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Verwaltungsverfahren - AVGNorm
AVG §63 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat. Dr. Dworak, über die Beschwerde der Stadt Linz, vertreten durch den Stadtsenat, dieser vertreten durch Stadtrat RE in Linz, P-Straße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. März 1980, Zl. BauR-487/1-1980 Ed/Atz, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: AH in L) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Stadt Linz Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Linz vom 18. Juni 1979 wurde das Ansuchen der Mitbeteiligten um nachträgliche Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren betreffend das Ansuchen der Ehegatten EM und AM vom 18. Juni 1973 um die Erteilung der Baubewilligung für die Erweiterung des Stallgebäudes samt Heuboden und den Neubau eines Silos auf dem Grundstück Nr. 87, EZ. 14 der Katastralgemeinde P bzw. um Zustellung einer Ausfertigung des in Erledigung dieses Verfahrens ergangenen Bescheides des Magistrates der Stadt Linz vom 28. März 1974 im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß ihr in diesem Baubewilligungsverfahren nicht die Stellung eines Nachbarn zukomme.
Der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung der Mitbeteiligten gab der Stadtsenat der Stadt Linz mit Bescheid vom 13. Februar 1980 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Auch die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß der Mitbeteiligten in dem in Rede stehenden baubehördlichen Verfahren keine Parteistellung als Nachbar zukomme.
Am 6. März 1980 langte beim Magistrat der Stadt Linz eine Eingabe der Mitbeteiligten vom 5. März 1980 ein, in welcher sie u. a. wörtlich Nachstehendes ausführte:
„Ich habe dem Gesetz entsprechend gehandelt u. werde gegen Ihren Bescheid vom 13. 2. 1980 - GZ 600/N den ich, da ich nicht anwesend war, am 26. 2. 80 8 Monate nach der im § 73 (1) AVG vorgeschriebenen Frist von 6 Monaten erhalten habe, dem Gesetz entsprechend nicht berufen.“
Am 10. März 1980 überreichte die Mitbeteiligte beim Magistrat der Stadt Linz ein mit dem Datum desselben Tages versehenes Schreiben, in welchem sie gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Linz vom 13. Februar 1980 die Vorstellung einbrachte.
Mit dem am 11. März 1980 beim Magistrat der Stadt Linz eingelangten Schreiben vom 10. März 1980 ersuchte die Mitbeteiligte, „mein Schreiben vom 5. März 1980 aus meinem Akt zu entfernen und zu vernichten, da es ein Irrtum meinerseits war.“
Mit dem daraufhin ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. März 1980 wurde der Vorstellung der Mitbeteiligten vom 10. März 1980 unter Berufung auf § 67 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz, LGBl.Nr. 10/1980, in Verbindung mit § 67 der Oberösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, Folge gegeben und der Bescheid des Stadtsenates der Stadt Linz vom 13. Februar 1980 mit der Feststellung aufgehoben, daß durch diesen Bescheid Rechte der Mitbeteiligten verletzt werden, und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz verwiesen. Entgegen der Auffassung der Berufungsbehörde ging die Oberösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde entsprechend der ihrem Bescheid beigegebenen Begründung davon aus, daß der Mitbeteiligten Parteistellung zuzuerkennen gewesen wäre, da ihr Grundstück „unmittelbar an die Liegenschaft der Bauwerber angrenzt und die Grundgrenze im Osten vom angetragenen Stallgebäude nur in einer Entfernung von ca. 9 m verläuft“.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, weil die Vorstellung der Mitbeteiligten im Hinblick auf den in ihrer - auszugsweise bereits wörtlich wiedergegebenen - Eingabe vom 5. März 1980 zum Ausdruck kommenden Rechtsmittelverzicht als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Mitbeteiligte mit ihrem Schreiben vom 10. März 1980 die Erklärung vom 5. März 1980 offenbar habe widerrufen wollen, da ein zumal ausgesprochener Rechtsmittelverzicht nicht mehr zurückgenommen werden könne.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin aus nachstehenden Erwägungen im Recht:
Die Mitbeteiligte hat den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Linz vom 13. Februar 1980 selbst unter der Annahme, daß die am 21. Februar 1980 erfolgte Hinterlegung desselben unzulässig gewesen wäre, im Hinblick auf § 31 AVG 1950 ihren eigenen Angaben zufolge jedenfalls am 26. Februar 1980 zugestellt erhalten und in ihrem an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz gerichteten Schriftsatz vom 5. März 1980, wie schon ausgeführt worden ist, wörtlich erklärt: „Ich habe dem Gesetz entsprechend gehandelt und werde gegen Ihren Bescheid vom 13. 2. 1980 ...... nicht berufen.“ Diese Formulierung kann nur als Verzicht auf die Einbringung eines Rechtsmittels gegen den erwähnten Berufungsbescheid des Stadtsenates der Stadt Linz verstanden werden. Zufolge § 63 Abs. 4 AVG 1950, welcher auch im aufsichtsbehördlichen Verfahren anzuwenden ist (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 4. Juli 1966, Slg. N. F. Nr. 6966/A, und vom 6. Mai 1968, Slg. N. F. Nr. 7345/A), ist aber eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Dabei fällt weder der Umstand ins Gewicht, daß die Mitbeteiligte in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich den Begriff „Vorstellung“ verwendet hat, da die von ihr gebrauchte Wendung keinen Zweifel an dem beabsichtigten Rechtsmittelverzicht läßt, noch kommt dem Schreiben der Mitbeteiligten vom 10. März 1980, mit welchem sie ersuchte, das den Rechtmittelverzicht enthaltende „Schreiben vom 5. März 1980 aus meinem Akt zu entfernen und zu vernichten, da es ein Irrtum meinerseits war“, eine rechtliche Bedeutung zu, da ein Berufungsverzicht unwiderruflich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1951, Slg. N.F. Nr. 1889/A).
Schon aus diesem Grunde wäre die belangte Behörde daher zufolge § 66 Abs. 4 AVG 1950 verpflichtet gewesen, die Vorstellung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Linz vom 13. Februar 1980 als unzulässig zurückzuweisen. Der Umstand, daß die belangte Behörde die Vorstellung der Mitbeteiligten nicht zurückgewiesen, sondern den Berufungsbescheid aufgehoben hat, belastet den angefochtenen Bescheid sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zufolge § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu dessen Aufhebung führen mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am 16. September 1980
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1980:1980001203.X00Im RIS seit
17.02.2022Zuletzt aktualisiert am
17.02.2022