RS Vfgh 2021/11/29 E2089/2021

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
StGG Art2
EpidemieG 1950 §6, §20, §26, §32, §43, §50
COVID-19-BetriebsschließungsV BGBl II 74/2020
COVID-19-Seilbahn- und Beherbergungsbetriebs-SchließungsV der Bezirkshauptmannschaft St Johann im Pongau vom 13.03.2020
COVID-19-Seilbahn- und Beherbergungsbetriebs-SchließungsbeendigungsV der Bezirkshauptmannschaft St Johann im Pongau vom 28.03.2020
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrags auf finanzielle Vergütung einer Gesellschaft nach dem EpidemieG 1950 für deren Verdienstentgang durch die Schließung von Seilbahn- und Beherbergungsbetrieben auf Grund der Verordnung einer Salzburger Bezirkshauptmannschaft; Verdienstentgänge durch Betriebsschließungen für öffentliche Verkehrsanstalten sind einem Vergütungsanspruch nach dem EpidemieG 1950 zugänglich

Rechtssatz

Betriebsschließungen für öffentliche Verkehrsanstalten nach dem EpidemieG 1950 (EpiG), mag sich die Behörde auch förmlich nur auf §26 leg cit berufen, sind Eingriffe iSv §20 iVm §26 EpiG und sohin einer Vergütung nach §32 Abs1 Z(4 und) 5 EpiG zugänglich. Die gegenteilige Auffassung, wonach bei Vergütungs-ansprüchen nach §32 EpiG zwischen Betriebsschließungen nach §20 und solchen nach §26 leg cit zu unterscheiden wäre, würde dem Gesetz zudem einen verfassungswidrigen, nämlich gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen (E v 05.10.2021, E848/2021).

Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (BH) hat mit §1 Abs1 ihrer auf §26 EpiG gestützten Verordnung vom 13.03.2020, Z30405-508/3618/137-2020, betreffend Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Eindämmung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 die Einstellung des Betriebes von Seilbahnen mit Wirkung vom 16.03.2020 (vgl §3 Abs1 der Verordnung) verfügt (und diese Betriebsschließung mit weiterer Verordnung vom 28.03.2020, Z30405-508/3618/310-2020, vorzeitig wieder aufgehoben). Damit hat sie eine Betriebsschließung iSv §20 iVm §26 EpiG angeordnet, ohne dass dem die am 16.03.2020 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, entgegengestanden wäre, die nämlich den "öffentlichen Verkehr" (§2 Abs1 Z17 leg cit) von ihrem Betretungsverbot (§1 leg cit) ausgenommen hat (vgl §4 Abs2 COVID-19-MG in der Stammfassung BGBl I 12/2020: "im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung").

Indem das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) den Vergütungsanspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft nach §32 EpiG für den Geltungszeitraum dieser Verordnung schon dem Grunde nach mit der Begründung verneint hat, dass auf §26 EpiG gestützte Betriebsschließungen schlechthin nicht vergütungsfähig seien, hat es dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Im weiteren Verfahren wird das LVwG insbesondere zu prüfen haben, welche Vermögensnachteile der beschwerdeführenden Gesellschaft auf die Verordnung der BH vom 13.03.2020 zurückzuführen sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

COVID (Corona), Einkünfte, Entscheidungsbegründung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E2089.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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