TE Vfgh Erkenntnis 1994/10/3 V5/94

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Veröffentlicht am 03.10.1994
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
FahrverbotsV der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20.08.90, mit der auf der B 182 Brenner Straße ein Fahrverbot für LKW von mehr als 7.5 t erlassen wurde §2 lita

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit einer Ortsbezeichnung in einer FahrverbotsV für LKW ab einer bestimmten Tonnage auf der B 182 Brenner Straße wegen ungerechtfertigter Privilegierung der Güterbeförderungsunternehmen mit diesem Standort durch Ausnahme vom generellen Fahrverbot

Spruch

Die Ortsbezeichnung "Steinach am Brenner" in §2 lita der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990, Z4-51/23-4/90, verlautbart im Boten für Tirol, Nr. 950, vom 5. Oktober 1990, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990, Z4-51/23-4/90, verlautbart im Boten für Tirol, Nr. 950, und kundgemacht durch Aufstellen entsprechender Verkehrszeichen, wurde auf der B 182 Brenner Straße ein Fahrverbot für Fahrten mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t erlassen, von dem gemäß §2 lita der Verordnung Fahrten mit Fahrzeugen von Unternehmen mit dem Standort ua. in Steinach am Brenner ausgenommen wurden.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1170/93 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid anhängig, mit dem der Beschwerdeführer wegen Übertretung dieses Fahrverbots bestraft wurde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid unter anderem wegen Anwendung der seiner Meinung nach gesetzwidrigen Fahrverbotsverordnung verletzt.

3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluß vom 14. Dezember 1993, B1170/93, von der Präjudizialität der Fahrverbotsverordnung bei seiner Entscheidung über die angeführte Beschwerde aus.

Der Verfassungsgerichtshof hegte dabei gegen die Ausnahme von "Fahrten mit Fahrzeugen von Unternehmen mit dauerndem Standort in ... (hier: Steinach am Brenner,) ..." gemäß §2 lita der Verordnung das Bedenken, daß sie gesetzwidrig ist. Unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 24. Juni 1993, V2/93 ua., führte er aus, daß es dem Gleichheitssatz widerspreche, "wenn Fahrzeuge von Unternehmen mit Standort Steinach am Brenner die B 182 Brenner Straße für den Transitverkehr benützen dürfen, der Lastkraftwagen mit einem anderen, nicht im §2 lita der Verordnung aufgezählten Unternehmensstandort verwehrt ist". Zwar sei es sachlich gerechtfertigt, den Ziel- und Quellverkehr vom Geltungsbereich des Fahrverbots auszunehmen, sachlich nicht zu rechtfertigen seien aber Ausnahmen für Fahrzeuge von Unternehmen, die ihren - sei es gewerberechtlichen, sei es kraftfahrrechtlichen - Standort in Gemeinden entlang der B 182 Brenner Straße besitzen.

4. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, "die Ortsbezeichnung 'Steinach am Brenner' im §2 lita der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Bote für Tirol Nr. 950/1990, nicht als gesetzwidrig auf(zu)heben". Sie begründete ihren Antrag damit, "daß die in Prüfung gezogene Bestimmung des §2 lita der gegenständlichen Verordnung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden könne, daß von der Ausnahme nur jene Fahrten erfaßt sind, die zum und vom angeführten Standort des Unternehmens, hier also von und nach Steinach am Brenner, führen".

   5. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck legte die

Verordnungsakten vor und verteidigte das Fahrverbot mit dem

Argument, daß "die Verkehrsbeschränkung für 'andere'

Unternehmen ... deshalb notwendig (ist), weil eben das Bestehen

der Maut eine Verlagerung des Schwerverkehrs auf die B 182 mit

sich bringen würde, was für die Bevölkerung im Wipptal zwischen

Innsbruck und Brennerpaß untragbar wäre". Es müsse aber den

Unternehmen, welche ihren Standort auf der besagten Strecke

haben, möglich sein, dort zu- und abzufahren. Das Transitieren

sei den dort ansässigen Unternehmen auch bei der Ausnahme des

"Anrainerverkehrs" möglich. Als "Anrainerverkehr" sei nämlich

in der bisherigen Rechtsprechung "der Verkehr durch und der

Verkehr mit den Anrainer(n) verstanden" worden. "In der

Rechtswirklichkeit macht es daher keinen Unterschied, ob ein

Anrainer zu- oder abfährt ... oder ob ein Lenker eines

Fahrzeuges mit dauerndem Standort im Verbotsbereich transitiert

... ."

II.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Beschwerdeführer der zu B1170/93 protokollierten - zulässigen - Beschwerde gemäß Art144 B-VG wegen Übertretung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990, Z4-51/23-4/90, bestraft wurde, und dabei von der belangten Behörde auch die Ausnahmevorschrift des §2 lita dieser Verordnung hinsichtlich Fahrten mit Fahrzeugen von Unternehmen mit dauerndem Standort in Steinach am Brenner, wo das Güterbeförderungsunternehmen des Beschwerdeführers eine Betriebsstätte besitzt, anzuwenden war, ist die Ortsbezeichnung "Steinach am Brenner" im §2 lita der genannten Verordnung in jenem Beschwerdefall präjudiziell. Weil weiters auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.

2. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990, Z4-51/23-4/90, lautet (in ihren wesentlichen Teilen) unter Hervorhebung der aus den nachfolgenden Gründen aufgehobenen Ortsbezeichnung:

"Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verfügt gemäß §43 Abs1 litb Zif 1 und Abs2 lita StVO in Verbindung mit §94 b StVO zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, zum Schutz der Bevölkerung und Umwelt folgende Verordnung:

§1

Auf der B 182 Brenner Straße wird ab Straßenkilometer 3,30, in der Gemeinde Mutters, bis Straßenkilometer 35,40, in der Gemeinde Gries am Brenner, das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigem Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in beiden Richtungen verboten.

§2

Vom Verbot nach §1 ausgenommen sind Fahrten

a) mit Fahrzeugen von Unternehmen mit dauerndem Standort in den Gemeinden Mutters, Ellbögen, Matrei am Brenner, Pfons, Mühlbachl, Navis, Steinach am Brenner, Trins, Gschnitz, St. Jodok, Vals, Schmirn, Obernberg und Gries am Brenner;

b) mit Fahrzeugen von Unternehmen mit dauerndem Standort im Stubaital für den Abschnitt zwischen Straßenkilometer 3,30 und der Abzweigung der B 183 Stubaital Straße;

c) mit Fahrzeugen, die Zustell- und Abholdienste im Bereich der unter §2 a angeführten Gemeinden durchführen;

d) mit Fahrzeugen, die Zustell- und Abholdienste im Bereich Stubaital durchführen, für den Abschnitt zwischen Straßenkilometer 3,30 und der Abzweigung der B 183 Stubaitalstraße;

e) mit Fahrzeugen des Straßendienstes.

§3

Rechtsvorschriften, mit denen weitergehende Fahrverbote angeordnet werden, bleiben unberührt.

§4

..."

Die im Wortlaut wiedergegebene Verordnung wurde und wird dahin verstanden, daß die Ausnahme vom Fahrverbot kraft §2 lita der Verordnung Güterbeförderungsunternehmen mit dauerndem Standort in einer der in dieser Bestimmung angeführten Gemeinden (- darunter auch Steinach am Brenner -) ermächtigt, mit ihren das höchstzulässige Gesamtgewicht von 7,5 t übersteigenden Lastkraftfahrzeugen die B 182 Brenner Straße nicht nur zur Zu- und Abfahrt zum und vom Unternehmensstandort zu benutzen, sondern unabhängig davon auch für die Beförderung von Gütern im Transit zu verwenden, der Fahrzeugen von Unternehmen mit einem nicht an der B 182 Brenner Straße gelegenen Standort auf dieser Straße verwehrt ist. Diese Unternehmen sind mit ihren Lastkraftfahrzeugen im Gegensatz zu jenen auf die Benützung der mautpflichtigen - und daher mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen durch die entstehenden Mehrkosten verbundenen - Brennerautobahn angewiesen.

Wie den vorgelegten Verordnungsakten zu entnehmen ist, hat diese unbeschränkte Benutzung der B 182 Brenner Straße durch alle LKW von Unternehmen mit dauerndem Standort im Wipptal zu erheblichen Belastungen dieser Straße durch "Transitfahrten schwerstbeladener LKW-Züge" und dementsprechend zu "Beschwerden der Bevölkerung" geführt. (Vergleiche dazu den Aktenvermerk des Verkehrsreferenten der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 8. November 1991, der mit folgender Feststellung endet (Hervorhebungen im Original):

"Es muß nun festgestellt werden, daß die derzeitige Regelung, daß die Unternehmen mit dem Standort im Wipptal auch im Transit die Brennerbundesstraße benützen dürfen, eine durch nichts zu rechtfertigende einseitige Bevorzugung dieser Unternehmen auf Kosten der Bewohner des Wipptales darstellt. Wie aus dem verkehrstechnischen Gutachten hervorgeht, ist auch aus Sicherheitsgründen die bestehende Regelung nicht tragbar.")

Angesichts dieser rechtlichen Situation, die auch durch eine, in den Verordnungsakten niedergelegte Absicht der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, die Ausnahmevorschrift des §2 lita der Verordnung abzuändern, bestätigt wird, sieht sich der Verfassungsgerichtshof außerstande, der Äußerung der Tiroler Landesregierung folgend, die genannte Ausnahmevorschrift dahingehend auszulegen, "daß von der Ausnahme nur jene Fahrten erfaßt sind, die zum und vom angeführten Standort des Unternehmens, hier also von und nach Steinach am Brenner, führen".

3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1993, V2/93 ua., Verordnungen, mit denen ein Fahrverbot für LKW ab einer bestimmten Tonnage ausgesprochen wurde, ua. deswegen als gesetzwidrig aufgehoben, weil die in dieser Verordnung verfügten, standortbezogenen Ausnahmen sachlich nicht zu rechtfertigen waren. Ausdrücklich führte der Verfassungsgerichtshof in jenem Erkenntnis aus:

"Schließlich widerstreitet die zusätzlich zum Anrainer- und Zustellverkehr in den Bezirken Spittal an der Drau und Lienz verfügte Ausnahme für Fahrten mit Lastkraftfahrzeugen, 'die in den Bezirken Spittal an der Drau, Lienz und Hermagor ihren Standort haben', dem Gleichheitssatz. Die standortbezogenen Ausnahmen bewirken eine durch nichts zu rechtfertigende Diskriminierung jener Frächter, die in anderen Teilen des Bundesgebietes ihren Standort haben. Zwar ist es zweifellos von der Sache her gerechtfertigt, daß der 'Anrainer- und Zustellverkehr' in den vom Fahrverbot betroffenen Bezirken - dessen sonstige Rechtmäßigkeit vorausgesetzt - ausgenommen wird. Zusätzlich aber auch Lastkraftfahrzeuge, die ihren Standort in den Bezirken Spittal an der Drau, Lienz und Hermagor haben, von der Geltung der Fahrverbotsverordnung auszunehmen, bedeutet, daß diese Lastkraftfahrzeuge die vom Fahrverbot betroffenen Straßen, die Drautalstraße B 100, die Mölltalstraße B 106 und die Großglocknerstraße B 107, für den Transitverkehr benützen dürfen, der Lastkraftwagen mit einem anderen Standort verwehrt ist. Dafür vermag der Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen."

In seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1994, B931/93, hat der Verfassungsgerichtshof allerdings verneint, daß die Ausnahme der Fahrten von Busunternehmen mit Firmensitz in Salzburg-Stadt (sowie in den umliegenden Gemeinden) vom in der Stadt Salzburg geltenden Omnibusfahrverbot gesetzwidrig ist, weil jene Busunternehmen - anders als Güterbeförderungsunternehmen mit Lastkraftfahrzeugen - ihre Geschäftsbeziehungen zu einem wesentlichen Teil in der Stadt abwickeln und daher durch ein Omnibusfahrverbot in spezifischer Weise betroffen sind. Der Verfassungsgerichtshof erachtete es daher "zum Ausgleich dieser wirtschaftlichen Nachteile sachlich gerechtfertigt, Omnibusse von Busunternehmen mit Firmensitz in Salzburg oder den Umlandgemeinden von der Geltung des Omnibusfahrverbots in der Stadt Salzburg auszunehmen".

Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß es auch sachlich gerechtfertigt ist, Lastkraftfahrzeuge von Unternehmen mit dauerndem Standort in den an der B 182 Brenner Straße gelegenen Gemeinden vom Fahrverbot auszunehmen, soweit dies zum Ausgleich der durch das Fahrverbot bewirkten Standortnachteile erforderlich ist. Er bleibt jedoch bei seiner bereits im Erkenntnis vom 24. Juni 1993, V2/93 ua., dargelegten Rechtsansicht, daß es eine ungerechtfertigte Privilegierung der Güterbeförderungsunternehmen, die in den an der B 182 Brenner Straße gelegenen Gemeinden ihren - sei es gewerberechtlichen, sei es kraftfahrrechtlichen - Standort haben, bedeutet, wenn diese Unternehmen durch Ausnahmen vom generellen Fahrverbot berechtigt werden, die B 182 Brenner Straße für den - den Lastkraftwagen anderer Güterbeförderungsunternehmen verwehrten - Transit zu benützen, ohne Zustell- und Abholdienste im Bereich der B 182 Brenner Straße durchzuführen und ohne direkt ihren an der Brenner Straße gelegenen Standort aufzusuchen oder zu verlassen. Daß diese standortbezogene Vergünstigung im konkreten Fall dem Gleichheitssatz widerspricht, ergibt sich daraus, daß andere Güterbeförderungsunternehmen bei der notwendigen Benützung der A 13 Brenner Autobahn durch ihre Lastkraftwagen dadurch benachteiligt sind, daß sie mit der für jene Straßenbenützung zu entrichtenden Maut belastet sind.

Die Ortsbezeichnung "Steinach am Brenner," ist sohin wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben, da die Ausnahmevorschrift des §2 lita der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990 im Anlaßfall nur im Hinblick auf Unternehmen mit dem Standort in Steinach am Brenner rechtsrelevant ist.

4. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung der bezeichneten Ortsbezeichnung in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. August 1990 ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Fahrverbot, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V5.1994

Dokumentnummer

JFT_10058997_94V00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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