TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/18 94/15/0058

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Veröffentlicht am 18.09.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §114;
FinStrG §17;
FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §89 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Ing. G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 1. Februar 1994, Zl. B 48-6/93, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der bis Ende des Jahres 1989 in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesene Beschwerdeführer erwarb seit diesem Zeitpunkt in Österreich Grundstücke. Am 6. April 1992 zeigte er beim Finanzamt L die Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels und einer Vermietungstätigkeit beginnend ab 1. März 1991 an. Am 27. November 1992 gründete der Beschwerdeführer gemeinsam mit MW die S-Immobilien und Bauträger GmbH. Am 14. Februar 1991 erwarb der Beschwerdeführer als Einzelunternehmer ein Grundstück in S in der Absicht, auf diesem eine Wohnanlage mit zehn Wohneinheiten zu errichten. Mit Bauverträgen vom 15. März und vom 4. Juni 1991 verpflichtete der Beschwerdeführer GF mit der Durchführung dieses Bauvorhabens. Hiebei wurden Akontorechnungen an den Beschwerdeführer gelegt und nahm dieser die in den Abschlagsrechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer in Anspruch. Im Zuge dieser Bauausführungen wurde GF wegen wiederholter Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg angezeigt. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz am 27. September 1993 gab GF u.a. an, den Beschwerdeführer über ein Zeitungsinserat des Inhaltes "Maurerpartie sucht Arbeit" Ende 1990 kennengelernt zu haben. Sämtliche auf das Bauvorhaben bezughabenden Rechnungen seien vom Beschwerdeführer geschrieben worden. Er habe lediglich die Akontozahlungen, welche er vom Beschwerdeführer erhalten habe, entweder auf Schmierzetteln oder einer Karteikarte bestätigt. Alle Unterlagen befänden sich beim Beschwerdeführer. Ab Ende 1991 habe er keine Zahlungen mehr leisten können. Der Beschwerdeführer sei in weiterer Folge täglich auf der Baustelle gewesen und habe den Baufortschritt überwacht. GF habe vom Beschwerdeführer eine Provision bekommen, wofür könne er nicht angeben. Es habe sich um einen Betrag von "S 50.000,-- aufwärts" gehandelt. Er sei nie im Besitz einer gewerbebehördlichen Konzession gewesen.

MW sagte am 17. Dezember 1993 als Verdächtiger vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz aus, GF habe im Zuge des Bauvorhabens lediglich Entrümpelungsarbeiten durchgeführt und Schutt geführt. Der als Zeuge einvernommene Maurer MI gab bei seiner Einvernahme am 14. Jänner 1994 u.a. an, GF sei nur gelegentlich auf der Baustelle gewesen und habe außer "Aufmaßarbeiten" keinerlei Tätigkeiten durchgeführt.

Über Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht X, Deutschland, wurde am 16. November 1993 durch Vollzugsorgane des genannten Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz eine Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer durchgeführt. Anläßich dieser Hausdurchsuchung wurden unter anderem vier von GF vorunterfertigte Blankorechnungen gefunden. Daraufhin wurde mit Beschlagnahmeanordnung des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 16. November 1993 ein Karton mit Unterlagen ab dem Jahr 1990 nach grober Sichtung beschlagnahmt, versiegelt und von der Behörde in Verwahrung genommen. Es wurde vereinbart, die detaillierte Sichtung der Unterlagen mit dem Beschwerdeführer und seinem Verteidiger zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. Der Beschwerdeführer weigerte sich jedoch anläßlich einer am 22. November 1993 durchgeführten Besprechung, die beschlagnahmten Unterlagen gemeinsam mit Organen der Finanzstrafbehörde zu sichten und verlangte deren bedingungslose und sofortige Rückstellung.

In der gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 16. November 1993 erhobenen Administrativbeschwerde brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, er hätte dem Finanzamt schon anläßlich der am 22. Oktober 1993 durchgeführten Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum von Oktober 1991 bis 1992 das komplette Rechenwerk des Zeitraumes vom 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1992 zur Verfügung gestellt und die Überprüfung hätte zu keinerlei Beanstandungen geführt. Daß GF zur Ausübung des Baumeistergewerbes nicht befugt gewesen sei, sei ihm erst zu einem nach Abschluß der Bauausführungen liegenden Zeitpunkt bekannt geworden. Der Verdacht der illegalen Ausländerbeschäftigung betreffe nicht ihn, sondern lediglich GF. Vom Beschwerdeführer geleistete Zahlungen seien zu 98 % über ein Bankinstitut erfolgt. Barzahlungen seien von GF ordnungsgemäß bestätigt worden. Die Mittel zur Finanzierung der Grundstückstransaktionen in Österreich stammten aus in seiner 20-jährigen Tätigkeit in der BRD geschaffenen Vermögenswerten, die er sukzessive veräußert und nach Österreich verbracht habe (Nachweis von Deviseneingängen auf Konten bei österreichischen Banken rund S 10,3 Mio (1990), S 6,2 Mio (1991) und S 3,4 Mio (1992)).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, im vorliegenden Fall bestehe der Verdacht eines Finanzvergehens, die beschlagnahmten Unterlagen kämen als Beweismittel in Betracht und die Beschlagnahme sei zur Beweissicherung geboten gewesen. Auch wenn der Beschwerdeführer durch den Nachweis von Deviseneingängen die Herkunft der Mittel zur Durchführung der Grundstückstransaktionen glaubhaft gemacht habe, habe er den weiters bestehenden Verdacht, Vorsteuern wissentlich in unrichtiger Höhe aus Abschlagsrechnungen geltend gemacht und hiedurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben, nicht entkräftet. Dieser Verdacht gründe sich zum einen auf den Umstand, daß anläßlich der durchgeführten Hausdurchsuchung vier von GF bereits vorunterfertigte Blankorechnungen gefunden worden seien und der Genannte in seiner Zeugenaussage überdies bestätigt habe, der Beschwerdeführer habe die Abschlagsrechnungen, "wenn er dazu Zeit hatte, persönlich erstellt". Er, GF, habe lediglich die empfangenen Akontozahlungen bestätigt. Bestärkt werde dieser Verdacht überdies durch die Tatsache, daß GF die vom Beschwerdeführer empfangene Provision mit ca. "S 50.000,-- aufwärts" beziffert habe, während in der bezughabenden Rechnung vom 14. Mai 1992 ein Betrag von S 160.000,-- ausgewiesen werde. Darüber hinaus befinde sich bei den Buchhaltungsunterlagen des GF eine dort nicht berücksichtigte, mit "dritte Zwischenrechnung" betitelte Faktura über Materialaufwendungen, welche weder hinsichtlich der in Rechnung gestellten Leistung noch betragsmäßig den für April 1991 vom Beschwerdeführer vorgelegten Abschlagsrechnungen entspreche. Der Umstand, daß es der Beschwerdeführer in der Hand gehabt habe, willkürlich abzurechnen, spreche schließlich auch dafür, daß er bewußt unzulässigerweise Vorsteuern aus Abschlagsrechnungen geltend gemacht habe, obwohl in sich geschlossene Teilleistungen, die einen Vorsteuerabzug zugelassen hätten, nicht vorgelegen und vertraglich auch nicht vereinbart worden seien. Inwieweit GF in wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt als selbständiger Unternehmer anzusehen sei und ob diesem Vertragsverhältnis nicht lediglich die Aufgabe zugekommen sei, dem Beschwerdeführer "auf legale Weise" billige Arbeitskräfte zu verschaffen, werde das fortzusetzende Untersuchungsverfahren zeigen. Eine in diese Richtung weisende Beurteilung werde außer durch die bereits erwähnten Zeugenaussagen durch den Umstand indiziert, daß vertragswidrig auch Material verrechnet worden sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe erst nach Abschluß des Bauvorhabens erfahren, daß GF kein konzessionierter Baumeister sei, werde durch dessen Zeugenaussage, wie er den Beschwerdeführer kennengelernt habe, widerlegt. Bei der Prüfung, ob das Vertragsverhältnis zwischen GF und dem Beschwerdeführer steuerlich anzuerkennen sei, sei auch auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Beschwerdeführer ab dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit des GF den Baufortschritt täglich persönlich überwacht habe. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Administrativbeschwerde, sämtliche Unterlagen seien bereits einer UVA-Prüfung unterzogen worden, sei entgegenzuhalten, daß dieser Umstand einer Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG und einer Beschlagnahme nicht entgegenstehe und wesentliche Verdachtsmomente dem Finanzamt erst nach Abschluß der Prüfungshandlung bekannt geworden seien. Daß die beschlagnahmten Unterlagen als Beweismittel in Betracht kämen, liege auf der Hand, zumal GF nach seiner eigenen Aussage nicht über solche verfüge. Die Beschlagnahme sei im vorliegenden Fall auch geboten gewesen, um eine Gefährdung der Sicherheit der Abgabenbelange hintanzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtig Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bekämpft die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, im vorliegenden Fall bestehe gegen den Beschwerdeführer der Verdacht eines Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG.

Die Beschwerde bringt hiezu im wesentlichen folgendes vor:

Der Beschwerdeführer habe Vorsteuerbeträge erst zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen, als die Bauleistungen gänzlich abgeschlossen gewesen seien. Die belangte Behörde habe die seitens des Betriebsprüfers als korrekt anerkannte Vorsteuerinanspruchnahme negiert. Die von der belangten Behörde verwerteten Zeugenaussagen seien in Verfahren, in denen der Beschwerdeführer nicht habe Stellung nehmen können, gemacht worden. Auch sei dem Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid erwähnte "dritte Zwischenrechnung" vom 12. April 1991 vorenthalten worden. Es sei der Wunsch des Bauunternehmers GF gewesen, dem Beschwerdeführer bei der Erstellung der Rechnungen über die Bauvorhaben behilflich zu sein. Daß GF nach seinen Aussagen die Rechnungen mit dem Beschwerdeführer abgestimmt und auch die Richtigkeit dieser Rechnungen bestätigt habe, sei im angefochtenen Bescheid nicht festgehalten worden. Der an GF fakturierte Betrag in der Höhe von S 160.000,-- und dessen Bezahlung sei gesondert ein zweites Mal durch diesen bestätigt worden. Die besagte Zwischenrechnung sei vom Beschwerdeführer betragsmäßig nicht anerkannt worden. Es stünde der belangten Behörde nicht zu, die Unternehmereigenschaft danach zu beurteilen, ob der das Unternehmerrisiko tragenden Bauführer GF auf der Baustelle subalterne Tätigkeiten durchgeführt habe. MW habe über das Bauvorhaben und dessen zeitliche Abwicklung nicht Bescheid gewußt. Die Zulässigkeit der Materialverrechnung ergebe sich aus einem die Pauschalvereinbarung vom 15. März 1991 ergänzenden Vertragsbestandteil vom selben Tag. Die als Schmierzettel bezeichneten Zahlungsbestätigungen seien dem Finanzamt anläßlich der UVA-Prüfung vorgelegt worden. Die belangte Behörde habe überdies übersehen, daß der Abschluß der UVA-Prüfung durch die Übermittlung der Niederschrift vom 27. Oktober 1993 erfolgt sei, während die Einvernahmen des GF am 27. September 1993 und die des Maurers MI am 14. Jänner 1993 erfolgt seien. Somit seien dem Finanzamt wesentliche Verdachtsmomente weit vor Abschluß der Prüfungshandlungen bekannt gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielsweise das Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 90/16/0179) handelt es sich bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme um eine Art vorläufiges Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke ihrer Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine endgültigen Lösungen zu treffen sind. Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, daß die freie Verfügungsgewalt über eine Sache vom Berechtigten auf die Finanzstrafbehörde übergeht. Als vorläufige Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw. Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls. Daß der Abgabenschuldner das Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe erst dem Untersuchungsverfahren nach den §§ 114 bis 124 FinStrG und dem Straferkenntnis zukommt. Es genügt, wenn gegen den Abgabenschuldner ein Verdacht besteht. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. "Verdacht" ist mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen zur Verfügung einer Beschlagnahme nicht aus.

Im vorliegenden Fall kann nicht die Rede davon sein, daß die Beschlagnahme von Unterlagen des Beschwerdeführers auf Grund bloßer Gerüchte oder Vermutungen erfolgt ist. Vielmehr bestanden insbesondere im Hinblick darauf, daß GF bei seiner Beschuldigteneinvernahme angab, der Beschwerdeführer hätte die (den Vorsteuerabzug ermöglichenden) Rechnungen, "wenn er dazu Zeit hatte", für ihn erstellt, daß der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen über von GF ausgestellte Blankorechnungen verfügte und daß in bezug auf die Höhe der von GF bezogenen Provision keine übereinstimmenden Aussagen vorliegen, hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, der Beschwerdeführer habe wissentlich Vorsteuern in unrichtiger Höhe geltend gemacht.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994150058.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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