TE Vwgh Beschluss 2022/1/14 Ra 2021/10/0177

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2022
beobachten
merken

Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
SHG Stmk 1998 §4 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision der B T in B, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Neubaugasse 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 13. September 2021, Zl. LVwG 47.5-1816/2021-9, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. September 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form eines Kostenzuschusses zur 24-Stunden-Betreuung gemäß §§ 1, 4, 5, 7, 8, 9 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz - Stmk. SHG ab, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.

2        Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für die vorliegende Revisionssache von Interesse - zugrunde, die Revisionswerberin lebe gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Ehemann in einem Haus in B.; diese Liegenschaft habe die Revisionswerberin mit Notariatsakt vom 25. Mai 1992 an ihre Tochter und deren Ehemann übergeben.

3        Punkt 7. dieses Vertrages laute - auszugsweise - wie folgt:

„Für die Übergabe beziehungsweise Übernahme räumen die Übernehmer mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Besitz des Vertragsgegenstandes der Übergeberin auf deren weitere Lebenszeit das Wohnungsrecht in dem vom Hauseingang links gelegenen Zimmer, samt freier Beleuchtung, Beheizung sowie der Stromkosten, der Reinigung und Instandhaltung des Zimmers und der Benützung der Nebenräumlichkeiten ein, und nimmt die Übergeberin dieses grundbücherlich sicherzustellende Recht vertragsgemäss an. [...] Des weiteren verpflichten sich die Übernehmer, die Übergeberin in gesunden und kranken Tagen zu warten und zu pflegen und im Falle der persönlichen Verhinderung eine Pflegeperson beizustellen.-Sollte der Übergeberin ein Hilflosenzuschuss gewährt werden, so gebührt dieser der jeweiligen Pflegeperson.-------Weitere Gegenleistungen werden von der Übergeberin für sich persönlich nicht beansprucht. [...]“

4        Seit einem Schlaganfall im Jänner 2020 sei die Revisionswerberin pflegebedürftig und habe seitdem auch Anspruch auf Pflegegeld; seit September 2020 werde sie von einer 24-Stunden-Pflege betreut.

5        Die Revisionswerberin verfüge insgesamt über ein monatliches Einkommen von € 2.910,75 (aus Alters- und Witwenpension, Pflegegeld und einem „Kostenzuschuss des Sozialministeriumservice“). Die Kosten für die 24-Stunden-Pflege betrügen monatlich € 2.462,52.

6        Nach Abzug der Kosten der 24-Stunden-Pflege verbleibe der Revisionswerberin somit für ihre Lebensführung monatlich ein Betrag von € 448,23. Darüber hinausgehende Bedürfnisse der Revisionswerberin würden von deren Tochter finanziert.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht (unter anderem) aus, es sei abzuklären, ob das Einkommen der Revisionswerberin zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfes im Sinn des § 4 Abs. 1 Stmk. SHG ausreiche oder ob eine Hilfsbedürftigkeit der Revisionswerberin im Sinn dieses Gesetzes bestehe.

8        Im Sinne des im Sozialhilferecht maßgeblichen Grundsatzes der Subsidiarität habe der Hilfesuchende zuerst eigene Mittel einzusetzen, um seinen Bedarf zu decken, und könne sich nur, wenn diese nicht ausreichten, an die Gemeinschaft wenden; der Begriff der eigenen Mittel sei dabei umfassend zu verstehen.

9        Nach VwGH 24.10.2017, Ra 2017/10/0107, sei für die Gewährung von Sozialhilfe maßgeblich, ob der Bedarf eines Hilfesuchenden tatsächlich gedeckt werde oder nicht. Darauf, ob Dritte diesen Aufwand freiwillig oder unfreiwillig aus jederzeit abänderbaren Gründen trügen, komme es dabei - unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes - nicht an.

10       Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass - weil der über einen Betrag von € 448,23 hinausgehende Lebensunterhalt der Revisionswerberin von deren Tochter übernommen werde - eine aktuelle Hilfsbedürftigkeit der Revisionswerberin nicht gegeben sei; daher bestehe ein Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht.

11       Bei der Auslegung der wiedergegebenen Klausel 7. des Übergabsvertrages vom 25. Mai 1992 schloss sich das Verwaltungsgericht der Auffassung der Revisionswerberin, mit der Wahl des Wortes „beistellen“ sei keinesfalls eine kostenpflichtige Zurverfügungstellung einer Pflegeperson impliziert (so die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid der belangten Behörde), nicht an; vielmehr sei die Bestimmung so zu verstehen, dass sich die Übernehmer verpflichteten, eine Pflegeperson zur Verfügung zu stellen und auch zu finanzieren, sollten sie selber eine Pflege nicht mehr bewerkstelligen können.

12       2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       3. In den Zulässigkeitsausführungen ihrer außerordentlichen Revision wendet sich die Revisionswerberin gegen die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Auffassung, zufolge der (unter Einbeziehung der Unterstützung durch die Tochter) vollständigen Abdeckung des Lebensunterhaltes der Revisionswerberin liege eine Hilfsbedürftigkeit nicht vor. Dazu bringt die Revisionswerberin vor, die Leistung ihrer Tochter erfolge freiwillig und habe „mit der Vereinbarung im Übergabsvertrag nichts zu tun“, weshalb es dafür „keine rechtliche Grundlage“ gebe.

16       Dem ist zu erwidern, dass die von der Revisionswerberin bekämpfte Auffassung des Verwaltungsgerichtes der hg. Rechtsprechung entspricht; so hat der Gerichtshof - neben dem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss Ra 2017/10/0107 - in jüngerer Zeit etwa auch mit Beschluss vom 25. Jänner 2017, Ra 2016/10/0143, im Sinn seiner ständigen (dort näher angeführten) Rechtsprechung dargelegt, dass Sozialhilfe nur insoweit zu leisten ist, als der jeweilige Bedarf nicht durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (Subsidiaritätsprinzip), und es darauf, ob Dritte diesen Aufwand freiwillig oder unfreiwillig aus jederzeit abänderbaren Gründen tragen, - unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes - nicht ankommt.

17       Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kommt es - ausgehend von den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen (vgl. oben insbesondere Rz 4 bis 6) - auf die von der Revisionswerberin in ihren Zulässigkeitsausführungen (neuerlich) thematisierte Auslegung des Punktes 7. des Übergabsvertrages vom 25. Mai 1992 gar nicht an (vgl. allerdings zu der eingeschränkten Revisibilität der Auslegung von Verträgen im Einzelfall etwa VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0040, mwN).

18       4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021100177.L00

Im RIS seit

17.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten