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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der COVID-19-Lockerungsverordnung betreffend die Pflicht des Gastgewerbebetreibers sicherzustellen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt einen Mund- und Nasenschutz tragen; mangelhafte Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen im VerordnungsaktSpruch
I. 1. §6 Abs7 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II Nr 197/2020, idF BGBl II Nr 207/2020 war gesetzwidrig.
2. Die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
II. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass §6 Abs7 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 gesetzwidrig war.
II. Rechtslage
1. §§1 und 3 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – im Folgenden: COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 (§1) und BGBl I 12/2020 (§3) lauteten auszugsweise:
"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte
§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.
[…]
Strafbestimmungen
§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
[…]"
2. §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 (mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1.10.2020, G272/2020 ua, V469/2020 ua, wurden die Abs1 und 4 idF BGBl II 207/2020 als gesetzwidrig aufgehoben; mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Juni 2021, V615/2020, wurde festgestellt, dass §6 Abs2 und 3 idF BGBl II 207/2020 gesetzwidrig war) lautete (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Gastgewerbe
§6. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zulässig.
(2) Der Betreiber darf das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 23.00 Uhr zulassen. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(3) Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nicht in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle erfolgt.
(4) Der Betreiber hat die Verabreichungsplätze so einzurichten, dass zwischen den Besuchergruppen ein Abstand von mindestens einem Meter besteht. Dies gilt nicht, wenn durch geeignete Schutzmaßnahmen zur räumlichen Trennung das Infektionsrisiko minimiert werden kann.
(5) Der Betreiber darf Besuchergruppen nur einlassen, wenn diese
1. aus maximal vier Erwachsenen zuzüglich ihrer minderjährigen Kinder oder minderjährigen Kindern, denen gegenüber Obsorgepflichten vorhanden sind, bestehen oder
2. aus Personen bestehen, die im gemeinsamen Haushalt leben.
(6) Der Betreiber hat sicherzustellen, dass jeder Kunde in geschlossenen Räumen der Betriebsstätte durch den Betreiber oder einen Mitarbeiter platziert wird.
(7) Der Betreiber hat sicherzustellen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung tragen.
(8) Vom erstmaligen Betreten der Betriebsstätte bis zum Einfinden am Verabreichungsplatz hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und in geschlossenen Räumen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Beim Verlassen des Verabreichungsplatzes hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.
(9) Der Betreiber hat sicherzustellen, dass sich am Verabreichungsplatz keine Gegenstände befinden, die zum gemeinsamen Gebrauch durch die Kunden bestimmt sind. Selbstbedienung ist nur zulässig, wenn die Speisen und Getränke vom Betreiber oder einem Mitarbeiter ausgegeben werden oder zur Entnahme vorportionierter und abgedeckter Speisen und Getränke.
(10) Bei der Abholung vorbestellter Speisen und/oder Getränke ist sicherzustellen, dass diese nicht vor Ort konsumiert werden und gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen wird. Bei der Abholung können zusätzlich auch nicht vorbestellte Getränke mitgenommen werden.
(11) Die Abs1 bis 10 gelten nicht für Betriebsarten der Gastgewerbe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:
1. Krankenanstalten und Kureinrichtungen;
2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;
3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;
4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen;
5. Massenbeförderungsmittel."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (im Folgenden: belangte Behörde) vom 28. Dezember 2020 wurde über den Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: antragstellendes Gericht) eine Geldstrafe gemäß §8 Abs4 COVID-19-MG, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 104/2020 in der Höhe von € 300,– (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage 12 Stunden) verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe am 20. Mai 2020 um 10:57 Uhr als Inhaber einer näher bezeichneten Betriebsstätte des Gastgewerbes nicht dafür Sorge getragen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen hätten.
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das antragstellende Gericht und regte an, das antragstellende Gericht möge ein Verordnungsprüfungsverfahren beantragen.
2. Das antragstellende Gericht führt zu den Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, zusammengefasst Folgendes aus:
2.1. Die Zulässigkeit des Antrages begründet das antragstellende Gericht damit, dass im bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren auf Grund des Tatzeitpunktes §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 zur Anwendung gelange. Da die belangte Behörde die COVID-19-LV für die Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers angewendet habe und somit auch das antragstellende Gericht diese Verordnung heranzuziehen hätte, sei die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung gegeben.
2.2. In der Sache führt das antragstellende Gericht – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:
2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2020 §6 Abs1 und 4 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung sei mit 31. Dezember 2020 in Kraft getreten. Mit Erkenntnis vom 8. Juni 2021 habe der Verfassungsgerichtshof sodann festgestellt, dass §6 Abs2 und 3 idF BGBl II 207/2020 gesetzwidrig gewesen sei und dass die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien.
2.2.2. Es sei zwar zu beachten, dass die COVID-19-LV (ab der Verordnung BGBl II 407/2020: COVID-19-Maßnahmenverordnung – COVID-19-MV) bereits mit 3. November 2020 außer Kraft getreten sei (siehe §19 Abs2 COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 463/2020, und §19 Abs3 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl II 479/2020). Dies führe jedoch – auch unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips – angesichts der zeitraumbezogenen Regelung nicht zum Entfall der Strafbarkeit des Beschwerdeführers. §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 sei für den entsprechenden Tatzeitpunkt weiterhin anzuwenden (vgl VfSlg 20.399/2020; VfGH 9.3.2021, V530/2020).
2.2.3. §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 sei mit 29. Mai 2020 durch die Verordnung BGBl II 231/2020 neu gefasst worden, wobei dessen Gesetzwidrigkeit vom Verfassungsgerichtshof festgestellt worden sei.
2.2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes übertrage der Gesetzgeber mit §1 COVID-19-MG dem Verordnungsgeber (BMSGPK) einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und wieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich halte, womit der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer und Kunden zu treffen habe. Der Verordnungsgeber müsse also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung von COVID-19 notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit in Aussicht genommene Betretungsverbote oder Betretungsbeschränkungen von Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen (VfGH 1.10.2020, G272/2020 ua, V469/2020 ua).
2.2.5. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits festgestellt, dass §6 Abs1 und 4 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 den Vorgaben des §1 COVID-19-MG nicht genügten, da im Verordnungsakt Entscheidungsgrundlagen, Unterlagen oder Hinweise, die die Umstände der zu erlassenden Regelung betrafen, gänzlich gefehlt hätten. Auch vorliegend würden die vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) vorgelegten Verordnungsakten zum gegenständlichen Verfahren keine weiteren, im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage des §1 COVID-19-MG relevanten Ausführungen oder Unterlagen enthalten. Aus diesem Grund sei bereits §6 Abs1 und 4 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 (siehe Kundmachung des BMSGPK in BGBl II 485/2020) und mittlerweile auch §6 Abs2 und 3 leg cit (siehe Kundmachung des BMSGPK in BGBl II 360/2021) als gesetzwidrig aufgehoben worden. Im Ergebnis stelle sich daher auch der präjudizielle §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 für das antragstellende Gericht als gesetzwidrig dar.
3. Der BMSGPK hat eine Äußerung erstattet, in der er vorbringt, er erachte es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §6 Abs1 und 4 sowie zu §6 Abs2 und 3 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 (VfGH 1.10.2020, G272/2020 ua, V469/2020 ua; 8.6.2021, V615/2020) für aussichtslos ein inhaltliches Vorbringen zu erstatten. Dadurch solle jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 inhaltlich als gesetz- bzw verfassungswidrig angesehen werde. Hinsichtlich der auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten verweist der BMSGPK auf die entsprechenden Beilagen zum Verfahren V350-354/2020.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Dem antragstellenden Gericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass es §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 im Anlassverfahren anzuwenden hat.
1.3. Der Anfechtungsumfang wurde richtig gewählt und auch sonst sind keine Prozesshindernisse hervorgekommen. Der Antrag erweist sich daher insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.2.1. Das antragstellende Gericht begründet seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass der Verordnungsgeber seine Entscheidungsgrundlagen hinsichtlich des angefochtenen §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 nicht hinreichend dokumentiert habe.
2.2.2. Angesichts der inhaltlich weitreichenden Verordnungsermächtigung verpflichtet §1 COVID-19-MG (idF BGBl I 23/2020) vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B-VG den Verordnungsgeber dazu, im Verordnungserlassungsverfahren nachvollziehbar zu machen, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist (vgl VfGH 10.3.2021, V573/2020 mit Verweis auf VfSlg 20.398/2020, 20.399/2020 mwN).
2.2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, machen weder der Verordnungsakt zur Stammfassung der COVID-19-LV, BGBl II 197/2020 (vgl VfGH 1.10.2020, V429/2020), noch der Verordnungsakt zu der Novelle durch die Verordnung BGBl II 207/2020 (vgl zu 6 Abs1 und 4 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 VfGH 1.10.2020, G272/2020 ua, V469/2020 ua; zu §6 Abs2 und 3 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 VfGH 8.6.2021, V615/2020) ersichtlich, welche Umstände im Hinblick auf welche möglichen Entwicklungen von COVID-19 den Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung (unter anderem) hinsichtlich der in der angefochtenen Bestimmung genannten Voraussetzung für das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe geleitet haben.
2.2.4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wird auch der vorliegend angefochtene §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 den Vorgaben des §1 COVID-19-MG nicht gerecht: Der Verordnungsgeber hat es gänzlich unterlassen, jene Umstände nachvollziehbar festzuhalten, auf Grund derer er die mit dieser Regelung getroffene Maßnahme für erforderlich gehalten hat. Da diese Bestimmung bereits außer Kraft getreten ist, genügt es festzustellen, dass §6 Abs7 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 gesetzwidrig war.
V. Ergebnis
1. Die COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, ist mit Ablauf des 2. November 2020 außer Kraft getreten (vgl §19 Abs1 und 2 COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 463/2020, und §19 Abs3 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl II 479/2020). Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art139 Abs4 B-VG auf die Feststellung zu beschränken, dass §6 Abs7 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 gesetzwidrig war.
2. Der Ausspruch, dass §6 Abs7 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG.
3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
COVID (Corona), Verordnungserlassung, Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, VfGH / Gerichtsantrag, Bindung (des Verordnungsgebers), GrundlagenforschungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V234.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2022