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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1995, Zl. 4.333.962/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Georgien, der am 10. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. März 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. Mai 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16. März 1992 angegeben:
Er habe keiner Partei angehört und bis Mitte 1991 weder religiöse noch politische Probleme in seiner Heimat gehabt. Als es zur Verhaftung Gorbatschows gekommen sei, hätten auch in seiner Heimat die Leute begonnen, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Ca. 80 % der Bevölkerung hätten Sympathie für den Präsidenten Gamsachurdia gezeigt, der die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Georgiens angestrebt habe. Auch der Beschwerdeführer habe zu den Sympathisanten gezählt. Es hätten sich jedoch bewaffnete Einheiten gebildet, die mit aller Gewalt gegen die Autonomie Georgiens gewesen seien. Es sei ein regelrechter Bürgerkrieg ausgebrochen. Am 19. Februar 1992 habe er an einer Sympathiekundgebung für den Präsidenten teilgenommen. Militante Einheiten hätten in die Menge geschossen und er sei geflohen. Er dürfte in der Menge erkannt worden sein. In den nächsten Tagen sei er mehrmals Opfer von Überfällen auf seine Wohnung geworden, auf die mehrmals geschossen worden sei, wobei die Fensterscheiben zu Bruch gegangen seien. Seit dem Bürgerkrieg in Georgien sei man seines Lebens nicht mehr sicher. Er sehe für sich keine Zukunft mehr in Georgien. Das Staatsgefüge auch in anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion sei nicht besser, weshalb er keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe. Er wolle in seine Heimat nicht mehr zurück, da sich die Situation wahrscheinlich nie ändern werde. Er sei am 5. März 1992 gemeinsam mit einer 35 Personen umfassenden Reisegruppe von Tbiliste (= Tiflis) nach Moskau geflogen. Er sei im Besitz eines gültigen Reisepasses gewesen. Es sei nach Bratislava "weitergegangen", von wo er mit einem Reisebus am 10. März 1992 legal über den Grenzübergang Berg nach Wien gefahren sei.
In seiner gegen die abweisende Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung wiederholte er im wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen und ergänzte, daß die georgische Bevölkerung das Mißtrauen an der Wahl im Oktober 1990 geäußert habe, in der ausschließlich die Kommunisten an die Macht gekommen seien. Diese hätten einen Zusammenbruch erlitten. Danach habe sich vom 22. Dezember 1991 bis 20. Jänner 1992 ein Militärputsch ereignet, welchen "verbrecherische und bestechliche Menschen" verübt hätten. Diese seien in Verbindung mit den sowjetischen Truppen unter der Führung der exkommunistischen Elite gestanden. Er habe nicht in Ruhe den vielen Verbrechen der Macht zusehen können und deshalb am 19. Februar 1992 an der Sympathiekundgebung für den Präsidenten Gamsachurdia teilgenommen. Seit Nationalkrieg und Bürgerkrieg in Georgien seien, sei man seines Lebens nicht mehr sicher. Die "Mächte" hätten ihn gejagt und sich bemüht, ihn zu ermorden. Er habe aus dem Haus nicht hinausgehen können. Dieses sei oft beschossen, er mit dem Tode bedroht worden. Die "verbrecherischen Mächte" hätten alle Leitungsfunktionen des Staates an sich gerissen.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 22. Oktober 1993, welcher aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, B 2281/93-9, aus Anlaß der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch das Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben wurde. Die belangte Behörde erließ daraufhin den (Ersatz-)Bescheid vom 18. April 1995, in welchem sie davon ausging, daß keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der bereinigten Fassung für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens zuträfe, weshalb davon Abstand genommen werde und auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Berufungsvorbringen nicht einzugehen sei.
Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen werde festgestellt, daß der Beschwerdeführer während der Unabhängigkeitsbestrebungen seines Heimatlandes am 19. Februar 1992 an einer Sympathiekundgebung für den damaligen Präsidenten Gamsachurdia teilgenommen habe, wobei militante Einheiten, die gegen die Autonomie Georgiens eingestellt gewesen seien, in die Menge der Demonstranten geschossen hätten. In den nächsten Tagen sei im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Georgien mehrmals auch auf die Wohnung des Beschwerdeführers geschossen worden, wobei die Fensterscheiben zerstört worden seien. Da der Beschwerdeführer für sich in Georgien keine Zukunft mehr gesehen habe, habe er die Heimat verlassen und sei über Moskau und Bratislava nach Wien gereist. Aus seinem Vorbringen könne nicht festgestellt werden, daß der Beschwerdeführer bei seiner Teilnahme an der Sympathiekundgebung erkannt und deshalb gezielt auf seine Wohnung geschossen worden sei.
Die Schüsse auf die Demonstrationsteilnehmer sowie auf die Wohnung des Beschwerdeführers seien typische Vorfälle, die sich in Georgien aufgrund der damals herrschenden bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse ereignet hätten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Schüsse auf die Wohnung des Beschwerdeführers konkret gegen ihn gerichtete Maßnahmen gewesen seien, zumal er selbst lediglich vermute, daß er bei der Demonstration als Teilnehmer erkannt worden sei, und er auch allgemein ausgeführt habe, daß man in seiner Heimat durch den Bürgerkrieg seines Lebens nicht mehr sicher sei. Die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse indizierten aber nicht die Flüchtlingseigenschaft, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe habe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution und sonstigen Unruhen hervorgingen. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Asylwerber angehöre, und anderen Gruppen im Heimatstaat gebe. Konkret gegen ihn persönlich gerichtete "Verfolgungshandlungen" hätten nicht festgestellt werden können. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich insgesamt, daß er seine Heimat lediglich aufgrund der dortigen allgemeinen bürgerkriegsähnlichen Umstände verlassen habe, weshalb er nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Insofern der Beschwerdeführer rügt, im gegenständlichen Verfahren sei kein Amtssachverständiger (= "Amtsdolmetscher") bzw. ein beeideter Sachverständiger (Dolmetsch) beigezogen worden, weshalb die belangte Behörde gegen § 39a AVG verstoßen habe, ist ihm zu entgegnen, daß die Beiziehung eines derartigen Dolmetsch gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer unterläßt es auch vorzubringen, welche Teile der "maßgebenden Textpassagen" nicht richtig übersetzt worden wären, weshalb der Verfahrensrüge überdies die Relevanz mangelte. Darüberhinaus ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß er in seiner handschriftlichen Berufung den größten Teil seiner erstinstanzlichen Angaben nahezu wortwörtlich wiederholt hat.
Da somit dieser behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt und der Beschwerdeführer in der Berufung nicht behauptet hat, sowie in der Beschwerde nicht inhaltlich ausgeführt hat, welche Teile seiner Aussage unrichtig übersetzt worden wären, ist der Ansicht der belangten Behörde, es liege keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der bereinigten Fassung vor, weshalb auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Berufungsvorbringen nicht einzugehen sei, nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Beschwerde eine UNVOLLSTÄNDIGKEIT der erstinstanzlichen Niederschrift rügt.
Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer ergangenen Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge das gegenständliche Verfahren unterbrechen und einen Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich der NEUEN FASSUNG des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 beim Verfassungsgerichtshof einbringen, wird nicht gefolgt, da der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der bereinigten Fassung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat.
In inhaltlicher Sicht stimmt der Beschwerdeführer mit der belangten Behörde überein, daß bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in seinem Heimatstaat für sich alleine keine Flüchtlingseigenschaft begründen können. Es ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß die Bürgerkriegssituation aber auch eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung nicht generell ausschließt. Der Beschwerdeführer behauptet, militante Gegner des Staatspräsidenten Gamsachurdia hätten eine Kundgebung, an welcher auch der Beschwerdeführer teilgenommen habe, angegriffen. Hiebei "dürfte er erkannt" worden sein. In der Folge sei seine Wohnung mehrmals beschossen worden. Dabei seien die Fensterscheiben seiner Wohnung zu Bruch gegangen. Angesichts der unbestimmten Angaben über die Mitglieder der militanten Gruppe, des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nur vermutet, erkannt worden zu sein, und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer zwar die mehrmalige Beschießung der Wohnung behauptet, nicht jedoch aber, daß versucht worden sei, in die Wohnung einzudringen, um seiner habhaft zu werden, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Beschießung der Wohnung des Beschwerdeführers nicht als eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung gewertet hat, sondern als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen. Damit hat die belangte Behörde zu Recht ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides ("Verfolgungssicherheit" in der CSFR) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190098.X00Im RIS seit
20.11.2000