mit Schriftsatz vom 1. Juni 1995 zog die Beschwerdeführerin die Berufung zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid legte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin "gemäß § 52 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) i.V.m. § 76 Abs. 1 AVG, § 64 Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) und i.V.m. § 24 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975" die im Berufungsverfahren entstandenen Auslagen in Form von Sachverständigengebühren des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Mag. Dipl.-Ing. U in der Höhe von insgesamt S 1.982,-- zur Zahlung binnen zwei Wochen auf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "die im Berufungsverfahren ohne ihren Antrag und ohne ihr Zutun entstandenen Auslagen nicht tragen zu müssen".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Grund des Beschlusses vom 20. März 1996 gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der angefochtene Bescheid nicht aus nachstehenden Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sein könnte:

"Sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), so ist nach § 64 Abs. 3 erster Satz VStG dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht worden sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/03/0175, dargetan hat, setzt der Ersatz der Barauslagen durch die Partei voraus, daß die Barauslagen der Behörde bereits erwachsen sind, d.h., daß die Behörde bereits Aufwendungen gemacht hat, daß sie also die vom Sachverständigen für seine Tätigkeit angesprochene Gebühr NACH DEREN FESTSETZUNG im Sinne des § 53a AVG bereits bezahlt hat.

Aus dieser Auffassung scheint die vorläufige Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu folgen, daß der Behörde "erwachsene" Barauslagen nur solche sind, die gegenüber dem Sachverständigen im Sinne des § 53a AVG festgesetzt und bereits bezahlt wurden; Barauslagen (hinsichtlich Sachverständigengebühren) scheinen jedoch nicht bereits der Behörde als "erwachsen" im Sinne des Gesetzes, wenn diese lediglich - ohne behördliche Festsetzung nach § 53a AVG - bezahlt wurden.

An dieser vorläufigen Rechtsansicht scheint auch nichts zu ändern, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11. Oktober 1994, Zl. 93/05/0027, dargelegt hat, daß ein Bescheid, mit dem Kosten eines Sachverständigen festgesetzt wurden, allein das Verhältnis zwischen Behörde und Sachverständigen betrifft. Daß die Partei ihre Rechte umfassend in einem Verfahren betreffend die Vorschreibung von Barauslagen geltend machen kann (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1994), scheint unabhängig von der Frage, ob (und wann) Barauslagen der Behörde zunächst selbst im Sinne des Gesetzes "erwachsen" sind."

Die belangte Behörde hat zu dieser Anfrage Stellung genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde zunächst vor, entgegen der Bestimmung des § 52 Abs. 1 AVG keinen amtlichen Sachverständigen beigezogen zu haben. Es lägen keine Beweisergebnisse vor, warum ein Amtssachverständiger dem Verfahren nicht beigezogen worden sei und könne daher keinesfalls die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes zum Ergebnis führen, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, die Kosten des gerichtlich beeideten kraftfahrtechnischen Sachverständigen zu tragen.

Die Beschwerdeführerin zeigt jedoch nicht auf, daß die von ihr vermißten Beweisergebnisse zu für die Beschwerdeführerin positiven Ergebnissen geführt hätten. Die belangte Behörde bezieht sich nämlich in ihrer Gegenschrift auf ein Schreiben der Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung V, des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Februar 1992, wonach (wegen der laufenden personellen Engpaßsituation) es nicht möglich sei, der belangten Behörde amtliche Kfz-Sachverständige zur Abgabe von Gutachten zur Verfügung zu stellen, unabhängig davon, daß die kraftfahrtechnischen Sachverständigen der genannten Fachabteilung über keine Ausbildung für die Abgabe solcher Gutachten besäßen. Dieses Schreiben läßt etwa auch nicht erkennen, daß in Zukunft eine Änderung der Verhältnisse erwartet werden könnte. Wie es in der Gegenschrift der belangten Behörde heißt, habe daher der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark seit Februar 1992 seinen Verfahren im Bedarfsfall gerichtlich beeidete kraftfahrtechnische Sachverständige zur Erstattung von Gutachten beigezogen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/03/0167).

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Parteiengehörs geltend macht, weil sie nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, daß ein gerichtlich beeideter kraftfahrtechnischer Sachverständiger dem Verwaltungsstrafverfahren beigezogen werde, übersieht sie, daß Gegenstand des Parteiengehörs nur der von der Behörde ermittelte und als erwiesen angenommene Sachverhalt ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde daher unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Parteiengehörs nicht verpflichtet, die Beschwerdeführerin vor der Anberaumung der Verhandlung von der beabsichtigten Beiziehung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen zu verständigen (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1996).

Die Beschwerdeführerin bekämpft weiters - unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels - die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich der Notwendigkeit der Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen. Auch das diesbezügliche Beschwerdevorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Ebenso wie der Ersatz von im Widerspruch zu § 52 AVG entstandenen, der Behörde also nicht im Rechtssinn "erwachsenen" Barauslagen nicht vorgeschrieben werden kann (und diesbezüglich nach dem oben Gesagten der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann), trifft derartiges nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für den Fall der mangelnden Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigenbeweises zu (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/03/0167, sowie etwa auch das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1957, Slg. N.F. Nr. 4369/A). In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es nun (u.a.), daß der kraftfahrtechnische Sachverständige "auf Grund der technischen Ausführungen in der Berufungsschrift geladen" worden sei. Vor dem Hintergrund der Berufungsausführungen, in denen u.a. eine mehr als 6,5 m/s2 aufweisende Bremsverzögerung des Kraftfahrzeuges des als Zeugen vernommenen Unfallgegners geltend gemacht wurde, aber etwa auch die Richtigkeit der festgestellten Bremsspurlänge sowie die Annahme der Erstbehörde, daß die festgestellten Bremsspuren vom PKW der Beschwerdeführerin stammten, bekämpft wurde, vermag ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel nicht aufgezeigt zu werden. Daß nämlich - insbesondere bei der behaupteten Bremsverzögerung sowie der aufgeworfenen Frage der Zuordnung der Bremsspuren - in Ansehung der Notwendigkeit der Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wird mit dem Beschwerdevorbringen, es hätte genügt, "den Zeugen Ehmann einzuvernehmen sowie die Bremsspuren feststellen zu lassen", nicht nachvollziehbar dargetan, sind doch zur Lösung dieser Fragen besondere Fachkenntnisse erforderlich.

Im Ergebnis im Recht ist die Beschwerdeführerin aber insoweit, als sie die Höhe der streitgegenständlichen Barauslagen bekämpft (und damit auch, daß die Barauslagen der Behörde überhaupt "erwachsen" sind).

Diesbezüglich erhebt der Gerichtshof die in seinem Beschluß vom 20. März 1996 vertretene Auffassung zu seiner endgültigen, wonach der Behörde "erwachsene" Barauslagen nur solche sind, die gegenüber dem Sachverständigen im Sinne des § 53a AVG festgesetzt und bereits bezahlt wurden, wobei die "Festsetzung" der Sachverständigengebühren gemäß § 53a Abs. 1 AVG in Form der Erlassung eines - gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung "mit Berufung an die vorgesetzte Behörde" anfechtbaren - Bescheides zu erfolgen hat.

Die belangte Behörde wendet sich in ihrer Stellungnahme auch gar nicht gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschluß vom 20. März 1996, sondern vermeint, daß die im Beschluß formulierten Voraussetzungen im Beschwerdefall vorlägen. Die belangte Behörde sieht eine derartige bescheidmäßige Festsetzung in der Unterfertigung (am 27. Juni 1995) der vom Sachverständigen vorgelegten und mit einem "Leistungsstempel" versehenen Honorarnote vom 12. Juni 1995 durch das zuständige Senatsmitglied. Die belangte Behörde übersieht dabei, daß ein rechtswirksamer behördlicher Bescheid seine Erlassung, d.h. rechtswirksame Verkündung oder Zustellung an die (eine der) Verfahrenspartei(en), zur unabdingbaren Voraussetzung hat. Ein Verzicht der Partei (hier: des Sachverständigen) auf die Zustellung eines nicht verkündeten "Bescheides" vermag keine Rechtswirkungen zu erzeugen.

Zu einer anderen Auffassung vermag auch nicht zu führen, wenn die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/03/0167, verweist, bei der eine Beschwerde gegen einen Sachverständigen-Gebührenvorschreibungsbescheid der belangten Behörde entschieden worden sei, ohne daß Bedenken im Hinblick auf eine nicht bescheidmäßige Festsetzung der Barauslagen im Sinne des § 53a AVG hervorgekommen wären, obwohl die "Festsetzung" der Sachverständigen-Gebühren gegenüber dem Sachverständigen in gleicher Weise wie im Beschwerdefall erfolgt sei. In rechtlicher Hinsicht könnte daraus lediglich das Erfordernis einer Verstärkung des Senates im Grunde des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG abgeleitet werden. Ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung liegt aber nur dann vor, wenn die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen Anlaß bestünde, explizit in der Begründung eines Erkenntnisses oder Beschlusses ihren Niederschlag gefunden hätte und nicht nur stillschweigend vorausgesetzt worden ist (vg. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1986, Slg. N.F. Nr. 12.047/A). Damit kann etwa auch dahingestellt bleiben, ob überhaupt - nach der damaligen Fallkonstellation - davon die Rede sein kann, daß der Verwaltungsgerichtshof stillschweigend von einer gegenteiligen Auffassung ausgegangen sei.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das die Höhe der streitgegenständlichen Barauslagen betreffende Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrecht AVG VStG VVG VwGG Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030230.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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