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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 6. November 1995, Zl. UVS 30.17-44/95-12, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 9. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 bestraft. Aufgrund des gegen diese Strafverfügung erhobenen Einspruches des Beschwerdeführers erging das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 22. März 1995, mit dem gegen den Beschwerdeführer wegen der genannten Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 2.900,-- verhängt wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieses Straferkenntnis aufgrund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung wegen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz behoben. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Einspruch gegen die Strafverfügung als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Mit hg. Beschluß vom 26. Juni 1996 wurden die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG aufgefordert, zu folgender vorläufiger Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes Stellung zu nehmen:
"Gemäß dem zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 67g Abs. 1 AVG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 471/1995) ist der Bescheid samt der wesentlichen Begründung öffentlich zu verkünden. Wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, dann kann die öffentliche Verkündung des Bescheides unterbleiben, sofern die Einsichtnahme in den Bescheid jedermann gewährleistet ist. Gleiches gilt, wenn der Bescheid nicht unmittelbar im Anschluß an die Verhandlung gefällt wird und alle anwesenden Parteien auf die Verkündung verzichten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zu § 67g AVG i.d.F. vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 ergangenen Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 93/17/0157, ausgesprochen, daß ein Entfall der öffentlichen Verkündung - wenn eine Verhandlung durchgeführt worden sei - ausgeschlossen sei und daß ein entgegen dem Gesetz lediglich durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung erlassener Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet sei. Diese Rechtsfolge müßte nunmehr - auf dem Boden der durch die Novelle BGBl. Nr. 471/1995 geschaffenen Rechtslage - nach vorläufiger Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dann eintreten, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, eine öffentliche Verkündung des Bescheides aber unterblieben ist, obwohl die Voraussetzungen des letzten Satzes des § 67g Abs. 1 AVG nicht gegeben waren.
Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß im Beschwerdefall am 6. November 1995 eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde stattfand. In der Verhandlungsschrift ist zunächst festgehalten, daß weder der Beschwerdeführer noch ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde zu dieser Verhandlung erschienen ist; am Ende der Verhandlungsschrift heißt es jedoch:
"Die Verhandlungsleiterin schließt um 13.45 Uhr die Verhandlung und gibt bekannt, daß die Bescheidverkündung schriftlich erfolgt. Gemäß § 67 g Abs 1 AVG verzichten alle anwesenden Parteien auf eine öffentliche Verkündung des Bescheides."
Daß eine mündliche Verkündung des Bescheides erfolgt wäre, läßt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Eine solche hätte nach dem oben Gesagten nur im Falle der Voraussetzungen des letzten Satzes des § 67g Abs. 1 AVG unterbleiben dürfen. Diese Voraussetzungen dürften jedoch nicht erfüllt gewesen sein, wenn - wie in der Verhandlungsschrift eingangs angegeben - die Parteien zur Verhandlung nicht erschienen sind. Auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides wird darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer der Verhandlung am 6. November 1995 fern geblieben sei. Die damit im Widerspruch stehende Protokollierung, daß alle anwesenden Parteien auf eine öffentliche Verkündung des Bescheides verzichtet hätten, dürfte somit unrichtig sein.
Trifft diese Annahme zu, dann könnte der angefochtene Bescheid nach vorläufiger Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet sein."
Der Beschwerdeführer äußerte sich dahin, daß er auf eine mündliche Verkündung des Bescheides nicht verzichtet habe und sich der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes anschließe.
Die belangte Behörde räumte ein, es sei richtig, daß die Parteien zur Verhandlung nicht erschienen seien und aufgrund eines Versehens der Passus "Die Verhandlungsleiterin schließt um 13.45 Uhr die Verhandlung und gibt bekannt, daß die Bescheidverkündung schriftlich erfolgt. Gemäß § 67 g Abs. 1 AVG verzichten alle anwesenden Parteien auf eine öffentliche Verkündung des Bescheides." in die Verhandlungsschrift aufgenommen worden sei. Es sei auch keine öffentliche Verkündung des Bescheides erfolgt. Nach Ansicht der belangten Behörde werde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt, "da dieser dem Berufungsantrag entsprochen hat, der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung beantragt hat, er trotz zweimaliger Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung ohne Angabe von Gründen nicht zur Verhandlung am 6.11.1995 erschienen ist und er anläßlich einer öffentlichen Verkündung des Bescheides keine Möglichkeit gehabt hätte, an der Entscheidungsfindung mitzuwirken. Auch hat der Beschwerdeführer im ordentlichen Verfahren nie vorgebracht, daß Frau R über keine Postvollmacht gemäß § 150 f Postordnung verfügt hätte".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof erhebt die im Beschluß vom 26. Juni 1996 ausgesprochene vorläufige Rechtsansicht nunmehr zu seiner endgültigen Rechtsansicht. Da eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, eine öffentliche Verkündung des Bescheides aber unterblieben ist, obwohl die Voraussetzungen des letzten Satzes des § 67 g Abs. 1 AVG nicht gegeben waren, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Dazu kommt, daß die belangte Behörde im Grund des § 66 Abs. 4 AVG im Falle der Verspätung des Einspruches nicht ohne gleichzeitige Zurückweisung dieses Schriftsatzes mit der - ersatzlosen - Behebung des erstinstanzlichen Strafterkenntnisses hätte vorgehen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1983, Zlen. 83/03/0046, 0047).
Unter diesen Umständen kann nicht die Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt worden sei.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte - im Rahmen des Begehrens - nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden (S 360,-- Eingabengebühr und S 60,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996030045.X00Im RIS seit
20.11.2000