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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1995, Zl. 105.106/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. November 1991 wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich bis 30. Mai 1992 erteilt. Am 4. Dezember 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer (weiteren) Aufenthaltsberechtigung. Dieser in der Folge gemäß § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes (FrG) als solcher gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) behandelte Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. September 1993 wegen schwerer Körperverletzung und Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 2 WaffenG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen worden sei. Damit sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht. Im Hinblick auf den Aufenthalt seiner Familie im Bundesgebiet bestünden Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich, welche aber den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien. Letztere greife nicht mit derselben Wahrscheinlichkeit und Intensität in das Privat- und Familienleben eines Fremden ein wie ein Aufenthaltsverbot.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung nach dem genannten Gesetz Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer tritt der im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0321, und vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0105) stehenden Ansicht der belangten Behörde, das einer Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung zugrundeliegende Fehlverhalten eines Fremden rechtfertige die Annahme, sein weiterer Aufenthalt gefährde die öffentliche Sicherheit, nicht entgegen.
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es verabsäumt, ihm zum von ihr erstmals gebrauchten Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtliches Gehör zu gewähren. Er legt in diesem Zusammenhang dar, daß er (am 3. Juni 1993) eine Fremde geehelicht habe, welche über einen unbefristeten Sichtvermerk verfüge und auch die Voraussetzungen für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfülle. Am 19. Juli 1994 sei ihm ein Sohn geboren worden. Der Beschwerdeführer sei in Österreich integriert.
Richtig ist, daß die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG grundsätzlich auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen hat, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit in einer Weise gefähren würde, daß die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. aus der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, B 302/93, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0317).
Im vorliegenden Fall ist jedoch ausschlaggebend, daß nach der Aktenlage der im Jahr 1990 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer aufgrund eines Bescheides vom 25. November 1991 lediglich bis 30. Mai 1992 über eine Aufenthaltsberechtigung verfügte. Die in diesem Zeitraum begründeten - ausschließlich persönlichen - Interessen des Beschwerdeführers überwiegen die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsberechtigung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit nicht. Die während des unberechtigten weiteren Aufenthaltes des Fremden begründeten familiären und intensivierten persönlichen Interessen im Inland vermögen in aller Regel keine zu seinen Gunsten ausschlagende Interessenabwägung zu bewirken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0340, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0277).
Die Rechtsstellung eines Fremden, der während eines illegalen Aufenthaltes im Inland familiäre Beziehungen anknüpft, kann in Ansehung seiner durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechte nicht besser sein als jene eines Fremden, der im Ausland verbleibend solche Interessen im Inland (etwa durch eine Eheschließung mit einer im Inland ansässigen Fremden) begründet. Auf die Interessen solcher Fremder am Familiennachzug hat der Gesetzgeber mit der im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 9. Mai 1995 in ihrer Fassung vor der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351, anzuwendenden Bestimmung des § 3 AufG Bedacht genommen. Gemäß § 3 Abs. 1 a. F. AufG haben Ehegatten von Fremden, die rechtmäßig aufgrund einer Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Hauptwohnsitz in Österreich haben, einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Bewilligung, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt. Gemäß § 3 Abs. 2 a.F. AufG setzt die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten voraus, daß die Ehe ZUM ZEITPUNKT DER ANTRAGSTELLUNG bereits mindestens ein Jahr besteht. Die Verkürzung dieser Frist ist nur dann möglich, wenn die Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer, welcher seine Ehe erst nach der gegenständlichen Antragstellung geschlossen hat, nicht einmal dann einen Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung aufgrund des vorliegenden Antrages nach der in Bedachtnahme auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Interessen des Fremden auf Familiennachzug geschaffenen Bestimmung des § 3 a.F. AufG hätte, wenn der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht vorläge. Die bei einer Versagung der Aufenthaltsbewilligung nach diesem Versagungsgrund gebotene Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK darf nicht zu dem Ergebnis führen, daß ein Fremder, der diesen Versagungsgrund gesetzt hat, günstiger gestellt wird als einer, bei dem dies nicht der Fall war.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190261.X00Im RIS seit
02.05.2001